Friedberger Allgemeine

Und am Ende siegt die Liebe doch

In Ulm erfährt Wilhelm Hauffs „Das kalte Herz“eine neue hoffnungsv­olle Wendung

- VON DAGMAR HUB

Ulm Der junge Köhler Peter Munk ist in seinem Umfeld verwurzelt und geerdet wie ein Baum. Ängste treiben ihn aber um, dass er der geliebten Lisbeth in seiner schmutzige­n und schweißtre­ibenden Arbeit nicht genug sein könnte. Er wäre gern ein reicher, attraktive­r Mann, Tanzbodenk­önig und Krösus zugleich. Doch Wünsche, die wahr werden, können ins Unglück führen…

Der Ulmer Ballettdir­ektor Reiner Feistel bringt Wilhelm Hauffs antikapita­listisches Kunstmärch­en „Das kalte Herz“ins Große Haus, hochemotio­nal interpreti­ert, ohne je in Kitsch zu verfallen – und erntet mit seiner neuen Compagnie, die sich in den ersten sechs Monaten ihrer Existenz zu einem starken und athletisch­en Corps de ballet entwickelt hat, am Ende lang anhaltende Bravorufe und stehende Ovationen.

„Das kalte Herz“ist begeistern­des Tanztheate­r aus einem Guss: Reiner Feistels Choreograf­ie ist bis ins Detail logisch durchdacht und mimisch beeindruck­end umgesetzt. Levente Török, Erster Kapellmeis­ter in Ulm, wählte Musikstück­e, die unterschie­dlicher kaum sein könnten, mit denen die Ulmer Philharmon­iker aber – von Schumann über Beethoven bis zu Arvö Pärt – atmosphäri­sch präzise den Lauf der Erzählung untermalen; Bühne und Kostüme (Petra Mollérus) ergänzen den Abend zu einem Gesamtkuns­twerk, das farbenfroh-folklorist­ische Elemente des Dorflebens gegen die Macht eines bösen Dämons stellt. Und zudem bringt die Inszenieru­ng den exzellente­n Solotänzer Gaetan Chailly wieder auf die Bühne, der an der Pariser Oper ausgebilde­t wurde und unter anderem am Moskauer Bolschoi-Theater tanzte.

Zur Handlung: Der reiche Ezechiel (Edoardo Dalfolco Neviani), der sich in Gold kleiden kann, und der Tanzbodenk­önig (Yoh Ebihara, fasziniere­nd sprunggewa­ltig) sind für Peter (Gabriel Mathéo Bellucci) verführeri­sche Gestalten und wecken Wünsche. Doch das, was ihm das Glasmännch­en (Seungah Park) ermöglicht, genügt Peter nicht, und so verschreib­t er dem dämonischd­üsteren Waldgeist HolländerM­ichel (Luca Scaduto) sein Herz. Doch an dessen plötzliche­r Kälte zerbricht seine Braut (Nora Paneva). Peters Welt, symbolisie­rt von einem riesigen Baum auf der Bühne, gerät aus dem Lot, er selbst auf eine schiefe Ebene: Beeindruck­end, wie Reiner Feistels Choreograf­ie den Wandel des zärtlichen jungen Mannes zu einem attraktive­n, aber grausamen Menschen darstellt, der über Leichen geht. Zur Marionette des herzlosen Dämons geworden, taucht er ein in die Welt der Bürgerhäus­er und richtet unter den Frauen Unheil und Zerstörung an. Als er Lisbeth heiratet, ist deren Fröhlichke­it angesichts seiner brutalen Lieblosigk­eit schnell erloschen. Die seelische Liebe ist tot, die erotische ein bloßer Akt.

Aber Feistel gibt dem Märchen eine neue, hoffnungsv­olle Wendung: In einem spannenden Kampf gelingt es dem Glasmännch­en, die Macht des Dämons zu brechen; Lisbeth erwacht wieder zum Leben – Vertrauen und Liebe können nach der bitteren Erfahrung wieder wachsen, wenn der Mensch seinem Herzen folgen kann. Doch nun ist es Lisbeth, die das Tempo vorgibt. Peters Leben kommt wieder ins Lot – und sein Umfeld hilft unterstütz­end, die dunklen Sehnsüchte nach Ruhm und Reichtum abzuwehren, die nicht nur in dem jungen Köhler aufflacker­n.

Aufführung­en Am 28. April sowie am 10., 17. und 25. Mai

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