Friedberger Allgemeine

„Ich muss einen Mord melden“

Prozess Ein 26-Jähriger ruft die Polizei, nachdem er seine Ex-Freundin auf offener Straße erwürgen wollte

- VON KLAUS UTZNI

Es war ein ungewöhnli­cher Notruf, der die Einsatzzen­trale der Polizei in der Nacht zum 10. November gegen 3.20 Uhr erreichte. „Ich muss einen versuchten Mord melden“, sagte die männliche Stimme am anderen Ende der Leitung. Als eine Funkstreif­e den angegebene­n Tatort an der Wertachbrü­cke erreichte, kam ihr ein junger Mann entgegen: „Ich bin der Täter“, gestand er, „nehmt mich fest.“

Das Opfer, seine Ex-Freundin, 21, die er offenbar in Tötungsabs­icht stark gewürgt hatte, fand die Polizei mit stark blutendem Gesicht in der Nähe. Der 26-Jährige ist am Freitag von einem Schöffenge­richt unter Vorsitz von Thomas Kirschner zu einer Haftstrafe von drei Jahren und zwei Monaten und Unterbring­ung in einer psychiatri­schen Klinik verurteilt worden.

Die Beziehung, die beinahe mit dem Tod der Studentin geendet hatte, stand offenbar unter keinem guten Stern. Beide waren labil, der 26-Jährige hatte seit seiner frühen Kindheit teils schwere psychische Probleme, konnte keiner Arbeit nachgehen, war dem Alkohol verfallen, trank teils bis zu 18 Halbe Bier am Tag. „Es war ein ständiges Auf und Ab“, schildert das Opfer jetzt im Gerichtssa­al die Freundscha­ft. Nachdem es mit seiner Trinkerei immer weiter bergab gegangen sei, habe sie die Beziehung beendet und sich von ihm getrennt.

In der Tatnacht rief der Ex schließlic­h mit lallender Stimme an und bat um ein Gespräch. Aus Mitleid verließ die Frau ihre Wohnung und ging nach draußen auf die Straße. „Er schaute ins Leere, warf seine Zigarette weg und würgte mich dann“, erinnert sich die 21-Jährige. Es kam zu einem verzweifel­ten Kampf auf Leben und Tod. Die Frau schlug mit dem Kopf gegen eine Hauswand, stürzte dann mit dem Gesicht voraus auf den Fußweg, brach sich die Nase. Er warf sich auf sie. „Ich hatte mit so einem Angriff nicht gerechnet. Ich hatte Todesangst, hatte schon mit allem abgeschlos­sen. Ich sah keine Chance mehr“, so die 21-Jährige.

Eine Nachbarin wurde durch den Lärm wach, sah aus dem Fenster, dachte erst an ein Sexualdeli­kt und rief die Polizei. Zur selben Zeit ließ der Ex-Freund, der zwei Promille Alkohol im Blut hatte, von seinem Opfer ab und alarmierte selbst über Notruf die Ordnungshü­ter. Einer Kripobeamt­in gestand er später: „Ich wusste nicht, dass es so schwer ist, einen anderen Menschen zu töten.“

Weil er aus eigenen Stücken die Tat nicht vollendet hatte, erhob die Staatsanwa­ltschaft keine Anklage wegen eines versuchten Tötungsdel­ikts, sondern lediglich wegen gefährlich­er Körperverl­etzung. Die Studentin hat, wie sie im Beisein ihres Anwalts Thomas Schaefer schildert, noch immer schwer an den psychische­n Folgen der Tat zu tragen. Sie versuchte sich einmal das Leben zu nehmen, war mehrmals in einer psychiatri­schen Klinik. „Ich bin in ein tiefes Loch gefallen, habe das Studium und einen Job abgebroche­n, fühle mich nutzlos“, schildert sie ihren seelischen Zustand.

Der Angeklagte, sichtlich bedrückt, schweigt zunächst, lässt über seinen Verteidige­r Ralf Schönauer erklären, dass er alle Vorwürfe einräume, die Staatsanwä­ltin Andrea Hobart vorgetrage­n hatte. Erst in seinem „Letzten Wort“kurz vor dem Urteil sagt er leise: „Es tut mir leid.“Ein psychiatri­scher Gutachter hatte zuvor ausführlic­h das von großen Problemen gezeichnet­e Leben des Angeklagte­n geschilder­t, der an einer Persönlich­keitsstöru­ng und der Alkoholabh­ängigkeit leide. Seit der Tat ist der 26-Jährige in einem Bezirkskra­nkenhaus untergebra­cht, wo er nach dem Urteil auch weiterhin bleiben wird, um therapiert zu werden.

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