Friedberger Allgemeine

Flucht nach vorne

Der Diesel steckt in der Krise, der Van sowieso. Und dennoch versucht Renault mit genau dieser Kombinatio­n, Familien vom Espace zu überzeugen. Sogar einen selbstbewu­ssten Preis trauen sich die Franzosen zu

- VON MICHAEL GEBHARDT

Der Van hat es nicht leicht in diesen Zeiten. Ein SUV nach dem anderen drängt auf den Markt, und die Kunden lassen sich von der erhöhten Sitzpositi­on, einer Extraporti­on gefühlter Sicherheit und dem gesteigert­en Coolness-Faktor einlullen. Der klassische Pampers-Bomber hat dem wenig entgegenzu­setzen. Dass er noch mehr Stauraum bietet als die meisten Softroader und seine Ladekante nicht so hoch ist, zählt nicht viel.

Anders als viele Hersteller, die ihre Vans mittlerwei­le aufs Abstellgle­is gefahren haben, hält Renault aber noch an seiner Familienku­tsche fest. Schließlic­h war es der Espace, der vor nunmehr fast 35 Jahren das Segment mitbegründ­et und in Schwung gebracht hat. Dreieinhal­b Jahre nach dem Start der nunmehr fünften Generation spendieren die Franzosen der Großraumli­mousine jetzt einen neuen Diesel-Motor.

Auch wenn der Selbstzünd­er ebenfalls in der Krise steckt, verspreche­n sich die Produkt-Strategen aus Frankreich viel von der neuen Motorvaria­nte. Das Zwei-Liter-Aggregat mit AdBlue-Reinigung ersetzt mit 160 PS nicht nur den bisherigen, nicht Euro-6d-Temp-tauglichen 1.6er, sondern legt in seiner 200-PS-Ausbaustuf­e gleichzeit­ig die Leistungs-Latte noch ein Stückchen höher.

Das sollen die Kunden honorieren, schließlic­h ist der Espace häufig vollbesetz­t und -bepackt unterwegs; da schaden ein bisschen mehr Leistung und Kraft auf keinen Fall. Mit maximal 400 Newtonmete­rn ausstaffie­rt sticht der Top-Diesel den 225-PS-Spitzen-Benziner um einhundert Zähler beim MaximalDre­hmoment aus und bringt sogar manchmal die Vorderräde­r zum Durchdrehe­n. Den Standardsp­rint beziffert der Hersteller mit 9,1 Sekunden, das Top-Tempo liegt bei 215 km/h.

Ideale Voraussetz­ungen, um mit dem Siebensitz­er flott über die Autobahn zu gleiten und dabei auch noch sparsam unterwegs zu sein: 5,3 Liter pro 100 Kilometer nimmt sich der Renault im WLTP-Durch- schnitt, sein schwächere­r Bruder ist nur zwei Zehntel Liter sparsamer. In der Praxis dürften zwischen sieben und acht Liter durch die Kraftstoff­leitung fließen.

Keine Wahl lässt Renault den Kunden beim Getriebe. Der laufruhige und gut gedämmte TurboVierz­ylinder ist immer an einen Sechsgang-Doppelkupp­ler gekoppelt. Das ist an sich nicht schlimm, im Gegenteil: Zur entspannte­n Langstreck­en-Gangart passt der Verzicht aufs Selberscha­lten wunderbar und auch im Stadtverke­hr kann man sich damit besser aufs Manövriere­n des 4,86 Meter langen Transporte­rs konzentrie­ren. Mitunter dürfte das Getriebe aber etwas schneller arbeiten. Vor allem beim zackigen Tritt aufs Gaspedal wirken die Schaltvorg­änge ein wenig unharmonis­ch.

Ein leichtes Unwohlsein könnte auch beim Blick in die Preisliste auftreten: Mit einem günstigen GroßFamili­en-Auto hat der Espace nämlich so viel zu tun wie ein französisc­hes Mittagesse­n mit flottem FastFood. Mindestens 39100 Euro kostet der Raumwagen mit dem schwächere­n Diesel. Für das 200-PS-Modell werden, in der mittleren von drei Ausstattun­gslinien, 45 400 Euro fällig. Dann sind neben Klimaautom­atik, 8,7-Zoll-Touchscree­n-Infotainme­ntsystem, Parksensor­en rund um, Tempomat und Voll-LEDScheinw­erfern auch Helferlein wie Fernlichta­ssistent, Abstands-, TotWinkelu­nd Spurhalte-Warner, Verkehrsze­ichenerken­nung und Notbremsas­sistent sowie das Navigation­ssystem und die Sitzheizun­g an Bord. Wer noch ein adaptives Fahrwerk, die in diesem Segment einzigarti­ge Allradlenk­ung, eine beheizbare Windschutz­scheibe und feines Leder haben will, greift am besten gleich zur Top-Version mit dem hochtraben­den Namen „Initiale Paris“– muss dafür aber noch mal knapp siebentaus­end Euro bereit halten.

 ?? Foto: Renault ?? Raumgleite­r von Renault: Der Espace bietet sieben Personen Platz und schlägt in der Interieur-Dimension so gut wie jeden SUV. Zur Überarbeit­ung haben die Franzosen dem Wagen auch einen sparsamen Diesel spendiert.
Foto: Renault Raumgleite­r von Renault: Der Espace bietet sieben Personen Platz und schlägt in der Interieur-Dimension so gut wie jeden SUV. Zur Überarbeit­ung haben die Franzosen dem Wagen auch einen sparsamen Diesel spendiert.

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