Steuerfahnder in der Badehose
Griechenland Finanzbeamte machen verstärkt Jagd auf Steuersünder in Ferienorten
Athen Das Essen war lecker. Aber die Rechnung schlug den Gästen auf den Magen: 836,20 Euro verlangte der Kellner eines Strandrestaurants auf der griechischen Schickeria-Insel Mykonos von den amerikanischen Gästen. Allein 640,40 Euro berechnete das Restaurant für sechs Portionen Calamari mit Salat. Pro Bier wurden 25 Euro fällig. 18 Euro für einen Tomatensaft rundeten die Rechnung ab. Kein Einzelfall. In den sozialen Medien erzählen Urlauber immer wieder von schamloser Abzocke auf griechischen Inseln.
Die Behörden sind alarmiert. Nicht nur wegen des schlechten Lichts, das solche Wucherpraktiken auf den Griechenland-Tourismus werfen. Sondern auch, weil viele Gastwirte ihre überhöhten Einnahmen auch gegenüber dem Fiskus verschleiern. Deshalb rücken jetzt die Steuerfahnder aus. Rund 50 500 Überprüfungen haben die Finanzbehörden für die Sommermonate angekündigt – in Großstädten wie Athen, Thessaloniki, Piräus und Patras, aber auch auf den Ferieninseln in der Ägäis und im ionischen Meer. Um unerkannt zu bleiben, schlendern die Steuerfahnder in Shorts und T-Shirt durch die Andenkenläden oder mischen sich als Urlauber getarnt in der Badehose unter die Gäste einer Strandbar.
Jetzt melden die Finanzbeamten erste Erfolge. Im Juni überprüften sie 7735 Restaurants, Hotels, Bars, Tavernen, Dienstleister und Einzelhandelsgeschäfte. In jedem dritten Fall stellten sie Steuerverstöße fest. Die Steuermoral ist regional sehr unterschiedlich ausgeprägt. In Heraklion auf Kreta geht es mit 28 Beanstandungen bei 100 Prüfungen noch relativ ehrlich zu. Im benachbarten Rethymnon stellten die Fahnder sogar nur bei jeder fünften Überprüfung Verstöße fest. Dafür gab es auf der Insel Santorin in 56 Prozent aller Fälle Beanstandungen. Auf Korfu stellen die Fahnder sogar bei mehr als sechs von zehn Prüfungen Unregelmäßigkeiten fest.
Die Steuerhinterziehung gilt als eine der Ursachen der griechischen Schuldenkrise. Nach einer Untersuchung der Athener Denkfabrik Dianeosis gehen dem Fiskus dadurch jährlich elf bis 16 Milliarden Euro durch die Lappen. Das entspräche sechs bis neun Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts. Experten des Athener Finanzministeriums schätzen, dass sich allein das Volumen der hinterzogenen Mehrwertsteuer im Jahr auf rund sechs Milliarden Euro beläuft. Das wäre mehr als ein Zehntel der gesamten jährlichen Steuereinnahmen.
Vor allem in der Gastronomie fließt viel Geld an den Registrierkassen vorbei. Die Methoden der Steuerhinterzieher werden immer raffinierter. Auch wenn der Gast eine Quittung bekommt, heißt das nicht, dass der Wirt den Betrag auch versteuert – der Beleg könnte aus einer zweiten, nicht beim Finanzamt registrierten Kasse stammen. Und manche Einzelhändler betreiben Kartenterminals, die nicht in Griechenland angemeldet sind, sondern im benachbarten Bulgarien. Dann fließt das Geld direkt auf ein dortiges Bankkonto. Manchen ist die Bulgarien-Connection zu banal. Im Laden einer auf teure Taschen spezialisierten französischen Luxusmarke fanden die Fahnder gleich zwei Kartenlesegeräte, die direkt mit Banken in der Schweiz verbunden waren.
Nicht nur in Boutiquen, Bars und Restaurants werden Einnahmen an den Büchern vorbeigeleitet. Die schwärzesten Schafe sind die griechischen Taxifahrer: Bei mehr als acht von zehn Überprüfungen stießen die Steuerinspekteure auf Verstöße: Mit manipulierten Taxametern werden häufig nicht nur ahnungslose Urlauber mit überhöhten Fahrpreisen übers Ohr gehauen, sondern auch der Fiskus geschädigt.
Wenn die Fahnder fündig werden, leiten sie nicht nur SteuerStrafverfahren ein. Sie können das betroffene Unternehmen auch für mehrere Tage schließen. So erging es jetzt dem türkischen Star-Koch Nusret Gökce, besser bekannt als „Salt Bae“. Er betreibt ein Restaurant auf Mykonos. Ein gutes Steak kann hier schon mal 500 Euro kosten. Die Steuerfahnder machten den Laden im Juni einfach mal für 48 Stunden dicht, nachdem sich herausgestellt hatte, dass der Geschäftsführer Einnahmen von 25 800 Euro nicht versteuert hat.