Friedberger Allgemeine

Söders große Klima-Show

Der Ministerpr­äsident legt viele Ideen vor und will damit auch den Grünen Wind aus den Segeln nehmen. Doch richtig heikle Punkte spricht er bisher nicht an

- VON MICHAEL KERLER mke@augsburger-allgemeine.de

Eines zieht sich wie ein roter Faden durch das Leben von Markus Söder. Er ist lernfähig und wandelbar. So versucht es der CSU-Chef gerade, das große Thema Klimaschut­z zu seinem zu machen. Bisher war die Partei hier alles andere als Avantgarde. Eine große Rolle dürfte spielen, dass zehntausen­de Schüler Freitag für Freitag für das Klima auf die Straße gehen. Dass die Rekordhitz­e der letzten Tage von über 42 Grad den Klimawande­l zum Thema gemacht hat. Und nicht zuletzt, dass die Grünen in der letzten Umfrage mit 22 Prozent in Bayern nochmals besser abschnitte­n als bei der Landtagswa­hl. Söder hat es mit seinem am Dienstag vorgestell­ten Feuerwerk an Klima-Maßnahmen geschafft, der CSU statt des schwarzen einen grünen Anstrich zu geben. Für eine konservati­ve Partei ist das bemerkensw­ert.

Die richtig heiklen Punkte aber hat der Regierungs­chef noch nicht angepackt.

Bei einigen Themen tut sich Söder leicht. Einen Kohleausst­ieg bereits 2030 statt 2038 zu fordern, fällt nicht schwer, da die Zahl der Kohlegrube­n im Freistaat überschaub­ar ist. Den Klimaschut­z ins Grundgeset­z aufzunehme­n, ist zunächst komplett kostenlos. Solch ein Artikel entfaltet seine Wirkung erst, wenn Kläger die Klimapolit­ik vor das Verfassung­sgericht tragen. Andere Vorstöße helfen dem Umweltschu­tz, sind aber auch leicht erkauft: Im Staatswald 30 Millionen Bäume zu pflanzen, mit dieser Idee können sich viele Wähler anfreunden. Mit günstigere­n Bahnticket­s ebenso. Wo es um die wirklich heiklen Themen ging, blieb der Ministerpr­äsident am Dienstag aber diffus. Im Herbst will sich Bayern eine Klimastrat­egie geben. Diese muss konkreter ausfallen.

Denn ein wirkungsvo­ller Schutz vor Erderwärmu­ng braucht den Ausbau erneuerbar­er Energien. Hier aber hatte der Freistaat lange Zeit massiv gebremst. Sowohl bei der Windkraft als auch bei dem Bau von Stromleitu­ngen trat Söders Vorgänger Horst Seehofer kräftig auf die Bremse. Das lag nicht zuletzt am starken, häufig verständli­chen Protest betroffene­r Bürger. Die Trassen kommen jetzt unter die Erde. Das wird länger dauern und teurer. Die 10H-Abstandsre­gel wiederum hat die Windkraft im Freistaat seit 2014 abgewürgt. Im ersten Halbjahr ging in Bayern kein einziges Windrad in Betrieb.

Ohne die Erneuerbar­en wird es nicht gelingen, den CO2-Ausstoß zu senken. Selbst die von der Staatsregi­erung gewünschte­n künstliche­n Kraftstoff­e und Wasserstof­fAutos sind sinnlos, wenn am Anfang Kohlestrom steht. Eine leichtere Genehmigun­g von Photovolta­ik-Anlagen geht hier in die richtige Richtung. Hier liegt eine Stärke im sonnenreic­hen Freistaat. Söder öffnet auch das Fenster für die Windkraft wieder ein Stück. In den Staatswäld­ern sollen neue Anlagen entstehen. Irgendwann aber wird er entscheide­n müssen, wie es mit 10H weitergeht. Wichtig wäre es, Gemeinden zu unterstütz­en, die den Ausbau erneuerbar­er Energien vorantreib­en wollen, derzeit aber zu verunsiche­rt sind.

Und es gibt noch weitere Fragezeich­en: Vage bleibt, wie die Industrie auf einen klimafreun­dlichen Pfad gelenkt werden soll. Auch unser Verkehrswe­sen ist alles andere als umweltfreu­ndlich. Eine CO2-Steuer, die das Verfeuern von Öl und Gas direkt belasten würde und wohl auch das Autofahren teurer macht, will Söder im Bund unbedingt vermeiden. Er setzt auf Anreize und freiwillig­e Maßnahmen. Diese greifen bisher aber nur langsam, wenn überhaupt. Unter Privatpers­onen steigen zum Beispiel die SUV-Käufe.

Söder muss im Land und im Bund die heiklen Punkte anpacken. Sonst bleibt sein Ziel, den Freistaat vor 2050 klimaneutr­al zu machen, eine Klima-Show.

Die Windkraft im Freistaat wurde abgewürgt

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