Friedberger Allgemeine

Aleppo-Seife statt Mehl und Eier im Dorfladen

Nach 25 Jahren übergibt Sofie Ziegler aus dem Hollenbach­er Ortsteil Motzenhofe­n ihren Dorfladen an die syrische Familie Aslan. Künftig stehen dort Naturkosme­tika und -reinigungs­mittel im Regal

- VON VICKY JEANTY

Hollenbach-Motzenhofe­n Fadi Aslan ist ein weiterer Sprung in die Selbststän­digkeit gelungen. Der 36-jährige Familienva­ter aus dem syrischen Aleppo übernimmt den Dorfladen von Sofie Ziegler aus Motzenhofe­n. Seit der Gründung eines eigenen Betriebs vor einigen Monaten und der ständig wachsenden Nachfrage seiner Naturseife­n ist der studierte Chemiker überglückl­ich, im Dorfladen seine Produktpal­ette anbieten zu können. Ehefrau Nour wird die Poststelle im Hollenbach­er Ortsteil weiterführ­en.

„Wir haben im Grunde gar nicht nach einem Nachfolger für den Laden gesucht“, gesteht Franz Xaver Ziegler. Der Bürgermeis­ter von Hollenbach ist Sofie Zieglers Sohn, und wohnt, wie die Mutter, in unmittelba­rer Nähe des stattliche­n Gehöfts an der Hollenbach­er Straße in Motzenhofe­n. Dass Fadi Aslan den Laden nahtlos übernimmt und dort seine Seifen und Cremes verkaufen will, habe ihm und der Mutter sofort gefallen, sagt Ziegler. „Das ist eine Aufwertung für den Ort.“

Der Bürgermeis­ter kennt die syrische Familie, seitdem sie vor über drei Jahren nach ihrer Flucht aus Syrien in Motzenhofe­n eine zweite Heimat gefunden hat. „Fadi ist zu Beginn mit dem Fahrrad zum Deutschunt­erricht nach Dasing gefahren. Die ganze Familie hat von Anfang an Vollgas gegeben“, bestätigt Ziegler. In Rekordzeit absolviert Fadi Aslan die erforderli­chen kaufmännis­chen Prüfungen zur Betriebsgr­ündung. In Bergen bei Affing mietet er mehrere Räumlichke­iten an.

Hier produziert er im Ein-MannBetrie­b Seifen, Kosmetika und seit Neuestem auch Reinigungs­mittel – alle auf rein pflanzlich­er Basis und ohne jegliche chemische oder synthetisc­he Zusatzstof­fe (wir berichtete­n). Aus Plastik sind nur die Behältniss­e für flüssige Seifen. „Die sind mehrfach benutzbar und werden in unserem Laden neu befüllt“, erklärt Aslan. Die für die Herstellun­g unabdingba­ren verschiede­nen Öle bezieht er aus Frankreich, der Türkei und Griechenla­nd. Lediglich das Traubenker­nöl stammt aus Deutschlan­d.

„Der Name der Aleppo-Seife ist kaputt“, sagt Fadi Aslan. Das hänge mit dem Ausbruch des blutigen Bürgerkrie­gs in Syrien zusammen, der zur Schließung eines Großteils der einst florierend­en 200 Seifensied­ereien in Aleppo geführt habe, auch seines eigenen Betriebs. Über Jahrhunder­te wurde in der Stadt die klassische, rein pflanzlich­e AleppoSeif­e hergestell­t. Abgesehen von der Körper- und Hautpflege, hatte sie eine heilende Wirkung bei Wunden und Hauterkran­kungen. Was heute als Aleppo-Seife auf dem Markt sei, werde zum Großteil in der Türkei oder in China produziert, so Aslan. „Mein Traum ist es, den Namen Aleppo-Seife wieder gut zu machen“, sagt er. Entspreche­nd liegen seine Prioritäte­n in der traditione­llen Herstellun­gsweise und der Qualität der verwendete­n natürliche­n „Zutaten“. Eine große Herausford­erung mit ungewissem Ausgang, dessen ist er sich bewusst. Größere Chancen räumt er seiner auf lange Sicht angelegten Geschäftsi­dee ein: sich die politische Situation in Syrien beruhigt habe, möchte er seinen dortigen Betrieb wieder ins Laufen bringen und vor Ort produziere­n lassen. „Wenn ich hier arbeite und von Aleppo nach Deutschlan­d exportiere, ist das für beide Seiten eine Win-win-Situation.“

Fadi Aslans Vertrieb in Deutschlan­d läuft bestens. Er kommt mit der Produktion kaum nach. Vor allem die Haarseife sei der Renner, sagt er. Mehrere Natur-und Bioläden, Apotheken und zwei Großhändle­r bieten seine Naturprodu­kte an. Seine Frau Nour kümmert sich um das Onlinegesc­häft. Zu Hause etikettier­t und verpackt sie die Ware und bringt alles zur Post.

Mit dem Dorfladen wird sich das ändern. Im hinteren Bereich des gut 60 Quadratmet­er großen Ladens mit der original alten Gewölbedec­ke wollen die Aslans die Verpackung und Büroarbeit­en tätigen. Sofie Ziegler hatte hier die Poststelle. Die kommt nun nach vorne und ist in den Verkaufsra­um integriert. Damit bleibt der Dorfladen ein Ort der Begegnung und des lebendigen Austausche­s. Ein gutes Gefühl für Sofie Ziegler, die 25 Jahre lang ihr kleines Geschäft mit großem Engagement betrieben hat. Sie verkaufte vor allem regionale Produkte, im Frühjahr und Herbst mit Vorliebe Blumen und Pflanzen. „Jetzt bin ich froh, dass ich endlich mehr Zeit habe, mich um meine vier Enkel zu kümmern“, sagt die 65-Jährige.

„Wir waren nie allein. Jeden Schritt haben wir zusammen geSobald macht. Motzenhofe­n ist wie eine Heimat für uns.“Fadi Aslans Dank gilt den vielen Helfern und Helferinne­n vor Ort, die sie in all den Jahren begleitet haben. „Ohne die große Unterstütz­ung hätten wir das alles nicht geschafft. Das hat uns motiviert.“

Die geräumige Wohnung im Haus von Franziska und Josef Katzenschw­anz verschaffe ihnen die nötige Ruhe. Der Hausherr habe sogar selbst eine ausgetüfte­lte Seifenschn­eidemaschi­ne für ihn gemacht. Die Integratio­n lässt sich hören: „Unsere Kinder sprechen mittlerwei­le zwei Sprachen: Deutsch und Bayerisch.“Die Mutterspra­che Arabisch steht an dritter Stelle. Ende April wird Fadi Aslan seinen Dorfladen eröffnen.

 ??  ??
 ?? Fotos (2): Vicky Jeanty ?? Nach 25 Jahren schließt Sofie Ziegler demnächst ihren Dorfladen in Motzenhofe­n. Bürgermeis­ter Franz Xaver Ziegler und Sohn der Ladenbesit­zerin freut sich, mit Fadi Aslan (rechts) einen interessan­ten Nachfolger gefunden zu haben. Der Chemiker aus Aleppo wird hier seine Naturseife­n verkaufen.
Fotos (2): Vicky Jeanty Nach 25 Jahren schließt Sofie Ziegler demnächst ihren Dorfladen in Motzenhofe­n. Bürgermeis­ter Franz Xaver Ziegler und Sohn der Ladenbesit­zerin freut sich, mit Fadi Aslan (rechts) einen interessan­ten Nachfolger gefunden zu haben. Der Chemiker aus Aleppo wird hier seine Naturseife­n verkaufen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany