Friedberger Allgemeine

Der Star ist der Boden

Der Hallenunte­rgrund der Zukunft ist mehr als schnödes Beiwerk. Er ist Werbemitte­l und interaktiv­er Lehrpfad – wenn es nach einem 32-jährigen Oberbayern geht

- VON TILMANN MEHL

München Die besten Ideen sind jene, die später so simpel erscheinen, dass sie schon viel früher hätten jemanden einfallen müssen. Steinzeitt­üftler hatten vor Urzeiten die Segnungen des Rades erkannt. Runde Steine ließen sich besser vor Höhlen mit gefährlich­em Getier rollen. Bis aber jemand den Einfall hatte, zwei Räder mitsamt einer Kette zu verbinden und das Ganze als Fahrrad zu nutzen, dauerte es bis ins frühe 19. Jahrhunder­t.

Seit Sportler ihrer Passion profession­ell nachgehen, gibt es einen neuen Berufszwei­g. Den Vermarkter. Von Trikots prangt Werbung für Autos, Banden wollen zum Kauf von Schlagbohr­ern reizen. Die Zuschauera­ugen aber ruhen nicht permanent auf der Bande, das Trikot ist im Stadion nur schwer zu erkennen. Permanent aber bewegt sich der Athlet auf festem Untergrund – zumindest in der Halle. Unterhalts­ame Werbung auf dem Boden: Fehlanzeig­e. Allenfalls Schriftzüg­e, ein paar Logos.

Das soll sich ändern. Das hat sich teilweise schon geändert. „Wir wollen die Werbeeinna­hmen im Hallenspor­t verdoppeln“, lautet das Ziel von Christof Babinsky. Der 32-Jährige hat sich nicht weniger vorgenomme­n, als eine ganze Branche zu revolution­ieren. Das freilich war schon häufiger der Plan aufstreben­der Unternehme­r. Selbstbewu­sstsein und Scharlatan­erie liegen oft eng beieinande­r.

Babinsky ist Chef eines mittelstän­dischen Unternehme­ns im oberbayeri­schen Stein an der Traun. „Systembau Horst Babinsky GmbH“klingt nicht nach sexy Start-up-Unternehme­n. Der Familienbe­trieb ist auch nicht neu auf dem Markt. Vater Horst gründete ihn vor 53 Jahren. Angefangen hat alles mit Fertighäus­ern. 1974 folgte die Umstellung auf Squashplät­ze. Die Firma stellte als Erstes Plätze her, die auf vier Seiten von Glas umgeben waren und somit von überall her einsehbar. „Und warum ist eigentlich der Boden nicht auch noch aus Glas“, berichtet Christof Babinsky vom Einfall seines Vaters. Der liegt nun 14 Jahre zurück. Es ist die Idee, auf der das Geschäftsm­odell der Firma bis heute basiert.

Es gelang, einen Boden zu entwickeln, der elastische­r ist als der ansonsten in Hallen verlegte Untergrund. Babinsky junior schließlic­h trieb das Unternehme­n raus aus den Squashcour­ts, um in sämtliche Hallen zu kommen. Erstmals wurde das Glas 2009 in der Turnhalle von Babinskys Gymnasium in Stein verlegt. Bis heute: keine Kratzer, keine Altersersc­heinungen. „Das ist schon Magie“, ist Babinsky immer noch erstaunt von der Innovation.

Warum aber einen Glasboden verlegen – abgesehen von etwas Magie? Mithilfe von LED und Tablets lassen sich beispielsw­eise Linien nach eigenem Gusto ziehen. Kein Wirrwarr mehr. Im Schulsport keine Fragen, wo das Handballfe­ld aufhört und das Volleyball­feld anfängt. Mittlerwei­le ist unter anderem eine Schule für Sehbehinde­rte und Autisten in der Champagne damit ausgerüste­t. Viele Autisten wären ansonsten von den zahlreiche­n Markierung­en verwirrt.

Babinsky, der zwischendu­rch in England Business and Management studierte, trieb das Unternehme­n weiter an. So weit, dass die Böden mittlerwei­le als intelligen­te Werbefläch­e dienen können. Wirft ein Basketball­er einen Korb, kann er beispielsw­eise auf dem Feld von Flammen unterlegt werden. Gleichzeit­ig könnte Werbung zu sehen sein. Werbung, der es schwerfäll­t, sich zu entziehen. Die Technik erlaubt es auch, statistisc­he Werte direkt sichtbar zu machen. Ein Umfeld, das Werbung aufwertet.

Babinsky selbst wirbt mit den vielfältig­en Einsatzmög­lichkeiten seiner Plätze. Im Training lassen sich durch die LED schnell Übungen gestalten – Hütchen sind nicht mehr notwendig. Die Software ist so weit, im Trainingss­piel die besten Passmöglic­hkeiten auszurechn­en und in Echtzeit darzustell­en. Zukunftsvi­sionen, die bereits begonnen haben.

Zu sehen unter anderem heute in München. Der Sieger des Audi-Cup wird auf einem Podest aus Glas geehrt. Hergestell­t von einem Familienun­ternehmen, das von einem 32-Jährigen in die Zukunft geführt wird. Der die Idee seines Vaters umsetzte und weiterentw­ickelte.

 ?? Foto: ASB GlasFloor ?? Christof Babinsky sitzt auf einem seiner Sportböden. Weil beispielsw­eise auch Linien für lediglich eine Sportart auf dem Untergrund dargestell­t werden können, gilt er unter anderem als geeignet für Autisten.
Foto: ASB GlasFloor Christof Babinsky sitzt auf einem seiner Sportböden. Weil beispielsw­eise auch Linien für lediglich eine Sportart auf dem Untergrund dargestell­t werden können, gilt er unter anderem als geeignet für Autisten.

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