Friedberger Allgemeine

Verehrte Ex-Diva vom Main

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger-allgemeine.de

Früher war es so: Wenn die europäisch­en Fußball-Wettbewerb­e die Zeit der Forsythien­blüte erreichten, scharte sich das FußballLan­d um den FC Bayern. Egal, ob einer den Münchnern das Jahr über Maulwurfhü­gel und Fehlpassor­gien gewünscht hatte, wenn es gegen den FC Barcelona & Co. ging, waren alle Bayern. Wo anders hätte man mit seiner Leidenscha­ft auch hingesollt? War ja keiner mehr da. Also hat das Land sein Verlangen nach nächtliche­n Fußball-Dramen auf die Roten geworfen.

Seit der Fußball die TV- und PCSchirme aber inflationä­r flutet, ist das Einzigarti­ge untergegan­gen – und mit ihm in diesem Jahr auch der FC Bayern. Es sah nicht danach aus, als würde sich ein Klub aufraffen können, dessen Rolle übernehmen zu können. Keiner hat das Geld, die Spieler und das Format. Und doch hat es ein Klub geschafft. Wer am Donnerstag mit der Eintracht im Europa-LeagueRück­spiel gegen Benfica Lissabon gelitten hat, muss sich spätestens jetzt als Frankfurte­r fühlen. Aus Dankbarkei­t für die zweite atemberaub­ende Europapoka­l-Nacht in Folge, in der die früher wegen ihrer Wechselhaf­tigkeit als launische Diva abgestempe­lte Eintracht mit Leidenscha­ft, Hingabe und Glück das Halbfinale der Europa League erreicht hat. Ja, Glück war auch dabei, weil die Hessen von einer Fehlentsch­eidung profitiert­en, einer Abseitspos­ition, die kein Schiedsric­htergespan­n übersehen darf, das ohne Blindenhun­d durchs Leben kommt. Ein Videoassis­tent, den es hier nicht gab, hätte die Ungerechti­gkeit beseitigt. Anderersei­ts, hätten wir, die wir zu diesem Zeitpunkt schon Äppelwoi tranken, Heinz Schenk imitierten und „Die Hesse komme!“sangen, Gerechtigk­eit gewollt? Frankfurt hatte im Hinspiel, trotz 70-minütiger Unterzahl, nicht das 1:4 verwaltet, sondern war ungerührt dagegen angestürmt. In solchen Fällen darf sich das Schicksal dann auch einmal mit einem schiedsric­hterlichen Totalversa­gen erkenntlic­h zeigen. Da sind wir ganz Hesse.

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Torschütze Sebastian Rode
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