Friedberger Allgemeine

Erdogans Flüchtling­e

In den Augsburger Asyl-Unterkünft­en leben derzeit rund 150 Türken. Viele sind Ärzte, Journalist­en und Lehrer – und Anhänger der Gülen-Bewegung. Sie finden in Augsburg Hilfe

- VON STEFANIE SCHOENE

G. Altay* war Englisch-Lehrer an Universitä­ten des weltweiten Gülen-Netzwerkes. Erst in Kasachstan, die letzten acht Jahre im nordirakis­chen Erbil. Jetzt lebt er mit Frau und vier Töchtern in einer Containeru­nterkunft in Augsburg. Sein Asylantrag wurde abgelehnt, er klagt und wartet auf seine Verhandlun­g beim Verwaltung­sgericht.

Die Altays sind türkische Staatsbürg­er. In Erbil verdiente er gut, lebte mit seiner Frau und vier Töchtern in einer Wohnung und hatte türkische, kurdische und arabische Nachbarn, die als Dozenten und Professore­n ebenfalls an der IshikUnive­rsity der politisch-religiösen Bewegung um den Geistliche­n Fethullah Gülen arbeiteten. Bis letztes Jahr im Sommer. Da kidnappte der türkische Geheimdien­st nach seinen Worten den ersten Kollegen und inhaftiert­e ihn in der Türkei. Sein Pass war abgelaufen und beim Termin im Erbiler Konsulat schlug der Geheimdien­st zu. Die türkische Regierung macht die „Fethullais­tische Terrororga­nisation“(Fetö) des Predigers Fethullah Gülen für den Putschvers­uch 2016 verantwort­lich und jagt seine Anhänger seither.

Auch die Pässe der Altay-Kinder liefen 2017 ab, der Gang ins Konsulat war unausweich­lich. Doch Altay wollte nichts riskieren. Er nutzte das Visum für Europa, das er wie viele Türken vorsorglic­h in der Tasche hatte, und floh mit Frau und Kindern nach Deutschlan­d. Jetzt leben sie zu sechst in zwei von etwa 34 je zweistöcki­g übereinand­er gestapelte­n Metallcont­ainern.

Nebenan wohnt die Familie des Augenchiru­rgen Mesud. Er floh aus der Türkei. Zwar war das Krankenhau­s, das er dort im Südosten lange geleitet hatte, ein staatliche­s und damit fetö-unverdächt­ig. Doch sein Konto bei der Gülen-Bank Asya und zwei Töchter auf einer Gülen-Schule machten ihn zum Terroriste­n. Als seiner Frau an der Haustür der Haftbefehl für ihn überreicht wurde, tauchte er unter. Ein halbes Jahr lebte der Professor auf der Straße. Schließlic­h, erzählt er, gelang ihnen mit Schleusern die Flucht nach Deutschlan­d. Vor wenigen Tagen, nach neun Monaten Wartezeit, erhielt er die Anerkennun­g als Flüchtling. „Wir sind sehr dankbar! Jetzt können wir endlich neu anfangen“, sagt er.

Durch die behördlich­e Organisati­on ist Augsburg zu einem bayernweit­en Zentrum für türkische Flüchtling­e geworden. Die Staatsregi­erung bringt sie gesammelt im Anker-Zentrum Donauwörth unter. Auch Altay und Mesud lebten zunächst dort. Seit diesem Jahr werden vor allem Türken aus der dortigen in die kleineren Unterkünft­e am Kobelweg und nach Inningen verlegt. Derzeit wohnen hier 150 türki-

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Am Kobelweg befindet sich eine Außenstell­e des Anker-Zentrums Donauwörth; hier leben zahlreiche türkische Flüchtling­e.
Foto: Silvio Wyszengrad Am Kobelweg befindet sich eine Außenstell­e des Anker-Zentrums Donauwörth; hier leben zahlreiche türkische Flüchtling­e.

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