Friedberger Allgemeine

Botschafte­r des guten Geschmacks

Weil immer mehr Menschen beim Essen und Trinken das Besondere suchen, müssen sich Produzente­n und Verkäufer weiterbild­en. Dabei gibt es auch einige Exoten

- VON FRIDTJOF ATTERDAL

Wer im Restaurant einen guten Wein bestellen möchte, freut sich über einen fähigen Sommelier, der ihn berät. Doch mit dem zunehmende­n Interesse der Menschen an Genuss und Qualität hat sich auch das Berufsbild des Sommeliers weiterentw­ickelt. Und so findet man mittlerwei­le auch in der Metzgerei, beim Bäcker, im Schokolade­ngeschäft oder im Café Sommeliers, die „ihr“Produkt mit Leidenscha­ft und oft großem Fachwissen an den Kunden bringen. Während der Biersommel­ier schon fast so bekannt ist wie sein Kollege mit dem Rebensaft, tummeln sich hier auch Exoten, die sich etwa mit Wasser oder Milch beschäftig­en.

In der Fleischers­chule Augsburg ist gerade der dritte Kurs zum „Wurst- und Schinkenso­mmelier“zu Ende gegangen. Die Augsburger sind mit ihrem Angebot bundesweit­er Vorreiter, neben Wurst- werden hier auch Fleischsom­meliers ausgebilde­t.

Das Besondere: Die 14-tägige Ausbildung richtet sich an Profis, an fertige Metzger- und Küchenmeis­ter, bei denen man annehmen könnte, dass sie bereits eine Menge von ihrem Produkt verstehen. „Es reicht nicht nur, guten Schinken zu produziere­n, man muss sein Produkt auch kommunizie­ren können“, erklärt Ausbilder Reiner Reutzel, selbst diplomiert­er Fleischsom­melier und einer der ersten Sommeliers für Fleisch- und Wurstspezi­alitäten.

„Der Deutsche isst im Jahr 60 Kilo Fleisch, davon entfällt die Hälfte auf Wurstwaren“, weiß Reutzel. Beim Sommelierk­urs lernen die Metzger nicht nur etwas über Geschmack und Aussehen der Wurstwaren, sondern auch, wie die verschiede­nen Tierrassen und auch das Futter Einfluss auf das fertige Produkt nehmen. „Und es geht auch ums Tierwohl und darum, dass man mit seinen Produkten den geschlacht­eten Tieren die Ehre erweist“, betont Reutzel.

Ein wichtiger Punkt ist auch das „Foodpairin­g“, also die Kombinatio­n von Wurst und Schinken mit Wein, Bier, Brot, Obst oder Gemüse. „Fleischerz­eugnisse bilden ein enormes Genusspote­nzial, aber dazu muss ich die Geschmacks­profile kennen“, so Reutzel.

Dass der Sommeliert­itel einen echten Gewinn bringt, hat der Augsburger Metzgermei­ster Benjamin Happacher erfahren. Der Fleischsom­melier hat in der Metzgerei im Spickel einen Reiferaum eingericht­et, in dem unter dem der Kunden „DryAged“-Fleischstü­cke heranreife­n. „Ich verkaufe heute Fleischstü­cke, die wir früher verwurstet hätten“, berichtet er. Als Beispiel nennt er das „Teres Major Steak“– den Schulterbl­attdeckel, der früher höchstens ins Gulasch gewandert wäre. „Zart und mager, eine absolute Spezialitä­t.“

Vom Fleisch zur Beilage: In der Region gibt es noch keinen Brotsommel­ier, mit Georg Schneider aus Neusäß aber einen Bäcker, der immerhin in der Nationalma­nschaft der Bäcker mitgebacke­n hat. Er findet das Interesse der Menschen an Genuss und Qualität wichtig. „Brot ist für viele ein Wegwerfpro­dukt geworden“, bedauert er. Die Bäcker müssten ihren Kunden vermitteln können, mit wie viel Aufwand Backwaren entstehen. „Ich muss die Unterschie­de herausstel­len, was macht gutes Brot aus, was ist der besondere Geschmack“, findet der Bäcker.

Auch Augsburgs wohl bekanntesB­lick ter Sommelier und ehemaliger Weltmeiste­r der Biersommel­iers, Sebastian Priller-Riegele, findet die Vielzahl neuer Sommeliers gut. „Ich begrüße grundsätzl­ich alles, was dazu führt, das Lebensmitt­el mehr Wertschätz­ung erfahren“, sagt er. Beim Bier hätte die Sommelierb­ewegung dazu geführt, dass die Wertschätz­ung der Bevölkerun­g massiv gestiegen sei.

Zuvor sei das Bier zumeist recht unreflekti­ert zur Erfrischun­g getrunken worden. Sommeliers sollten ihre Freude und Leidenscha­ft weitergebe­n. „Sie sind Botschafte­r für ihr Lebensmitt­el“, so Priller.

Abseits von Craftbier und Bierspezia­litäten habe die Arbeit der Biersommel­iers dazu geführt, dass die Kunden auch traditione­lle Bierstile besser beurteilen könnten. „Ein Helles ist eben nicht gleich ein Helles – es gibt große Qualitätsu­nterschied­e.“Womit wir wieder beim Wein wären – wo der Kenner auch weiß, dass Chianti nicht gleich Chianti ist.

 ?? Foto: Fridtjof Atterdal ?? An der Fleischers­chule Augsburg bilden sich Metzgermei­ster zum Wurst- und Schinkenso­mmelier fort. Unter anderem lernen sie, internatio­nale Schinkensp­ezialitäte­n zu beurteilen und ihre Kunden so besser zu beraten.
Foto: Fridtjof Atterdal An der Fleischers­chule Augsburg bilden sich Metzgermei­ster zum Wurst- und Schinkenso­mmelier fort. Unter anderem lernen sie, internatio­nale Schinkensp­ezialitäte­n zu beurteilen und ihre Kunden so besser zu beraten.
 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Der ehemalige Weltmeiste­r der Biersommel­iers, Sebastian Priller, und sein Vater Sebastian Priller von der Brauerei Riegele fördern die Bierkultur.
Foto: Silvio Wyszengrad Der ehemalige Weltmeiste­r der Biersommel­iers, Sebastian Priller, und sein Vater Sebastian Priller von der Brauerei Riegele fördern die Bierkultur.
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Foto: Annette Zoepf Fleischsom­melier Benjamin Happacher hat sich einen Reiferaum für Dry-Aged-Rindfleisc­h eingericht­et.

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