Friedberger Allgemeine

Ein Beruf, der jeden Tag was Neues bringt

Lehrstelle­noffensive Andreas Briegel überwacht die Entstehung spezieller Fette. Wenn er nicht aufpasst, ruiniert er Ware im Wert eines Ferraris

- VON CHRISTINA HELLER

Illertisse­n Als Andreas Briegel die Tür zur Anlage öffnet, wird es schlagarti­g ein paar Grad wärmer. Ein Motor surrt in einer Ecke. Und die Augen des Chemikante­n wandern sofort mehrere Stellen ab. Tropft es irgendwo? Steht Wasser an einer Stelle? Hört sich der Motor so an, wie er soll? Pfeift etwas? All das überprüft der 27-Jährige beim Betreten des Raumes ganz automatisc­h. „Das ist schon so in einem drin“, sagt er.

Seit zehn Jahren arbeitet Briegel bei BASF in Illertisse­n. Damals mit 17 Jahren hat er seine Ausbildung zum Chemikante­n begonnen. Ein Beruf, unter dem sich viele Menschen erst einmal nichts vorstellen können. Briegel beschreibt es so: „Es ist eine Mischung aus Chemie und Technik.“Genau das habe ihn damals an der Ausbildung auch so fasziniert. Während ein Chemielabo­rant vor allem im Labor tätig ist, betreuen Chemikante­n riesige Industriea­nlagen.

Die Anlage, in der Briegel arbeitet, stellt Ester her. Ein chemischer Prozess, bei dem Fettsäure mit Fettalkoho­l – oder wie Laien sagen würden Öl – zu einem neuen Stoff, nämlich einem Ester, verbunden werden. Diese Ester werden von der Lebensmitt­elindustri­e gekauft und sind häufig in Nachspeise­n beigesetzt. Sie tragen zum Beispiel dazu bei, dass der Cholesteri­nspiegel im Blut sinkt. Das ist also die chemische Seite des Berufs. Verstehen, was sich bei der Reaktion abspielt.

Damit diese chemische Reaktion stattfinde­t, müssen die Rahmenbedi­ngungen aber stimmen: Dafür darf es zum Beispiel weder zu heiß noch zu kalt sein, auch der Druck muss passen. Und das ist die technische Seite des Berufs: Die Reaktion passiert in einer riesigen Anlage, unter der Briegel nun steht. Hier werden die beiden Ausgangsbe­standteile des Esters in einem großen Edelstahlt­ank zusammenge­bracht, über mehrere verschiede­ne Rohre laufen Dampf und Wasser und am Ende auch das fertige Produkt, erklärt Briegel. Seine Aufgabe ist es, den gesamten Prozess zu überwachen und wenn etwas nicht stimmt einzugreif­en. „Dafür muss man wissen, an welcher Stelle die Reaktion gerade steht. Was passiert, wenn ich ein Ventil öffne? Was, wenn die Temperatur sinkt?“

Die Kontrolle erfolgt fast automatisc­h in einer Messstatio­n, ein Raum mit mehreren Computern. Auf den Rechnern wird jeder Tank, jedes Rohr, jedes Ventil digital dargestell­t. Per Mausklick, lassen sich die Prozesse steuern. „Geklickt ist leicht mal. Aber in unserem Beruf sollte man nur klicken, wenn man genau weiß, was da passiert“, sagt Briegel. Ansonsten steht ziemlich viel auf dem Spiel. Die Rohstoffe, mit denen die Mitarbeite­r bei BASF arbeiten, sind teuer. Wenn etwas schiefgeht, ist es, als führe man einen Ferrari an die Wand, sagt Briegel. „Eine ziemlich große Verantwort­ung.“Eine gewisse Genauigkei­t sollte ein werdender Chemikant also mitbringen.

Obwohl der 27-jährige Babenhause­r also schon in seinem ganz normalen Arbeitsall­tag viel leisten muss, war ihm das nicht genug. Immer wenn es in den vergangene­n zehn Jahren eine Zusatzaufg­abe gab, hat Briegel sich freiwillig gemeldet: So hat er zum Beispiel eine Zusatzqual­ifikation gemacht, um die Produkte, die er herstellt, auch sensorisch zu testen – also auf den Geschmack. Außerdem hat er ein Konzept entwickelt, wie neuen Mitarbeite­rn der Umgang mit der Anlage beigebrach­t werden kann. Seit kurzem sitzt der 27-Jährige außerdem im Betriebsra­t. Warum das alles? „Weil ich mich weiterbild­en will, weil ich den Anspruch habe, jeden Tag etwas Neues zu lernen.“Sonst würde es langweilig. Und das will er um jeden Preis vermeiden.

 ?? Foto: Alexander Kaya ?? Andreas Briegel arbeitet seit zehn Jahren bei BASF in Illertisse­n. Er hat eine Ausbildung zum Chemikante­n gemacht und ist heute für Stoffe verantwort­lich, die so teuer sind wie ein Ferrari.
Foto: Alexander Kaya Andreas Briegel arbeitet seit zehn Jahren bei BASF in Illertisse­n. Er hat eine Ausbildung zum Chemikante­n gemacht und ist heute für Stoffe verantwort­lich, die so teuer sind wie ein Ferrari.

Newspapers in German

Newspapers from Germany