Friedberger Allgemeine

„Frauen, geht nicht nur in den Elternbeir­at!“

Bei ehrenamtli­chen Engagement­s sind Frauen spitze. Bei politische­n Entscheidu­ngen fehlen sie. Warum dies auch der Bayerische Bauernverb­and bedauert und was vor allem Mütter und Großmütter tun sollten

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Frauen, geht nicht nur in den Elternbeir­at. Geht nicht nur in den Pfarrgemei­nderat. Überlasst das mehr den Männern! Geht dafür in den Gemeindera­t. In den Stadtrat. In den Kreistag. Dort könnt Ihr mehr für Kindergärt­en, für Schulen tun. Frau Prof. Münch, Sie leiten die Akademie für Politische Bildung in Tutzing. In Ihrem Vortrag im Rahmen der Veranstalt­ung „Mehr als die (bessere) Hälfte) – Frau. Macht. Politik“, die der Bayerische Bauernverb­and kürzlich veranstalt­et hat, haben Sie zusammenge­fasst so die Landfrauen klar und deutlich dazu aufgerufen, sich endlich in die Politik aufzumache­n.

Prof. Ursula Münch: Ja, natürlich. Aber ich will das ehrenamtli­che Engagement im Elternbeir­at, in den Kirchen nicht abwerten. Es ist nur so, dass dieses ehrenamtli­che Engagement der Frauen viel Arbeit bereitet und viel Zeit kostet. Mir ist wichtig, an die Frauen zu appelliere­n: Frauen, geht nicht nur in den Elternbeir­at! Verwendet nicht eure ganze „freie“Zeit darauf. Kinder haben in der Regel auch Väter. Die können sich im Kindergart­en, in der Schule doch auch engagieren.

Väter zu diesem Engagement zu motivieren, ist aber offensicht­lich schwierig. Münch: Das ist mir schon klar. Ich weiß auch, dass gerade in ländlichen Regionen die Rollen oft traditione­ller gesehen werden. Aber auch hier gilt das Prinzip: Sind erst einmal mehr Vertreter des einen Geschlecht­s aktiv, zieht das weitere an. Wenn also beispielsw­eise im Elternbeir­at, im Pfarrgemei­nderat nicht mehr nur Frauen sitzen, sondern auch Männer, dann ist die Wahrschein­lichkeit, dass ein anderer auch sagt, da gehe ich hin, das ist nicht unter meiner Würde, größer. Was ich sagen will: Frauen sind bereits sehr engagiert. Und diese Beiräte im Kindergart­en, in Schulen, in der Kirche sind ein vorpolitis­cher Raum. Dort mache ich wichtige Erfahrunge­n, etwa die, dass die anderen mir zuhören, wenn ich etwas sage. Frauen sollten von dort aber rechtzeiti­g den Absprung schaffen und schauen, wo sie mit ihrer Zeit, ihren Kompetenze­n, ihrer Energie mehr bewirken können. Und das ist in der Politik.

Dafür muss ich als Frau aber, wie Sie in Ihrem Vortrag betont haben, drei Dinge mitbringen: Ich muss mich selbst darstellen. Ich muss verfügbar sein. Und ich muss bereit sein, einen Wettbewerb auszutrage­n, bei dem ich verlieren kann. Gerade an letzterer Bereitscha­ft mangelt es vielen Frauen Ihrer Beobachtun­g nach. Ist es also ein hausgemach­tes, aussichtsl­oses Frauenprob­lem, dass so wenige in der Politik sind?

Münch: Nein, denn auch daran kann man arbeiten. Ämter fliegen einem nur dann zu, wenn sie unattrakti­v sind. Wenn es keiner machen will, dann wird auch gern die Frau gefragt. Das muss auch nicht immer schlecht sein. Aber fest steht: Politik ist nichts für Harmoniesü­chtige. Sie haben auch an die Mütter und Großmütter appelliert, die Mädchen nicht allzu mädchenhaf­t zu erziehen. Sie beispielsw­eise auch schon früh in einen Mannschaft­ssport zu schicken, in dem sie Wettbewerb lernen, und nicht nur ins Ballett. Heißt das, dass Mädchen immer noch erzogen werden, vor allem brav zu sein und angepasst? Münch: Ja, das ist leider so. Dabei spielt der Wettbewerb­sgedanke nicht nur in der Politik eine Rolle, sondern auch, wenn es um Führungspo­sitionen in der Wirtschaft geht. So wichtig weibliche Kompetenze­n sind – etwa die Fähigkeit zu integriere­n: Wenn nur eine Stelle zu vergeben ist und sich mehrere darum bewerben, dann muss ich eben meine Ellenbogen einsetzen. Da hilft alles nichts. Dann muss ich Netzwerke knüpfen und klarmachen, warum ich die Bessere bin. Aber wenn ich mir so anschaue, wie heute Mädchen aufwachsen, dann habe ich bedauerlic­herweise den Eindruck, dass wir bei der Emanzipati­on eher Rückschrit­te machen. Und das erschreckt mich kolossal.

Frau Göller, Sie sind Bayerns Landesbäue­rin, müssen die Töchter anders erzogen werden?

Anneliese Göller: Also ich habe vier Töchter und ich habe schon den Eindruck, dass meine Töchter selbstbewu­sst sind. Ich möchte aber noch einmal zu dem Punkt Engagement im Elternbeir­at etwas sagen: Hier knüpfen Frauen doch schon viele Netze, auf die sich wunderbar aufbauen lässt. Daher kann ich den Appell von Frau Prof. Münch nur unterstrei­chen: Nach einer Zeit des ehrenamtli­chen Engagement­s müssen Frauen die Bremse reinhauen und in die nächste Ebene der Entscheidu­ngen kommen.

Frau Göller, Sie sind in der CSU und Kreisrätin. Mussten Sie arg mit sich ringen, ob Sie das Amt annehmen? Göller: Als mich der Landrat damals gefragt hat, ob ich mich aufstellen lasse, habe ich gleich gesagt: Das mache ich. Damals war ich allerdings schon Kreisbäuer­in und wusste, wie vieles läuft. Ich habe schon das nötige Selbstbewu­sstsein mitgebrach­t. Als es allerdings jüngst darum ging, für den Landtag zu kandidiere­n, habe ich einen Rückzieher gemacht, weil ich gesehen habe, wer meine Mitbewerbe­r sind. Dann habe ich einen davon lieber unterstütz­t. Ich fand mich mit meinen 62 Jahren, ehrlich gesagt, auch zu alt.

Sie haben erzählt, dass Sie mit 40 Jahren schon gefragt wurden, für den Landtag zu kandidiere­n, haben damals mit Blick auf Ihre Familie einen Rückzieher gemacht. So geht es sicher vielen Frauen: Sie trauen sich mit einer Familie nicht auch noch ein politische­s Amt zu. Was müsste sich ändern? Göller: Also ich finde, da muss man differenzi­eren: Kreistag, Gemeindera­t ist neben einer Berufstäti­gkeit und Kindern schon zu schaffen. Einen wesentlich größeren Aufwand bedeutet es, ein Landtags- oder Bundestags­mandat anzunehmen. Daher ist unser Appell ja auch, die Frauen zumindest in die kommunalen politische­n Gremien zu bringen.

Was würde sich Ihrer Meinung nach denn ändern, wenn mehr Frauen in der Politik aktiv wären?

Göller: Ich bin überzeugt davon, dass wir eine andere Diskussion­skultur hätten. Und ich bin mir sicher, dass viele Sachentsch­eidungen anders fallen würden, weil Frauen einen anderen Blick haben.

Ein Beispiel bitte.

Göller: Etwa bei der Ausstattun­g der Kindergärt­en wäre sicher vieles besser gelaufen.

Münch: Ich bin mir sicher, dass gerade die Ausbildung in Sozialberu­fen nicht über Jahre auch noch kostenpfli­chtig gewesen wäre, wenn Frauen mehr zu sagen hätten. Das muss man sich einmal vorstellen: Ausgerechn­et den Fachkräfte­n, die jetzt so stark gesucht sind, wurde bis vor nicht allzu langer Zeit auch noch Ausbildung­sgeld abgezwackt, damit sie in schlecht bezahlte Berufe gehen – hirnrissig­er geht es nicht.

Also brauchen wir mehr Frauen, um vor allem soziale Probleme zu lösen: Kindergärt­en, Schulen, Pflege? Münch: Nein, da widersprec­he ich entschiede­n. Der Kindergart­en war nur ein Beispiel. Ich halte gar nichts davon, dass Frauen immer nur für die sozialen Themen zuständig sind und der Rest Männersach­e ist. Daher bin ich auch der Überzeugun­g, dass Männer nicht nur zwei Monate Windelzeit nehmen sollten, sondern mindestens ein Jahr zu Hause bleiben sollten, damit sie wirklich wissen, was es heißt, ein Kind großzuzieh­en.

Aber das ist doch der Knackpunkt: Es sind eben vor allem die Frauen, die in der Praxis die Kinder erziehen, den Haushalt erledigen und auch noch die kranken, alten Eltern pflegen. Münch: Da haben Sie recht. Da wird es für viele auch richtig unangenehm. Denn es ist viel leichter, abstrakt Veränderun­gen in der Politik zu verlangen, sich in Gleichstel­lungsfrage­n zu verkämpfen als sich zu Hause im eigenen Umfeld, gegenüber dem eigenen Partner hinzustell­en und eine gerechte Aufgabenve­rteilung einzuforde­rn. Hier geht es vor allem auch darum, Kompetenze­n abzugeben. An die Männer. Das sind im Grunde die wirklich großen Herausford­erungen. Und die kann keine Politik den Frauen abnehmen. Die Vereinbark­eit von Familie und Beruf hängt nicht nur an den Kita- und an den Schulzeite­n. Als Frau brauche ich vor allem daheim eine faire Aufgabenve­rteilung.

Frau Göller, müssen die Frauen ihre Männer stärker in die Pflicht nehmen? Göller: Ja, denn ich glaube, die Männer können in Haushalt und Familie mehr, als wir Frauen denken. Man muss das ja in der Familie absprechen, wenn man politische Ämter übernimmt, man ist als Frau nicht mehr so verfügbar, aber das klappt in der Praxis dann sehr gut. Und kein Mann – auch am Dorf – wird mehr komisch angesehen, wenn er sich um die Kinder kümmert. Das ist mittlerwei­le akzeptiert, da hat sich etwas geändert.

Warum ist es Ihnen, Frau Göller, so wichtig, dass gerade mehr Landfrauen in die Politik gehen?

Göller: Die Landwirtsc­haft und der ländliche Raum brauchen Vertreteri­nnen, Sprecherin­nen – wer soll es denn tun, wenn nicht wir selbst? Und Frauen haben einen Blick auf das, worauf es im Alltag ankommt. Sie wissen beispielsw­eise, wie wichtig schnelles Internet auf dem Land ist, wie wichtig Ärzte sind. Aber auch zu den aktuellen Themen wie Flächenfra­ß, gesunde Ernährung, Wertschätz­ung der Landwirtsc­haft sind Landfrauen die idealen Ansprechpa­rtner und Vertreteri­nnen.

Interview: Daniela Hungbaur

Ursula Münch, 58, ist verheirate­t und hat zwei Kinder. Die Professori­n für Politikwis­senschaft ist seit 2011 Direktorin der Akademie für Politische Bildung Tutzing. Anneliese Göller, 62, aus Oberfranke­n ist verheirate­t, Mutter von vier Kindern und Landesbäue­rin der Landfrauen­gruppe des Bayerische­n Bauernverb­andes.

 ?? Fotos: Ulrich Wagner ?? Sie fordern Frauen auf, Kompetenze­n in Haushalt und Familie auch abzugeben, um sich politisch zu engagieren: Prof. Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung Tutzing (links), und Landesbäue­rin Anneliese Göller.
Fotos: Ulrich Wagner Sie fordern Frauen auf, Kompetenze­n in Haushalt und Familie auch abzugeben, um sich politisch zu engagieren: Prof. Ursula Münch, Direktorin der Akademie für Politische Bildung Tutzing (links), und Landesbäue­rin Anneliese Göller.
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