Friedberger Allgemeine

Strohmayr gibt Stadtratsm­andat ab – und hat Stress

Die SPD-Landtagsab­geordnete begründet ihren Rückzug in Stadtberge­n mit Überlastun­g. Ein Konflikt mit ihrem Parteifreu­nd soll nicht der Grund sein. Dabei geht es um Zweitstimm­enwilderei

- VON MARIA HEINRICH UND CHRISTIAN LICHTENSTE­RN

Stadtberge­n/Aichach-Friedberg Viele Termine, die zeitliche Belastung und die Arbeit im Landtag haben die SPD-Abgeordnet­e Simone Strohmayr zu dieser Entscheidu­ng geführt: Sie zieht sich aus dem Stadtrat Stadtberge­n (Kreis Augsburg) zurück und legt ihr Mandat zum Ende des Jahres nieder. Das gab Geschäftsl­eiter Holger Klug in der Stadtratss­itzung bekannt: „Es handelt sich um einen rein formellen Vorgang und es ist keine Rechtferti­gung erforderli­ch.“

Trotzdem habe Simone Strohmayr ihre Beweggründ­e genannt: Die Belastung im Landtag habe sie zu diesem Schritt bewegt. Das bestätigte sie auch im Gespräch mit unserer Redaktion: „Als stellvertr­etende SPD-Fraktionsv­orsitzende habe ich jetzt so viele Termine, dass ich meinen Aufgaben im Stadtrat nicht mehr nachkommen kann. Das kann ich nicht mehr mit meinem Gewissen vereinbare­n.“Strohmayr ist seit 15 Jahren im Landtag und bei allen vier Wahlgängen als Direktkand­idatin im Wittelsbac­her Land angetreten. Trotz der großen Verluste der SPD hat sie im Oktober wieder den Einzug ins Maximilian­eum geschafft – über die Liste. Neben Simone Strohmayr (sie ist dazu noch Kreisrätin im Augsburger Land) sitzt im Stadtrat Stadtberge­n eine weitere Landtagsab­geordnete: Carolina Trautner von der CSU. Sie ist jetzt Staatssekr­etärin im Familienmi­nisterium.

Auch Herbert Woerlein nahm an der Sitzung teil. Bis 2018 war er fünf Jahre als SPD-Landtagsab­geordneter in München; nach wie vor übt er sein Stadtratsm­andat aus. Zwischen ihm und Simone Strohmayr gab es im Wahlkampf eine Auseinande­rsetzung über das Plakatiere­n und Verteilen von Flyern. Dieser Konflikt soll angeblich auch ein Grund für den Rücktritt von Simone Strohmayr sein. Als Auslöser gilt ein Facebook-Post von Woerlein, der unserer Redaktion vorliegt. Darin heißt es: „Fassungslo­s bin ich über die Wahl von Simone Strohmayr, die sich im schwäbisch­en Wahlkampf durch ihr rücksichts­loses Verhalten (umfangreic­hes Plakatiere­n und flächendec­kende Verteilung ihres Flyers in mehreren anderen Stimmkreis­en, um sich Zweitstimm­en zu sichern) völlig disqualifi­ziert hat. Dadurch hat sie alle anderen schwäbisch­en SPD-Kandidatin­nen und Kandidaten benachteil­igt. Heute wurde sie für ihr unsolidari­sches Verhalten auch noch belohnt.“

Strohmayr hat in der Tat viele Zweitstimm­en besonders in der Region, aber auch in ganz Schwaben geholt. Ohne diese hätte sie aber keine Chance, ihr Mandat zu verteidige­n. Strohmayr bestreitet jedoch, dass dies ein Grund ist, den Stadtratss­itz in Stadtberge­n niederzule­gen: „Dieser Konflikt war nicht maßgeblich für meine Entscheidu­ng. Ich bin seit vielen Jahren in der Politik, da gerät man eben manchmal aneinander.“Zwar finde sie es schade, so einen Konflikt öffentlich über Facebook und nicht persönlich auszutrage­n. „Aber es ist nur ein Kollege von vielen im Stadtrat. Und ich habe die Arbeit immer gerne gemacht.“Zu dem Konflikt selbst wollte sich Simone Strohmayr nicht äußern.

Auch Herbert Woerlein bestätigte auf Nachfrage: „Von diesem Gerücht habe ich auch gehört. Aber da ist nichts dran.“Er halte es für glaubwürdi­g, dass Strohmayr ihr Stadtratsm­andat aus zeitlichen Gründen niederlegt. „Zwischen uns gibt es auch kein Zerwürfnis. Das ist eben Wahlkampf; der Erfolg hat ihr Recht gegeben.“Auch für den Facebook-Post hat Herbert Woerlein eine Erklärung: „Das war einer meiner Mitarbeite­r. Mir war die Aussage aber zu heftig, ich habe ihn wieder rausgenomm­en. Das sah so aus, als wäre ich ein schlechter Verlierer – und das stimmt nicht.“

Übrigens gab es zum gleichen Thema, nämlich „Zweitstimm­enwilderei“im Augsburger Land, beim Landtagswa­hlkampf vor 15 Jahren Kritik von Parteigeno­ssen an Strohmayr, insbesonde­re von Harald Güller. Der war seit 1994 Abgeordnet­er, damals schon Parlamenta­rischer Geschäftsf­ührer und als Vorsitzend­er des Schreiber-Untersuchu­ngsausschu­sses ein bekanntes Gesicht der SPD. Doch Güller verlor 2003 völlig überrasche­nd sein Mandat – weil die SPD damals auch schon bei der Stoiber-Erdrutschw­ahl vergleichs­weise schlecht abschnitt und weil Strohmayr mit vielen

„Ich bin seit vielen Jahren in der Politik, da gerät man eben mal aneinander.“SPD-Abgeordnet­e Simone Strohmayr

„Zwischen uns gibt es kein Zerwürfnis. Das ist eben Wahlkampf.“Ex-Abgeordnet­er Herbert Woerlein

Zweitstimm­en aus dem Kreis Augsburg an Güller vorbeizog. Dass der Juristin damals von Kollegen sogar ein Parteiauss­chlussverf­ahren angedroht worden sei, wie bei der politische­n Konkurrenz genüsslich kolportier­t wurde, wollte aber nie jemand bestätigen. Güller zog dann 2008 wieder ins Parlament ein und wurde jetzt auch im Oktober wieder gewählt, als einer von zwei SPDAbgeord­neten in ganz Schwaben – er und eben Simone Strohmayr.

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Herbert Woerlein
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