„Die Sorgen um den Platz sind begründet“
Die Erneuerung des Kunstrasenfelds wird in Kissing heiß diskutiert. Die Meringerin Barbara Sedlmeir hat als Sachverständige für den Sportplatzbau zahlreiche Anlagen gesehen und schier unglaubliche Schadensfälle erlebt
Mering Der Kissinger SC muss sein Kunstrasenfeld erneuern. Das ist für den Verein eine gewaltige Herausforderung und die Gemeinde muss bei der Finanzierung mithelfen. Deswegen sorgt unter anderem die geplante Abzäunung der Anlage für Diskussionen.
Barbara Sedlmeir aus Mering ist Sachverständige für den Sportplatzbau und hat beruflich schon einige Fußballplätze unter die Lupe genommen. Ihr fachlicher Rat war schon in der Augsburger WWKArena und der Münchner AllianzArena gefragt.
In Kissing sorgt vor allem der geplante Zaun für eine Debatte. Ist das denn so ungewöhnlich?
Sedlmeir: Dass ein Verein sein Kunstrasenfeld abzäunt, ist schon üblich. Aber es gibt genauso gut auch Felder, die frei zugänglich sind.
Was wäre denn aus Expertensicht empfehlenswert?
Sedlmeir: Das kommt auf den Nutzungszweck an. Für wen baut man den Platz? Sollen da auch die Jugendlichen nach der Schule zum bolzen drauf gehen? Oder soll das Feld vor allem für den Vereinssport genutzt werden.
Der KSC will den Zaun zum Schutz des Geländes. Wie empfindlich Kunstrasen?
Sedlmeir: Wenn Leute mit dem Mofa oder Mountainbike drauf rumfahren – dafür ist er sicher nicht geeignet. Wenn Kinder zum Bolzen drauf gehen, ist das kein Problem. Wenn sie allerdings mit dem Taschenmesser reinstechen oder die Kunstfasern mit dem Feuerzeug ansengen, dann kann erheblicher Schaden entstehen.
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Das klingt jetzt ziemlich konkret. Kommt das wirklich vor?
Sedlmeir: Das hat es alles schon gegeben. Zum Beispiel, dass welche mit dem Auto einen Powerslide über den Kunstrasen hinlegen - vor allem wenn zuvor noch gut getrunken wurde. Dass beispielsweise jemand mit Roller oder Mofa drüber fährt, kommt allerdings erheblich öfter vor. Die Sorgen um den Platz sind schon begründet.
Wie aufwendig ist es, einen beschädigten Platz auszubessern?
Sedlmeir: Das kann man pauschal nicht sagen. Es kommt ganz auf den Schaden an. Wenn nur kleine Flächen kaputt sind, kann man einfach einen kleinen Bereich austauschen. Wenn es aber viele kleine Löcher gibt, die über den ganzen Platz verteilt sind, muss man unter Umständen großflächig austauschen. Wenn dann eventuell noch Verdrückungen im Untergrund dazu kommen und dadurch Teile der Oberbaubauschichten erneuert werden müssen, dann wird es teuer.
Wie teuer ist ein Kunstrasenfeld, wenn man es neu anlegt?
Sedlmeir: Wenn man es komplett neu anlegt, muss man mindestens mit 800000 bis 850000 Euro rechnen, je nach Untergrund. Wenn schon ein Platz da ist und saniert wird, kommt es sehr darauf an: Kann ich beispielsweise die Randeinfassung belassen oder muss ich diese auch erneuern. Muss ich auch einen Zaun bauen oder muss möglicherweise auch die Flutlichtanlage erneuert werden. Deswegen lassen sich hier die Kosten kaum vergleichen. Und natürlich gibt es auch Unterschiede bei der Qualität des Materials.
Der Kissinger Platz ist 20 Jahre alt. Wie lange ist denn normalerweise die Lebensdauer eines Kunstrasenfelds? Sedlmeir: 15 bis 18 Jahre. Das hängt aber stark von der Pflege ab.
Welche Vorteile hat er im Vergleich zum Naturrasen?
Sedlmeir: Man kann ihn halt auch bei schlechten Witterungsverhältnissen nutzen. Wenn der Boden zu nass ist, soll man auf Naturrasen nicht spielen, weil sonst der Platz kaputt geht. Das schaut sonst hinterher aus wie auf einem Acker. Kunstrasen kann man dagegen das ganze Jahr nutzen.
Der Kunstrasenplatz ist in der Anschaffung deutlich teurer. Für wen lohnt sich das?
Sedlmeir: Man muss Kosten und Nutzen gegenüber stellen. Wenn der Platz nicht gut ausgelastet wird, kommt er in der Summe teurer als ein Naturrasen. Es hängt von den Wochenstunden ab, die ein Platz genutzt wird.
Wie ist die Erfahrung? Ab welcher Größe oder aber welcher Spielklasse haben die Vereine normalerweise einen Kunstrasenplatz?
Sedlmeir: Das geht durch die ganze Bandbreite der Vereine von winzig bis groß und hängt vor allem vom Budget ab. Viele kleine Vereine hätten gerne einen, können es sich aber nicht leisten.
Was sind - außer den Kosten - die Nachteile?
Sedlmeir: Früher war das kein Thema. Aber heute wird immer mehr über die Verwendung von Kunststoff an sich diskutiert. Manche befürchten, dass Mikroplastik ins Grundwasser gelangen könnte. Außerdem ist allgemein die Entsorgung von Kunststoff schwieriger und aufwendiger geworden. Die Tendenz geht dahin, den Kunststoffbelag getrennt zu entsorgen und zu recyceln. Da geht es um erhebliche Mengen, wenn man bedenkt, dass ein Großspielfeld 7000 bis 7500 Quadratmeter hat. Auf dieser Fläche liegt der Kunststoffteppich und zusätzlich rund drei Zentimeter hoch Kunststoffgranulat. Da kommt schon was zusammen.
Was ist der verrückteste Vorfall, mit dem Sie in Ihrer Laufbahn, bei einem Kunstrasenplatz zu tun hatten? Sedlmeir: Eben, dass wirklich jemand mit dem Auto drüber gefahren ist. Und es ist auch schon passiert, dass eine Kuhherde ausgebrochen und quer übers Spielfeld marschiert ist. Das war auch nicht gut für den Platz.