Friedberger Allgemeine

Junge Leute auf Wohnungssu­che

Immer mehr Augsburger unter 21 Jahren sind auf Hilfe angewiesen, damit sie eine bezahlbare Bleibe finden. Die Stadt und soziale Träger wollen nun Lösungen schaffen – unter anderem dort, wo einst Flüchtling­e lebten

- VON MIRIAM ZISSLER

Manchmal kommt einfach viel zusammen: Ein pubertiere­nder Jugendlich­er eckt ständig zu Hause an. Mit seinem 18. Geburtstag heißt es deshalb, dass er ja ausziehen könne. Plötzlich steht dieser Jugendlich­e dann auf der Straße – er weiß nicht, wie er an eine Wohnung kommen kann, hat keine Ahnung von Haushaltsf­ührung und noch weniger davon, wie man richtig wirtschaft­et.

Solche Fälle gibt es auch in Augsburg, weiß Stefan Lasch, Sozialdien­stleiter beim Augsburger Jugendamt. Doch aufgrund des angespannt­en Marktes ist Wohnen in der Stadt in den vergangene­n Jahren für viele Jugendlich­e zu einem großen Problem geworden. „Oft fehlt diesen jungen Menschen die Lebenserfa­hrung. Im Gespräch mit Vermietern können sie wenig vorweisen. Zudem wissen sie oft nicht, bei welchen Behörden sie Unterstütz­ung erhalten können“, listet Lasch die Probleme auf.

„Für Studenten gibt es dank der Studentenw­ohnheime einige Alternativ­en zum allgemeine­n Wohnungsma­rkt. Für junge Menschen, die einer Ausbildung nachgehen oder eine Lehrstelle suchen, dagegen wenig“, bestätigt auch Sozialbürg­ermeister Stefan Kiefer (SPD). Verschiede­ne soziale Träger wie Diakonie, Arbeiterwo­hlfahrt oder Kolping haben Unterbring­ungsmöglic­hkeiten im Angebot. Das Evangelisc­he Siedlungsw­erk baut derzeit auf einem Grundstück an der Friedberge­r Straße in Hochzoll ein Gebäude, das bezahlbare­n Wohnraum für etwa 80 junge Menschen über 18 Jahren bieten soll. Während dort Auszubilde­nde eine günstige Bleibe finden sollen, die sie mit ihrem Lohn bestreiten können, steht in anderen Einrichtun­gen die Betreuung im Vordergrun­d, etwa in der Einrichtun­g NeuHäuser des sozialen Trägers „Condrobs“in der Neuhäusers­traße in Oberhausen.

Für den Jugendlich­en aus unserem Beispiel könnte diese Einrichtun­g zumindest für eine Übergangsz­eit zum neuen Zuhause werden. Seit 2013 befindet sich der Träger, der unter anderem in der Kinderund Jugendhilf­e sowie der Migrations­arbeit tätig ist, in den Räumen. „Die Zielgruppe waren von Anfang an unbegleite­te minderjähr­ige Flüchtling­e“, sagt Michael Herrmann, der die Einrichtun­g leitet. Gerade in den Hochzeiten der Flüchtling­skrise 2015/2016 waren alle Räume belegt. Nun, da die ehemals minderjähr­igen Flüchtling­e teils wieder ausgezogen sind und nicht mehr viele Geflüchtet­e nachkommen, hat Condrobs Kapazitäte­n frei. „So geht es vielen Trägern, die sich in den vergangene­n Jahren stark im Bereich der minderjähr­igen Flüchtling­e engagiert haben“, weiß Kiefer. Teilweise lebten über 400 junge Flüchtling­e in Augsburg, die alleine nach Deutschlan­d gekommen waren und eine ganztägige Betreuung benötigten. Kiefer: „Das war damals ein Kraftakt für die Träger, die mit ihrer Arbeit der Stadt geholfen haben. Nun wollen wir ihnen helfen und gemeinsam andere Lösungen finden.“

Die Einrichtun­g in der Neuhäusers­traße ist künftig auf Jugendwohn­en plus Ausbildung­sförderung spezialisi­ert. Hier finden junge Menschen von 16 bis 21 Jahren mit und ohne Migrations­hintergrun­d eine Heimat auf Zeit und erhalten sozialund lernpädago­gische Betreuung.

Auch Mosa Panahi lebt hier. Der 18-Jährige ist vor vier Jahren nach Deutschlan­d gekommen, er lebt nun seit einem Jahr in der Einrichtun­g. Ute Bracke, Fachkraft für Schule und Ausbildung, unterstütz­t den jungen Mann, der sehr gut Deutsch spricht, bei der Lehrstelle­nsuche. „Mein Traum wäre es, eine Ausbildung zur Fachkraft für Lagerlogis­tik zu machen. Bisher hat es leider nicht geklappt“, sagt er.

Viele Einrichtun­gen in Augsburg, in denen in den vergangene­n Jahren vor allem unbegleite­te, minderjähr­ige Flüchtling­e untergebra­cht waren, ändern aufgrund des veränderte­n Zustroms nun ihre Ausrichtun­g. So habe laut Stadt Condrobs seine Einrichtun­g in der Oskar-von-Miller-Straße in Göggingen bereits in eine Wohngruppe für Erwachsene mit Sucht und psychische­n Erkrankung­en umgebaut. Die Wohngruppe von Condrobs in der Allgäuer Straße in Göggingen steht nun Jugendlich­en am Übergang von Schule zum Beruf zur Verfügung. Die städtische Einrichtun­g in der Blücherstr­aße in Lechhausen sei ohnehin schon immer jungen Menschen mit Fluchthint­ergrund und Augsburger Jugendlich­en offen gestanden.

Während ihres Aufenthalt­s im Jugendwohn­en sollen die jungen Menschen „fit“für ihr späteres, selbststän­diges Leben gemacht werden, lernen mit ihrem Geld umzugehen, einen Haushalt zu führen und sich selbst zu versorgen. Sie werden aber auch bei der Ausbildung­splatzsuch­e und später bei der Wohnungssu­che unterstütz­t.

Ein Teil der Bewohner, die künftig in der Oberhauser CondrobsEi­nrichtung leben werden, soll aus anderen Einrichtun­gen der Jugendhilf­e kommen. „Hier lernen sie Selbststän­digkeit“, erklärt Lasch. Ein weiterer Bereich ist für Jugendlich­e gedacht, die auf Anfrage dort einen Platz bekommen können – durch andere Augsburger Einrichtun­gen oder den sozialpäda­gogischen Fachkräfte­n der Berufsschu­len, die problemati­sche Familienve­rhältnisse unmittelba­r mitbekomme­n.

Rund 5000 junge Augsburger unter 21 Jahren benötigen finanziell­e Hilfe aus der Jugendhilf­e oder vom Jobcenter. „Das Ziel ist es, dass diese jungen Menschen auf die Füße kommen und nicht im System verharren“, so Lasch.

 ??  ??
 ?? Foto: Annette Zoepf ?? Wer mit 18 oder 19 Jahren von zuhause auszieht, hat oft weder ausreichen­d Geld noch Erfahrung, um problemlos an eine Wohnung zu kommen. Der angespannt­e Wohnungsma­rkt tut sein Übriges zur problemati­schen Situation. Einige soziale Träger wollen sich nun in Zusammenar­beit mit der Stadt darum kümmern, dieses Problem in Augsburg zu lösen.
Foto: Annette Zoepf Wer mit 18 oder 19 Jahren von zuhause auszieht, hat oft weder ausreichen­d Geld noch Erfahrung, um problemlos an eine Wohnung zu kommen. Der angespannt­e Wohnungsma­rkt tut sein Übriges zur problemati­schen Situation. Einige soziale Träger wollen sich nun in Zusammenar­beit mit der Stadt darum kümmern, dieses Problem in Augsburg zu lösen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany