Ingolstadts Ex-OB gibt Fehler zu
Alfred Lehmann hat Korruptionsvorwürfe gegen ihn bislang stets vehement zurückgewiesen. Kurz vor Prozessende schlägt er einen neuen Weg ein. Doch das Gericht zeigt sich skeptisch
Ingolstadt Dass dieser Tag vor Gericht anders werden könnte als zunächst vorgesehen, hatte sich bereits vergangene Woche zumindest angedeutet. Da hatte die 1. Strafkammer im Korruptionsprozess gegen Ingolstadts Ex-Oberbürgermeister Alfred Lehmann mehrere rechtliche Hinweise gegeben. Diese sollen – auch dem Angeklagten – fairerweise helfen, einzuordnen, wo er gerade im Verfahren steht. Einer dieser Hinweise von Richter Jochen Bösl ließ besonders aufhorchen. Er lautete: Ohne ein Geständnis komme – im Falle einer Verurteilung – für Lehmann auch eine Freiheitsstrafe von über zwei Jahren in Betracht. Sprich: Dem 69-Jährigen droht – möglicherweise – Gefängnis.
Das ist die Lage am Dienstagmorgen. Zur Erinnerung: Seit März steht Lehmann vor Gericht. Er wurde wegen Bestechlichkeit und Untreue angeklagt. Auch wenn Teile der Vorwürfe inzwischen fallen gelassen wurden, steht für Lehmann viel auf dem Spiel. Es geht um 16 Studentenbuden auf dem Gelände der alten Pionierkaserne, die er und sein inzwischen verstobener Vater vor Jahren gekauft hatten. Und es geht um seine Privatwohnung in der Sebastianstraße in der Innenstadt, die Lehmann später für sich und seine Familie erwarb.
Die fraglichen Immobilien waren im Besitz der öffentlichen Hand, als sie 2011 und 2013 verkauft wurden. Dafür zuständig waren die städtische Industriefördergesellschaft IFG (Pionierkaserne) und der Krankenhauszweckverband (Sebastianstraße). Lehmann war damals nicht nur Oberbürgermeister, sondern wegen seines Amts auch Vorsitzender des IFG-Verwaltungsrats und Vorsitzender des Krankenhauszweckverbandes. In dieser Position soll er sich dafür eingesetzt haben, dass bestimmte Bauträger die Zuschläge für die Immobilien erhielten. Später soll er dann laut Anklage die Wohnungen günstiger bekommen haben. Der finanzielle Vorteil, den Lehmann sich laut Anklageschrift verschafft haben soll, liege bei etwa 750000 Euro. Auch wenn diese Summe in der Höhe nach bisherigem Verfahrensstand fraglich ist, geht es immer noch um viel Geld. Lehmann hat die Vorwürfe bisher stets vehement zurückgewiesen.
Der Gerichtssaal ist am Dienstag so voll wie seit Prozessauftakt nicht mehr. Denn eigentlich ist die Beweisaufnahme ziemlich abgeschlossen. Es hätten nur noch die Eintraim Bundeszentralregister verlesen werden müssen, dann wären die Plädoyers gehalten worden. Am Freitag hätte es das Urteil geben sollen. Eigentlich.
Aber, es kommt anders: Andreas von Mariassy, einer von Lehmanns Anwälten, kündigt eine Erklärung seines Mandanten an. Wissen muss man: Eine der wichtigsten Fragen im Laufe des Prozesses ist: Hat Lehmann genug für seine Wohnungen bezahlt? Und falls nicht: Hätte er erkennen können, dass die Preise für Kauf und Ausbau jeweils mutmaßlich zu niedrig waren?
Lehmann erklärt nun, dass er bei den Studentenappartements den Ausbau zu günstig bekommen habe. Und er hätte erkennen müssen, dass er dort einen Vorteil bekommen habe, den er als Amtsträger nicht hätte annehmen dürfen. „Das ist meine Verantwortung.“Auch das Angebot zum Ausbau seiner Wohnung in der Sebastianstraße sei „zu günstig“gewesen. Er habe das bereits damals vermutet. „Das hätte ich erkennen müssen.“Und: „Das war mein Fehler.“Zugleich betonte er aber, dass er diesen Fehler rechtzeitig erkannt, korrigiert und letztlich einen angemessenen Preis bezahlt habe. Im Übrigen aber bleibt Lehmann dabei, dass er als OB und Vorsitzender des Krankenhauszweckverbandes keinen Einfluss zum Vorteil des Bauträgers genommen habe.
Was war das nun, fragt man sich im Gerichtssaal? Ein Teilgeständnis? Landgerichtsvizepräsident Jochen Bösl unterbricht nach Lehmanns Einlassung die Sitzung. Vorher sagt er allerdings: „Es ist fraggungen lich, ob so ein Geständnis sehr aufklärend ist.“Und Staatsanwalt Gerhard Reicherl schiebt hinterher: „Mit einem Geständnis hat das nichts zu tun.“Später, als die Verhandlung fortgesetzt wird, gibt Lehmann auf Nachfrage von Reicherl zudem zu, dass im Fall der Privatwohnung in der Sebastianstraße ein Rohbauvertrag zum Schein abgeschlossen worden sei.
Als wenig später vonseiten der Verteidigung des mit Lehmann angeklagten Bauträgers – auch überraschend – noch Beweisanträge eingereicht werden, unterbricht Bösl erneut die Sitzung. Durchaus verärgert. Wenig später werden die eigentlich anberaumten Plädoyers verschoben und vier weitere Prozesstage bis in den Herbst hinein bestimmt. Als nächster Termin für eine Urteilsverkündung ist nun der 11. Oktober vorgesehen. Bis auf Weiteres.
Lehmann: „Das ist meine Verantwortung“