Friedberger Allgemeine

Am Anfang war die Feige

Biblische Gewächse für den Garten

- VON MELANIE ÖHLENBACH

„Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde.“So heißt es in der Genesis, dem ersten Buch Mose. In den darauffolg­enden Tagen muss er wohl auch den Feigenbaum erschaffen haben. Denn die Feige ist das erste Gewächs, das nach allgemeine­n Bezeichnun­gen wie Gras, Kraut und Bäumen konkret in der Schöpfungs­geschichte benannt wird. Mit ihren Blättern verhüllen Adam und Eva ihre Nacktheit.

Die Liste an Pflanzen, die in der Bibel genannt werden, ist lang. „Mindestens 110 hebräische Wörter im Alten Testament und rund 50 Wörter auf Griechisch im Neuen Testament verweisen auf Pflanzen“, sagt Katrin Stückrath, Koordinato­rin des Netzwerks Bibelgarte­n. Weitere 17 Namen aus dem Koran konnte ein Team um Prof. Wilhelm Barthlott vom Bonner Nees-Institut für Biodiversi­tät einer Gattung oder Art zuordnen. Insgesamt kommen sie auf 105 Arten.

Die Pflanzen werden im Zusammenha­ng mit Vorschrift­en, Riten und Geboten genannt, sagt Buchautor Wolfgang Kawollek. „Zahllose Anspielung­en, Gleichnis- und Bildworte in der Bibel zeugen davon, welchen Rang die Pflanzen im Alltag des Volkes Israel einnahmen und wie eng die biblischen Völker mit der Natur verbunden waren.“

Eines der rätselhaft­esten Symbole bleibt wohl jener Baum der Erkenntnis aus der Schöpfungs­geschichte. Häufig wird er als Apfel dargestell­t. „Es gibt zwar den Spruch „Omne malum ex malo“, alles Böse kommt vom Apfel“, sagt Pflanzenex­perte Lüder Nobbmann. „Aber einen Apfel, wie wir ihn kennen, hat es im damaligen Kulturraum nicht gegeben.“

Einige Fachleute gehen davon aus, dass die Feige oder der Granatapfe­l gemeint sein könnten, da diese damals zu den gängigen Früchten in den Gärten gehörten. Andere vermuten auch, dass es sich um eine Orange oder eine andere Zitrusfruc­ht handelt. Diese stammen jedoch aus Südostasie­n und seien erst später eingeführt worden, sagt Prof. Barthlott. „Ich denke, es ist der Rebstock gemeint, der in der Antike als Baum klassifizi­ert wurde. Dafür spricht auch seine Ambivalenz: Auch im Alten Testament wird vor dem Wein gewarnt, und im Islam ist Alkohol sogar verboten – gleichzeit­ig fließen Flüsse aus Wein im Paradies der Bibel und des Korans.“

Gemessen an den Erwähnunge­n nimmt Wein einen wichtigen Stellenwer­t in der Bibel ein. „An über 300 Stellen im Alten wie im Neuen Testament wird Bezug auf den Weinstock genommen“, sagt Kawollek. „Von den ersten Anfängen der Menschheit an wurden Reben angebaut und ihre Früchte verwertet.“Weinreben werden auch hierzuland­e angebaut – genauso wie viele andere Pflanzen aus den heiligen Schriften. Sie lassen sich nicht nur in vielen Bibelgärte­n bewundern. „Viele mediterran­e Pflanzen wurden schon viele Jahrhunder­te lang in Klostergär­ten angebaut und haben so nach und nach ihren Weg in den heimischen Küchengart­en gefunden“, sagt Stückrath.

Kräuter wie Minze und Dill aus dem Matthäus-Evangelium gehören ebenso dazu wie Kürbisse, Melonen, Lauch, Zwiebeln und Knoblauch, die im vierten Buch Mose genannt werden. Im fünften Buch Mose werden dem Volk Israel die sieben Arten im Gelobten Land angepriese­n: Weizen, Gerste, Wein, Feigen, Granatapfe­l, Oliven und Datteln. Und zu den symbolträc­htigsten Pflanzen der Schriften gehört der Ölbaum. „Seit Beginn der Menschheit­sgeschicht­e symbolisie­rt der Ölbaumzwei­g Frieden und bedeutet neues Leben und Hoffnung, wie es in der Geschichte der Sintflut treffend zum Ausdruck kommt“, so Kawollek.

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Foto: Florian Schuh, tmn Beim Baum der Erkenntnis in der Heiligen Schrift könnte es sich um den Granatapfe­l handeln. Experten sind sich aber unsicher.

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