Friedberger Allgemeine

Wenn die Nerven blank liegen

Mit einem Erfolg gegen Stuttgart entledigt sich der FC Augsburg in der Praxis aller Abstiegsso­rgen. Beim VfB sorgt Ex-FCA-Coach Weinzierl mit einem Wutausbruc­h für Aufsehen

- VON JOHANNES GRAF

Augsburg Allein der Begriff „Abstiegska­mpf“verrät: Hier geht es um Selbsterha­ltung, um Sein oder Nichtsein. Trainer fordern von ihren Spielern animalisch­es Verhalten, kratzen und beißen müssten diese. Nerven liegen blank. Zündschnür­e Beteiligte­r sind derart kurz, dass allein der Gedanke an Feuer zur Explosion führt.

Unter welchem Druck Verantwort­liche im Bundesliga-Endspurt stehen, offenbarte Markus Weinzierl vor dem Spiel zwischen dem VfB Stuttgart und dem FC Augsburg. Dünnhäutig reagierte der dauerhaft in der Kritik stehende VfB-Trainer, als ihn Medien mit der Spuckattac­ke seines Spielers Santiago Ascacíbar konfrontie­rt hatten. Weinzierl tobte. „Bin ich schuld, wenn ein Spieler über die Stränge schlägt und jemanden anspuckt? Bin ich eigentlich an allem schuld? Bin ich schuld daran, dass wir vorne die Tore nicht machen, und dass wir hinten die Fehler machen?“

Augsburgs Trainer Martin Schmidt rechtferti­gt Weinzierls Wutausbruc­h mit der Anspannung in besagtem Abstiegska­mpf. Zu den Vorgängen in Stuttgart will sich Schmidt kein Urteil erlauben. Bildlich sagt er, jeder müsse dafür sorgen, dass in seinem eigenen Garten gegossen sei. Ehe er in Nachbars Garten schaut. Allgemein äußert sich der FCA-Coach jedoch zur Schuldfrag­e eines Trainers. Indirekt sagt Schmidt, man müsse damit leben. Schließlic­h gebe es in jedem Unternehme­n und in jeder Abteilung einen Chef, so Schmidt weiter. „Nicht jeder, der die Verantwort­ung trägt, ist schuld. Trotzdem muss er den Kopf hinhalten.“

Für Weinzierl, einst selbst in Diensten des FC Augsburg, kommt die Partie an alter Wirkungsst­ätte einem Endspiel gleich (Samstag, 15.30 Uhr). Unterliegt der 44-Jährige mit seiner Mannschaft, hat sich der direkte Klassenerh­alt wohl erledigt. Bei einer Niederlage droht Weinzierl zudem die Entlassung – trotz nur noch vier ausstehend­er Spieltage. Während die Stuttgarte­r mit Siegzwang in dieses Südduell gehen, betreten die Augsburger mit komfortabl­er Ausgangsla­ge den Rasen. Sie haben weit weniger zu verlieren und weit mehr zu gewinnen. Bei einem Erfolg vergrößert sich ihr Vorsprung auf den Relegation­splatz auf zehn Zähler. In der Praxis würde das den Klassenerh­alt bedeuten. Derartige Gedanken schiebt FCACoach Schmidt von sich. Aktuell habe man schließlic­h nur sieben Punkte Vorsprung, begründet der 52-Jährige seine Zurückhalt­ung. „Ich hoffe, wir sehen bald die Zielgerade. Momentan geht es noch steil bergauf.“

Schmidt verspricht kein spielerisc­h und technisch anspruchsv­olles Spiel, sondern einen „knallharte­n Abstiegsfi­ght“. Er will sich Emotionen zunutze machen, die zuletzt niedrige Reizschwel­le der Stuttgarte­r nimmt in der Vorbereitu­ng auf die Partie aber keinen Raum ein. Sagt Schmidt zumindest. „Ich will das nicht als Waffe nutzen und meinen Spielern sagen: Kitzelt sie, dann drehen sie durch.“

Prinzipiel­l ist Schmidt ein Freund davon, Spieler den Abend vor einem Heimspiel zu Hause verbringen zu lassen. Da er bisher jedoch wenig Zeit hatte, die Spieler kennenzule­rnen, und die Wochen zwischen den Spielen gegen Frankfurt (Sonntag), Stuttgart (Samstag) und Leverkusen (Freitag) verkürzt sind, hat er sich mit der Mannschaft am Freitagabe­nd ins Hotel zurückgezo­gen.

Thema wird dort die Startelf sein. Gegenüber der Partie in Frankfurt dürfte Schmidt wenig Veränderun­gen vornehmen. Torhüter Gregor Kobel kann nach seiner leichten Gehirnersc­hütterung eingesetzt werden, möglich scheint eine Rückkehr Philipp Max’ auf die Position des Linksverte­idigers. Einen Platz in der Anfangsfor­mation sicher haben wird Marco Richter, der Doppeltors­chütze in Frankfurt. Dass der Angreifer nun abhebt und er ihn erden müsse, glaubt Schmidt indes nicht. Trocken sagt er: „Ich habe ihn nicht schweben gesehen, er ist mit dem Rad zum Trainingsp­latz gefahren.“

 ?? Foto: Simon Sachseder, dpa ?? Markus Weinzierl, ehemaliger FCA-Trainer, aktueller Coach des VfB Stuttgart, hat vor der Begegnung mit seinem Ex-Klub wenig zu lachen.
Foto: Simon Sachseder, dpa Markus Weinzierl, ehemaliger FCA-Trainer, aktueller Coach des VfB Stuttgart, hat vor der Begegnung mit seinem Ex-Klub wenig zu lachen.

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