Der nette Zeitungsbote von nebenan
Rosa Hohler wohnt seit fast 40 Jahren im selben Haus, doch weil die Mieter oft wechseln, hat sie kaum Bekannte. Bis auf ihren Nachbarn Ludwig Schauer. Wie er ihr mit kleinen Botengängen eine Freude macht
Auf dem weihnachtlich dekorierten Fensterbrett von Rosa Hohler stehen drei kleine Engel aus Porzellan und Kunststoff. Auch auf der Kommode kann man die ein oder andere kleine Figur mit Flügelchen entdecken. Ein weiterer sitzt heute mit ihr am Tisch – ohne Flügel. Dafür aber ist er eine echte Hilfe: Ludwig Schauer ist so etwas wie der persönliche Zeitungsbote von
Rosa Hohler. „Und er ist einfach ein toller Nachbar.“
Vor 16 Jahren zog Ludwig Schauer in die Wohnung nebenan. Um sich bei den Nachbarn vorzustellen, lud er sie ein. Es entstand eine gute Bekanntschaft. Normalerweise herrscht in dem Haus in Haunstetten ein ständiges Kommen und Gehen. „Viele wohnen nicht lange hier“, sagt Rosa Hohler. Deshalb sie auch sonst kaum Kontakte im Haus. Sie, die bereits seit 38 Jahren im dritten Stock wohnt, und Ludwig Schauer sind eher eine Ausnahme – und helfen zusammen.
Als ihr Lebensgefährte starb, war Rosa Hohler froh, einen Bekannten im Haus zu haben. Wenn sie unterwegs ist, übernimmt er das Blumengießen und leert den Briefkasten. „Es ist einfach toll, wenn man sich so auf jemanden verlassen kann“, sagt Hohler.
Und der Nachbar bringt jeden Tag die Zeitung mit. „Ich bin Frühaufsteher“, sagt Schauer. „Wenn ich um fünf Uhr aufstehe, ist die Zeitung noch gar nicht da.“Manchmal erwartet er den Austräger dann schon unten am Briefkasten und nimmt die beiden Zeitungen entgegen: eine für Rosa Hohler und eine für sich.
Das sei doch alles selbstverständlich, wehrt der 88-Jährige ab. Er gehe ja sowieso die Treppe runter und wieder rauf. „Nein, nein“, sagt Hohler. „Herr Schauer ist überhaupt ein Engel. Jeden Tag besucht er seine Lebensgefährtin im Pflegeheim und geht mit ihr spazieren.“Schauer winkt ab und lächelt verlehat gen. „Es freut mich schon, wenn jemand anerkennt, was man tut“, sagt er. Aber wenn es nach ihm ginge, müsste das ja nicht gleich in der Zeitung stehen.
Seit fast 40 Jahren liest Ludwig Schauer die
Von sich selbst hat er in all den Jahren bisher nichts gelesen. „Ich dachte mir, dass das eine tolle Gelegenheit ist, mich bei ihm zu bedanken“, sagt Hohler. Nächste Woche haben sie sich zu Lebkuchen und Punsch verabredet. Dann kann Rosa Hohler von dem Empfang mit dem Oberbürgermeister im Goldenen Saal erzählen. Denn auch sie tut etwas für andere. Mit 64 Jahren ging sie als Geschäftsstellenverwalterin beim Sozialgericht in den Ruhestand und engagiert sich seitdem beim Freiwilligenzentrum Augsburg.
Sie hilft ehrenamtlich zum Beispiel bei Firmenläufen und war auch Lotse bei der diesjährigen Weltfreiwilligenkonferenz vor Kurzem im Kongress am Park. Als Dankeschön waren alle Helfer ins Rathaus eingeladen. „Dabei habe ich doch gar nicht viel gemacht“, sagt Rosa Hohler. Zwei bescheidene Engel unter sich.
Augsburger Allgemeine.