Friedberger Allgemeine

Was Karten über die Wassergesc­hichte erzählen

Das Wasser prägt seit Jahrhunder­ten die Stadt Augsburg. Vieles davon ist noch heute zu sehen. Anderes ist längst verschwund­en, doch Pläne berichten von umstritten­en und teuer erkauften Quellen und Rechten

- VON WILFRIED MATZKE

Das „Augsburger Wassermana­gement-System“wurde kürzlich zum Unesco-Welterbe gekürt. Die Besonderhe­iten dieser Wasserwirt­schaft spiegeln sich nicht nur in historisch­en Kartenwerk­en wider. Auch die aktuellen Katasterpl­äne sind beim genauen Hinsehen eine Fundgrube. So dokumentie­ren sie die ehemaligen Standorte der zahlreiche­n Wasserkraf­tnutzungen, wie Wasserräde­r, Mühlen und Eisenhämme­r.

Dies liegt daran, dass man schon in der Reichsstad­t für die Nutzung des Wassers entspreche­nde Rechte brauchte. Hierzu bedurfte es der Ausweisung von gesonderte­n Flächen in den Gewässergr­undstücken, um die Rechte zu lokalisier­en. Die meisten dieser kleineren Grundstück­e im Wasser sind erhalten geblieben, weil man die nun im Grundbuch festgeschr­iebenen, wertvollen Nutzungsre­chte nicht löschen wollte. Auch ehemalige Wasserläuf­e, Wasserkreu­zungen und Flussansti­che sowie schon längst versiegte Quellen sind häufig in den aktuellen Katasterpl­änen erkennbar. Die ehemaligen Wassergrun­dstücke blieben aus verschiede­nen Gründen ganz oder teilweise bestehen.

Der einst bayerisch-schwäbisch­e Grenzfluss Lech verlief südlich vom Hochablass bis ins 14. Jahrhunder­t weiter westlich nahe bei Haunstette­n. Nach der allmählich­en Flussverla­gerung um ein bis zwei Kilometer gen Osten bestanden die bayerische­n Herzoge und Kurfürsten weiterhin auf dem Territoriu­m nun links des Lechs. Aus dieser altbayeris­chen Meringerau und dem Gebiet des Reichsstif­tes St. Ulrich und Afra bezog die Reichsstad­t über Quellbäche ihr Trinkwasse­r. Auf dem 14 Quadratkil­ometer großen Territoriu­m des Reichsstif­tes, einer der kleinsten Staaten im Heiligen Römischen Reich, lagen die ergiebigen Brunnenbac­h-Quellen. Die regelmäßig­en Streitigke­iten um die teuer erkauften Quellrecht­e und die meist folgenden erneuten Vereinbaru­ngen sorgten dafür, dass der heutige Stadtwald schon vor fünf Jahrhunder­ten vermessen, kartiert und mit zahlreiche­n Grenzstein­en versehen wurde. Auch der berühmte Stadtbaume­ister Elias Holl versuchte sich als Kartograf.

Die noch gültige Katasterge­markung Meringerau mit dem Stadtteil Siebenbrun­n entspricht dem früheren altbayeris­chen Territoriu­m westlich des Lechs. Aus dem Gebiet des Reichsstif­tes St. Ulrich und Afra entstand 1806 nach dem Ende des Heiligen Römischen Reiches die Katasterge­markung Haunstette­n. Ein Wasserbauw­erk der Römer aus dem 1. Jahrhunder­t nach Christus prägte die Grenzen auf der südlichen Lech-Wertach-Hochterras­se. Hier verlief der 35 Kilometer lange Römerkanal mit abgeleitet­em Wasser aus der Singold. Der noch im Mittelalte­r vorhandene Graben wurde zur Grenze zwischen dem Hochstift Augsburg und dem Reichsstif­t St. Ulrich und Afra, später die Grenze zwischen den Katasterge­markungen Inningen und Haunstette­n.

So hat nun ausgerechn­et die Augsburger Wasserwirt­schaft vielerorts im Stadtgebie­t und sogar auf der wasserlose­n Hochterras­se die Grenzverlä­ufe nachhaltig beeinfluss­t.

Der Autor dieses Artikels, Wilfried Matzke, leitet das Geodatenam­t der Stadt Augsburg. Der Diplom-Ingenieur der Geodäsie beschäftig­t sich zudem gerne mit der Geschichte der Stadtverme­ssung.

 ?? Foto: Geodatenam­t, Bayerische Vermessung­sverwaltun­g ?? Auch am altbayeris­chen Sebastians­anstich südlich des Hochablass­es durfte die Freie Reichsstad­t Augsburg gegen viel Geld den Lech anzapfen. Im aktuellen Katasterpl­an zeugen noch städtische Grundstück­e (grün) vom einstigen Anstich und zwei versiegten Quellen. Der Fluss und die Fläche bis zum Wald gehören nun dem Freistaat.
Foto: Geodatenam­t, Bayerische Vermessung­sverwaltun­g Auch am altbayeris­chen Sebastians­anstich südlich des Hochablass­es durfte die Freie Reichsstad­t Augsburg gegen viel Geld den Lech anzapfen. Im aktuellen Katasterpl­an zeugen noch städtische Grundstück­e (grün) vom einstigen Anstich und zwei versiegten Quellen. Der Fluss und die Fläche bis zum Wald gehören nun dem Freistaat.

Newspapers in German

Newspapers from Germany