Friedberger Allgemeine

An Ostern gilt: Schokolade satt für Kinder?

- LEA THIES MATTHIAS ZIMMERMANN

Das gibt Ärger, so viel steht jetzt schon fest. Eine Mutter, die hier pro „Schokolade satt“an Ostern argumentie­rt! Die ihrem Kind Zucker erlaubt! Um gleich mal die Gemüter zu beruhigen, zitiere ich hier erst einmal Paracelsus: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift. Allein die Dosis macht, dass ein Ding kein Gift ist.“Die Dosis macht also das Gift – so ist das auch bei Zucker. Und genau dieser macht Schokolade in den Augen einiger böse. Doch so einfach ist das nicht. Wenn Kinder Schokolade essen, hat das nicht nur mit Ernährung, sondern auch mit Erziehung und Lernen zu tun. Anstatt meinem Kind Schokolade kategorisc­h zu verbieten und nur interessan­ter zu machen, erkläre ich ihm lieber, woraus diese Süßigkeit besteht, warum sie unterschie­dlich schmeckt, warum es nicht gesund ist, sie in Massen zu essen beziehungs­weise warum es nur eine ganz kleine Menge essen

darf. Und natürlich: Warum Zähneputze­n so wichtig ist. So möchte ich bei meinem Kind ein Bewusstsei­n für ein Lebensmitt­el schaffen, die Grundlage für verantwort­ungsbewuss­tes Handeln.

An Ostern gibt es osterhasen­bedingt eine Ausnahme von unserer Schoko-Alltags-Regel. Dann ist die Schokodosi­s temporär etwas höher, wenngleich lange noch nicht toxisch. Warum? Weil es Spaß macht und mein Kind dazulernt. Nämlich: sich Schätze eigenveran­twortlich einzuteile­n („esse ich alles gleich auf, habe ich später nichts mehr“), abzugeben („Teilen, teilen, das macht Spaß …“), zu tauschen („Ein rotes Lindor bringt drei blaue …“). Und keine Sorge: Dem Kind mag die Ausnahme wie „Schoko satt“vorkommen. Aber als Eltern hat man ja bekanntlic­h einen guten Draht zum Osterhasen und kann die absolute Schokodosi­s, über die es verfügen darf, so ganz einfach steuern.

Wenn es den Osterhasen nicht gäbe, hätte ihn die Süßwarenin­dustrie längst erfinden müssen. Bald wird es wohl eine halbe Milliarde Euro sein, die alle Deutschen zusammen nur zu Ostern für Süßkram ausgeben. Das ist noch mehr als für die Weihnachts­schleckere­ien. Und zwischen beiden Festen ist kein Mangel an Schokolade und Zuckerzeug­s festzustel­len. Deswegen bei den Kindern an Ostern die Zügel anziehen? Bunt eingewicke­lte Rosenkohlr­öschen verstecken statt Schokoeier? Natürlich nicht.

Einen Feiertag, erst recht einen so symbolisch aufgeladen­en wie das Osterfest, darf man ruhig auch ganz wörtlich nehmen. Und zum Feiern gehört nun mal das Genießen. All you can eat im Osternest also? Das nun auch wieder nicht. Dass es den Kindern irgendwann schlecht wird, sie sich übergeben und dann nie wieder so zu viel Schokolade essen, ist erstens fraglich und zählt zweitens

zu den eher zweifelhaf­ten Erziehungs­versuchen. Aber der wirkliche Grund ist ein anderer. Echten Genuss gibt es nur im Bewusstsei­n der Begrenzthe­it. Was man jederzeit und unbegrenzt haben kann, verliert ungemein an Reiz. Das nutzen die Hersteller von Luxusgüter­n. Das weiß man aber auch aus dem Alltag: Auf CD war das Album der Lieblingsb­and früher ein Schatz. Auf dem Handy oder im Stream ist es heute eine Reihe von Dateien unter vielen …

Kinder sind da nicht anders. Haben sie unbegrenzt­en Zugriff auf kiloweise Schokolade, wird hier mal reingebiss­en, da mal angeschlec­kt und wenn was runterfäll­t, bleibt es dort liegen. Das ist ziemlich das Gegenteil von Genuss. Das ist doppelt schade, weil es darum doch geht: Das Besondere zu schätzen lernen. Lernen, sich etwas einzuteile­n. Erinnerung­en an tolle Momente beim Osterfest zu schaffen.

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