Friedberger Allgemeine

Selbstmord eines Statthalte­rs

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Pontius Pilatus fand keine Ruhe. Zwar hat er in einer heiklen Situation seine Hände in Unschuld gewaschen. Aber es half nichts. Vom römischen Kaiser und von inneren Qualen verfolgt, nahm er sich im Jahr 39 das Leben. Das jedenfalls berichtete Kirchenvat­er Eusebius ein paar Jahrhunder­te nach dem Geschehen. War es tatsächlic­h so? Wer weiß. Und wenn ja, wo genau nahm sich der Mann, der Jesus ans Kreuz nageln ließ, das Leben? Und warum? Aus Reue oder weil Kaiser Caligula ihm aus anderen Gründen die Hölle heiß machte?

Geschichte und Geschichte­n haben oft nur geringe oder unbestimmt­e Schnittmen­gen. Das ist auch bei Pontius Pilatus so. Historisch gesichert ist inzwischen, dass es den Mann wirklich gab und dass er zehn Jahre lang Statthalte­r von Judäa und Samaria war. Und zwar in der Zeit, als Jesus seine Jünger um sich versammelt­e. Als Präfekt war er zuständig für den politische­n Prozess gegen Christus.

Nach zehn Jahren wurde er unter für ihn unerfreuli­chen Umständen abberufen. Wegen der Kreuzigung? Wohl kaum. Pilatus hat in seinem letzten Dienstjahr einen Religionsm­arsch der Samaritane­r zu brutal niederschl­agen lassen.

Aber das war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Der Statthalte­r des

Kaisers soll, wie manche Amtsinhabe­r vor und nach ihm, seine geborgte Macht missbrauch­t und sich durch Korruption und Willkür bereichert haben. Kaiser Caligula, der solchen Machtmissb­rauch für sich allein beanspruch­te, rief seinen Präfekten zum Rapport zurück.

Jetzt wird es wieder nebulös. Entweder er floh vor Caligula oder er wurde von ihm verbannt oder beides ist Legende: Jedenfalls soll Pontius Pilatus in der südfranzös­ischen Stadt Vienne aufgetauch­t sein. Dort soll er sich das Leben genommen haben. Oder war es im Schweizer Pilatussee? Tod oder lebendig: Pontius Pilatus wird noch mit mehreren anderen Orten in Verbindung gebracht, von Spanien über Italien und Deutschlan­d bis nach Schottland. Die schönste Pilatusleg­ende ist die vom reuigen Sünder, der auf seine späten Tage selber noch Christ wurde. Nicht nur das. Pilatus soll zum Leidensgen­ossen Jesu geworden sein, als ihn selber der Tod am Kreuz ereilte. Wir haben also die Wahl: Frommer Tod am Kreuz, Todesfluch­t ins Wasser oder einfach: Genaues weiß man nicht über den irdischen Richter Jesu.

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HISTORISCH­E STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST

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