An Ostern gilt: Schokolade satt für Kinder?
Das gibt Ärger, so viel steht jetzt schon fest. Eine Mutter, die hier pro „Schokolade satt“an Ostern argumentiert! Die ihrem Kind Zucker erlaubt! Um gleich mal die Gemüter zu beruhigen, zitiere ich hier erst einmal Paracelsus: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift. Allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.“Die Dosis macht also das Gift – so ist das auch bei Zucker. Und genau dieser macht Schokolade in den Augen einiger böse. Doch so einfach ist das nicht. Wenn Kinder Schokolade essen, hat das nicht nur mit Ernährung, sondern auch mit Erziehung und Lernen zu tun. Anstatt meinem Kind Schokolade kategorisch zu verbieten und nur interessanter zu machen, erkläre ich ihm lieber, woraus diese Süßigkeit besteht, warum sie unterschiedlich schmeckt, warum es nicht gesund ist, sie in Massen zu essen beziehungsweise warum es nur eine ganz kleine Menge essen
darf. Und natürlich: Warum Zähneputzen so wichtig ist. So möchte ich bei meinem Kind ein Bewusstsein für ein Lebensmittel schaffen, die Grundlage für verantwortungsbewusstes Handeln.
An Ostern gibt es osterhasenbedingt eine Ausnahme von unserer Schoko-Alltags-Regel. Dann ist die Schokodosis temporär etwas höher, wenngleich lange noch nicht toxisch. Warum? Weil es Spaß macht und mein Kind dazulernt. Nämlich: sich Schätze eigenverantwortlich einzuteilen („esse ich alles gleich auf, habe ich später nichts mehr“), abzugeben („Teilen, teilen, das macht Spaß …“), zu tauschen („Ein rotes Lindor bringt drei blaue …“). Und keine Sorge: Dem Kind mag die Ausnahme wie „Schoko satt“vorkommen. Aber als Eltern hat man ja bekanntlich einen guten Draht zum Osterhasen und kann die absolute Schokodosis, über die es verfügen darf, so ganz einfach steuern.
Wenn es den Osterhasen nicht gäbe, hätte ihn die Süßwarenindustrie längst erfinden müssen. Bald wird es wohl eine halbe Milliarde Euro sein, die alle Deutschen zusammen nur zu Ostern für Süßkram ausgeben. Das ist noch mehr als für die Weihnachtsschleckereien. Und zwischen beiden Festen ist kein Mangel an Schokolade und Zuckerzeugs festzustellen. Deswegen bei den Kindern an Ostern die Zügel anziehen? Bunt eingewickelte Rosenkohlröschen verstecken statt Schokoeier? Natürlich nicht.
Einen Feiertag, erst recht einen so symbolisch aufgeladenen wie das Osterfest, darf man ruhig auch ganz wörtlich nehmen. Und zum Feiern gehört nun mal das Genießen. All you can eat im Osternest also? Das nun auch wieder nicht. Dass es den Kindern irgendwann schlecht wird, sie sich übergeben und dann nie wieder so zu viel Schokolade essen, ist erstens fraglich und zählt zweitens
zu den eher zweifelhaften Erziehungsversuchen. Aber der wirkliche Grund ist ein anderer. Echten Genuss gibt es nur im Bewusstsein der Begrenztheit. Was man jederzeit und unbegrenzt haben kann, verliert ungemein an Reiz. Das nutzen die Hersteller von Luxusgütern. Das weiß man aber auch aus dem Alltag: Auf CD war das Album der Lieblingsband früher ein Schatz. Auf dem Handy oder im Stream ist es heute eine Reihe von Dateien unter vielen …
Kinder sind da nicht anders. Haben sie unbegrenzten Zugriff auf kiloweise Schokolade, wird hier mal reingebissen, da mal angeschleckt und wenn was runterfällt, bleibt es dort liegen. Das ist ziemlich das Gegenteil von Genuss. Das ist doppelt schade, weil es darum doch geht: Das Besondere zu schätzen lernen. Lernen, sich etwas einzuteilen. Erinnerungen an tolle Momente beim Osterfest zu schaffen.