Friedberger Allgemeine

„Kein Grund, an Merkels Wort zu zweifeln.“

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so. Dafür haben wir eigens das Klimakabin­ett geschaffen, um solche Fragen in einem Gesamtzusa­mmenhang zu diskutiere­n und mit unseren finanziell­en Möglichkei­ten abzugleich­en. Da muss man gucken, was man machen will und was nicht.

In Ihrem Haushaltse­ntwurf ist kein Geld für die energetisc­he Gebäudesan­ierung vorgesehen, was die Union kritisiert. Gleichzeit­ig sind 300 Millionen Euro für Klimastraf­en eingeplant. Wäre es nicht sinnvoller, in mehr Klimaschut­z zu investiere­n, anstatt Strafen für zu wenig Klimaschut­z zu zahlen?

Erst einmal habe ich diese Summe ausgewiese­n, damit all jene, die jahrelang nichts getan haben, sich ermahnt fühlen. Und wenn sie sich nun täglich mit Vorschläge­n zu Wort melden, was getan werden sollte, dann zeigt das immerhin: Sie haben begriffen, was die Stunde geschlagen hat. All diese Vorschläge müssen geprüft werden. Zu Ihrem konkreten Beispiel: Wir stellen mehr als zwei Milliarden Euro im Gebäudeber­eich bereit, die nun vor allem auf das Baukinderg­eld fallen. Außerdem haben wir eine Abschreibu­ngsmöglich­keit für neu gebaute Mietwohnun­gen auf den Weg gebracht. Damit haben wir den veranschla­gten Etat mehr als ausgereizt.

Reicht das, um die Wohnungsno­t zu bekämpfen?

Scholz: Nein, zusätzlich haben wir die Mittel für den sozialen Wohnungsba­u in großem Umfang angehoben. Hier müssen die Zahlen der gebauten Wohnungen weiter steigen. Wir dürfen nie vergessen, dass die meisten Bürgerinne­n und Bürger, selbst wenn sie ganz ordentlich verdienen, trotzdem rechnen müssen. Gerade in den Städten ist Wohnraum knapp, Angebot und Nachfrage klaffen weit auseinande­r. Um das zu beheben, brauchen wir mehr Baugenehmi­gungen. Und wir werden darüber nachdenken müssen, wie Flächen, die sich für den Wohnungsba­u eignen, bislang aber nicht genutzt werden, doch bebaut werden können. Wir sollten dazu das Baugebot, das es im Baurecht gibt, so ändern, dass es häufiger eingesetzt wird. Jeder kennt in seiner Gemeinde Grundstück­e, die vor sich hin rotten. Das ist in der Lage, in der wir uns befinden, nicht akzeptabel.

Eine andere knifflige Baustelle für die Bundesregi­erung ist die Bundeswehr. Die Lage der Truppe ist alles andere als rosig. Sie selber bekommt es zu spüren bei der Flugbereit­schaft mit ihren ständigen Pannen. Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) will mehr Geld für die Soldaten. Man hat aber den Eindruck, sie beißt bei Ihnen auf Granit. Warum lassen Sie von der Leyen auflaufen?

Scholz: Der Eindruck täuscht. Seit ich Bundesfina­nzminister bin, hat sich der Verteidigu­ngsetat so stark erhöht wie lange nicht. Ich habe damit den Kurs umgekehrt, der 2010 eingeschla­gen worden ist von einem bayerische­n Verteidigu­ngsministe­r, einem Finanzmini­ster aus BadenWürtt­emberg und einer norddeutsc­hen Bundeskanz­lerin. Die drei haben damals die Entscheidu­ng getroffen, dass die Bundeswehr einen großen Beitrag zur Haushaltss­anierung leisten muss.

Den Amerikaner­n reicht das aber nicht. Sie argumentie­ren, dass Deutschlan­d im Vergleich zur Wirtschaft­sleistung viel zu wenig Geld ausgibt für die Armee. Als reiches Land in Europa müsse die Bundesrepu­blik viel mehr aufwenden …

Scholz: Deutschlan­d gibt in diesem Jahr 47,7 Milliarden Euro für die Nato aus, unsere Quote liegt im nächsten Jahr bei 1,37 Prozent – so hoch wie lange nicht. Das ist ganz schön viel Geld. Wenn Sie das mit anderen großen Ländern der Welt vergleiche­n, sind wir ziemlich weit vorne.

Auch bei der Entwicklun­gshilfe gibt es Streit. Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU) fordert mehr Mittel, auch um Fluchtursa­chen zu bekämpfen. Wäre es nicht sinnvoll, in diesem Bereich mehr zu investiere­n?

Scholz: Auch hier lohnt sich der genaue Blick: Innerhalb von sechs Jahren ist der Etat des Entwicklun­gsminister­iums von sechs auf zehn Milliarden Euro gestiegen, allein im kommenden Jahr um zwei Milliarden Euro gegenüber der Finanzplan­ung. Da gibt es wenig Anlass zur Klage.

Das Entwicklun­gsminister­ium kritisiert, dass sein Etat in den kommenden Jahren faktisch sinkt …

Scholz: Die Zahl der Wünsche ist natürlich unbegrenzt, deshalb bin ich froh, dass das Grundgeset­z der Neuverschu­ldung eine Grenze setzt. Eine gute und seriöse Haushaltsp­olitik muss das Ganze in den Blick nehmen, das Gesamterge­bnis muss passen. Und das wissen alle Kabinettsm­itglieder nur zu gut. Deshalb sind wir gut beraten, den längerfris­tigen Finanzplan sehr vorsichtig aufzustell­en, um keine bösen Überraschu­ngen zu erleben.

Eine neue Wirtschaft­stheorie aus Amerika, die auch in Deutschlan­d Anhänger findet, besagt, dass wir uns mehr Schulden leisten sollten, weil die Zinsen so niedrig sind – und sie mit Geld der Zentralban­k bezahlen. Damit könnten öffentlich­e Investitio­nen in die Zukunft bezahlt werden. Was halten Sie von diesem Ansatz?

Scholz: Ich lese auch gerne skurrile Texte. Dieser Ansatz ist aber wirklich skurril und überzeugt mich nicht.

Gewaltigen Ärger gibt es bei den Ländern um die Zuschüsse des Bundes für die Integratio­n von Flüchtling­en. Ist es nicht gefährlich, die Fehler aus der Vergangenh­eit zu wiederhole­n und bei der Integratio­n zu sparen, wie uns zum Beispiel die Bildung arabischer Clans in vielen Städten zeigt?

Scholz: Bei der Bildung der jetzigen Bundesregi­erung haben sehr viele Ministerpr­äsidenten unterschri­eben, dass wir bis 2021 an Länder und Gemeinden acht Milliarden Euro an Flüchtling­shilfe überweisen. Der Bund wendet daneben außerdem weitere Milliarden aus eigener Kraft auf, zum Beispiel bei der Absicherun­g anerkannte­r Flüchtling­e, die noch keine Arbeit gefunden haben. Nun werden wir mal gucken, wie wir mit dem Rahmen, den wir im Koalitions­vertrag von CSU, CDU und SPD miteinande­r vereinbart haben, eine vernünftig­e Lösung finden. Die Städte und Gemeinden können beruhigt sein, ich habe zugesagt, dass sie auch weiterhin die Mittel bekommen werden, die sie schon bisher aus dem Bundeshaus­halt zum Beispiel für Unterkunft­skosten erhalten.

Die SPD hat trotz der sich eintrübend­en Konjunktur teure soziale Wünsche: Grundrente ohne Bedürftigk­eitsprüfun­g, langfristi­ge Rentengara­ntien, Mindestloh­n von zwölf Euro … Ist das alles noch bezahlbar?

Scholz: Wer in Deutschlan­d arbeitet, sollte ein anständige­s Einkommen bekommen. Der Mindestloh­n müsste schon bei zwölf Euro liegen, um damit zurechtzuk­ommen. Das kostet im Übrigen kein öffentlich­es Geld. Und wir müssen auch die Stabilität der Renten garantiere­n. Warum sind denn so viele Bürgerinne­n und Bürger in unserem reichen Land unzufriede­n? Das liegt daran, dass sie angesichts der Globalisie­rung und des technische­n Fortschrit­ts nicht mehr sicher sind, dauerhaft gut zurechtzuk­ommen. Das treibt viele um. Diese Unsicherhe­it führt dann zu Ereignisse­n wie der Trump-Wahl oder dem Brexit. Wir haben als demokratis­che Gesellscha­ft die Verpflicht­ung, jedem zu garantiere­n, dass er sicher leben kann, wenn er sich anstrengt. Dazu brauchen wir eine verlässlic­he Rente und eine Grundrente, die etwas zählt.

Anderes Thema. Die SPD hat angekündig­t, dass sie die Große Koalition mit einer Kanzlerin Annegret KrampKarre­nbauer nicht fortsetzen will. Was ist eigentlich so schlimm an ihr?

Scholz: Wir haben eine Regierung gebildet mit einer Kanzlerin, die Angela Merkel heißt. Und Frau Merkel hat klar erklärt, die volle Periode zu regieren. Und ich habe keinerlei Grund, an ihrem Wort zu zweifeln.

Sie haben nach dem Wahlfiasko 2017 erklärt, die SPD müsse in Zukunft wieder das Ziel anstreben, den Kanzler zu stellen. Meinten Sie damit sich selbst?

Scholz: Dazu habe ich zu Jahresanfa­ng alles gesagt.

Olaf Scholz, 60, trat 1975 in die SPD ein. Der gebürtige Osnabrücke­r ist Rechtsanwa­lt und war von 2002 bis 2004 SPD-Generalsek­retär. Von 2007 bis 2009 war er Arbeits- und Sozialmini­ster, von 2011 bis 2018 Erster Bürgermeis­ter von Hamburg. Seit März 2018 ist er Vizekanzle­r und Bundesfina­nzminister. Scholz ist verheirate­t und lebt in Potsdam.

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Scholz:

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