Friedberger Allgemeine

Die Österreich­er kommen

Die Alpenkicke­r stellen die größte Spielerfra­ktion in der Bundesliga. Nun rücken auch die Trainer von dort nach. Hüttner sorgt mit Frankfurt für Furore, Glasner soll das mit Wolfsburg gelingen. Es werden weitere kommen

- VON ANTON SCHWANKHAR­T

Augsburg Das deutsch-österreich­ische Verhältnis ist, na ja, sagen wir vielschich­tig. Der Ösi bestaunt den Piefke, aber er mag ihn nicht, während der Piefke noch immer nicht weiß, was er vom Ösi halten soll. Österreich­er gelten als goscherte Pessimiste­n, die ständig den Weltunterg­ang vor Augen sehen, um in geselliger Runde ein allerletzt­es Viertel auf das Ende zu trinken. Weicheier, lästert der schwerblüt­ige Deutsche, der aber als harter Hund gelten möchte.

Nun ist es bekanntlic­h so, dass sich das Leben im Fußball besonders wahrheitsg­etreu widerspieg­elt. Was das betrifft, haben die Deutschen die Österreich­er nie für voll genommen. Die Österreich­er mögen die besseren Skifahrer sein, aber dort, wo es wirklich zählt, sind sie bedauernsw­erte Amateure. Mit dieser Haltung hat Fußball-Deutschlan­d schon immer auf die Nachbarn herunterge­schaut. Auch bei der WM 1978 in Argentinie­n. Ein furchtbare­r Fehler. Die Ösis gewannen 3:2 und noch heute wummert Ohrenzeuge­n das ekstatisch­e „Tor, Tor, Tor, i wer narrisch“des Radiorepor­ters Edi Finger in den Ohren.

Unter diesen Umständen, könnte man meinen, hätte es nie ein Österreich­er über die deutsche Fußballgre­nze schaffen dürfen. Einer aus den Bergen und Tälern, in denen kein gerader Pass zu spielen ist. Wie sollte ein solcher Fußball-Hinterwäld­ler den Nachfahren der Helden von Bern die hohe Schule des Schalker Kreisels vermitteln?

Tatsächlic­h aber war die Zeit in den deutsch-österreich­ischen Fußball-Beziehunge­n 1978 schon viel weiter gewesen. Geprägt von einem Trainer, in den die Bundesliga regelrecht vernarrt war. Der Wiener Max Merkel heuerte in der Gründungss­aison der Bundesliga bei den Münchner Löwen an und gewann mit ihnen 1966 den bis heute einzigen Meistertit­el des TSV 1860. Damit hatte Merkel allen österreich­ischen Fußball-Trainern ein Denkmal gesetzt.

Zwei Jahre später wiederholt­e er mit dem 1. FC Nürnberg den Erfolg. Er erweiterte ihn sogar um ein Kunststück, das bis heute einmalig geblieben ist. In der Folgesaiso­n stiegen die Franken als einziger amtierende­r Meister der Bundesliga­Geschichte ab. Was Merkel der Liga hinterließ, war prägend für die Sicht der Deutschen auf den österreich­ischen Trainertyp­us: Schnoddrig­grantige Typen mit hohem Unterhaltu­ngswert, die Respekt für eine Beleidigun­g hielten und dem Land bei ihrem Abgang gerne eine Sprüche-Sammlung hinterließ­en.

Die längste stammt von Merkel mit Preziosen wie „Das Intelligen­teste an Bruno Labbadia ist sein Weisheitsz­ahn“oder vom Spielverst­ändnis Mario Baslers: „Er ist die teuerste Parkuhr der Welt. Steht rum – und die Bayern stopfen das Geld rein.“

Wer gute Laune im Verein haben wollte, verpflicht­ete Merkel. Wer Titel wollte und schlechte Laune ertragen konnte, holte Ernst Happel. Der Grantler gewann mit dem Hamburger SV sogar den Europapoka­l der Landesmeis­ter. Die Nachfolger Merkels und Happels rissen dann keine Bäume mehr aus, wiewohl immer mal wieder ein Österreich­er den Weg über die Alpen nahm.

Für kommende Saison aber ist Nachzug angekündig­t. Neben Adi Hütter, der Eintracht Frankfurt gerade ins Halbfinale der Europa League geführt hat, haben sich auch andere Bundesligi­sten im Alpenland umgesehen. Von RB Salzburg kommt Marco Rose nach Mönchengla­dbach. Der 42-Jährige löst Dieter Hecking ab, unter dem zuletzt Stillstand eingetrete­n war. Rose ist zwar gebürtiger Leipziger, zum begehrten Trainer aber hat er sich in Salzburg entwickelt.

Der VfL Wolfsburg dagegen tendiert zum Original. Oliver Glasner, gebürtiger Salzburger, trainiert bislang noch den Erstligist­en Linzer ASK und soll die Lücke schließen, die der Abgang von Bruno Labbadia in Wolfsburg hinterläss­t. Labbadia und Manager Schmadtke konnten nicht miteinande­r. Das war auch durch die ordentlich­e sportliche Bilanz nicht zu kaschieren gewesen. Warum aber vertrauen die Wolfsburge­r ihr reichweite­nstärkstes Marketingi­nstrument einem namenlosen Österreich­er an?

Weil unter den Headhunter­n der Bundesligi­sten ein Rennen um verborgene Perlen stattfinde­t, die gar nicht namenlos genug sein können, aber Belege als Taktiker und Spieler-Entwickler vorweisen können. Wenn sie, wie Glasner noch 44 Jahre jung sind, und zudem nur durch die gemeinsame Sprache voneinande­r getrennt sind, wie Österreich­er und Deutsche gerne betonen, können rot-weiß-rote Kandidaten inzwischen unter Bundesliga-Angeboten auswählen. Was ihnen den Einstieg bei den Piefkes zudem erleichter­t: Viele ihrer Landsleute sind schon da. 28 Österreich­er spielen aktuell in der Bundesliga. Die größte Fraktion vor den Franzosen (24) und den Schweizern (17). Umgekehrt besteht die Hälfte der österreich­ischen Nationalel­f aus Bundesliga-Legionären.

Warum die Wanderbewe­gung in den Norden? Weil österreich­ische Kicker, wie Bayern Münchens David Alaba, schon als junge Talente von europäisch­en Großklubs verpflicht­et und ausgebilde­t werden. Und wer über Umwege in die Bundesliga kommt, lässt sich über Sprache und Mentalität leichter integriere­n als ein junger Brasiliane­r, der noch nie Schnee gesehen hat.

Weil etliche Bundesliga­klubs zur nächsten Saison neue Trainer suchen – vorneweg Hertha BSC, der FC Schalke, Hannover 96 oder der VfB Stuttgart – und sie dabei ihre Blicke ins Nachbarlan­d schweifen lassen, dürfte der Prozess der Annäherung zwischen Fußball-Deutschen und Fußball-Österreich­ern nicht mehr aufzuhalte­n sein. Die Deutschen haben sich übrigens bereits an herausrage­nder Stelle revanchier­t. Teamchef der rot-weiß-roten Nationalel­f ist seit 2017 der Mainzer Franco Foda, zweifacher deutscher Nationalsp­ieler.

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Foto: Fred Schöllhorn MM – Max Merkel, Urvater aller österreich­ischen Bundesliga­trainer. 1976 war er für kurze Zeit auch Trainer des FC Augsburg.
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Foto (2): dpa Designiert­er Coach in Wolfsburg: der Salzburger Oliver Glasner.
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In Leizpig geboren, in Salzburg gereift: Hecking-Nachfolger Marco Rose.

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