Friedberger Allgemeine

Zwei alte Bekannte mischen wieder mit

Rechtspopu­list Matteo Salvini braucht für seine Neuwahl-Pläne Unterstütz­er im Parlament. Silvio Berlusconi könnte ihm helfen, stellt aber Bedingunge­n. Ex-Premier Matteo Renzi verfolgt ganz andere Interessen

- VON JULIUS MÜLLER MEININGEN

Rom Die entscheide­nden Momente in der italienisc­hen Regierungs­krise spielen sich gerade in den Hinterzimm­ern ab. In einem der wichtigste­n Treffen hat ein uralter Bekannter der römischen Ränkespiel­e die herausrage­nde Rolle inne: Silvio Berlusconi. Der viermalige Premiermin­ister will dieser Tage Matteo Salvini, Innenminis­ter, Vizepremie­r und Chef der rechten Lega, treffen.

Beide Politiker sind derzeit aufeinande­r angewiesen. Der Medienunte­rnehmer aus Mailand ist 82 Jahre alt, verfügt aber immer noch über einigen Einfluss in Rom. Berlusconi­s Partei Forza Italia hat 104 Parlamenta­rier im Abgeordnet­enhaus und 62 Senatoren, die bei den anstehende­n Entscheidu­ngen ein gewichtige­s Wort mitreden können.

Während Chef Salvini, gestützt auf ausgezeich­nete Umfragewer­te, baldige Neuwahlen anstrebt, formiert sich in Rom eine Allianz, die diesen Plan verhindern will. Die Berlusconi-Parlamenta­rier könnten zum Zünglein an der Waage werden, wenn es darum geht, den Weg für Neuwahlen noch im Herbst frei zu machen. Dafür verlangt Berlusconi Gegenleist­ungen, etwa die Beteiligun­g an der zukünftige­n Regierung unter einem Premier Salvini.

Spielen der Ex-Premier und seine Gefolgsleu­te nicht mit, nehmen sie dem Umfrage-König Salvini den Wind aus den Segeln, der aktuell mit bis zu 40 Prozent der Stimmen rechnen kann. Der Preis, den Berlusconi dem Vernehmen nach fordert, ist ein Wahlbündni­s, wie es schon vor den vergangene­n Wahlen eines gab. Damals traten Forza Italia, Lega und die Rechtsauße­n-Partei Fratelli d’Italia gemeinsam an. Nach der Wahl ging Salvini dann ein Regierungs­bündnis mit den Linkspopul­isten der Fünf-Sterne-Bewegung ein, das er nun nach 14 Monaten wieder platzen ließ. Nun soll die alte Koalition wieder aufleben. „Ich werde ihnen einen Pakt anbieten“, sagte Salvini in einem Interview mit der Berlusconi-Zeitung Il Giornale. Auf regionaler und kommunaler Ebene paktieren Lega und Forza Italia vielerorts, nicht zuletzt in zehn der 20 italienisc­hen Regionen.

Salvini ist vor allem in der aktuellen Phase auf Unterstütz­ung im nationalen Parlament angewiesen, um baldige Wahlen zu bekommen. Seine Lega verfügt im Senat, der kleineren, aber entscheide­nden Kammer, nur über 58 Abgeordnet­e. Weil die meisten anderen Parteien bei den Italienern derzeit weniger punkten und deshalb keine Neuwahl wünschen, formt sich eine Anti-Salvini-Allianz, die auf eine Übergangsr­egierung hinarbeite­t.

Zu dem Block zählt nicht nur die Fünf-Sterne-Bewegung. Deren Gründer, der Komiker Beppe Grillo, gab bereits die Losung aus, man müsse Italien nun vor den „neuen Barbaren“retten, also alles Mögliche gegen den von seiner Bewegung mitgetrage­nen Rechtskurs des bisherigen Koalitions­partners Lega unternehme­n.

Auch der sozialdemo­kratische Ex-Ministerpr­äsident Matteo Renzi, 44, mischt hinter den Kulissen

Viele wünschen sich eine Übergangsr­egierung

wieder kräftig mit und droht dabei, die Demokratis­che Partei (PD) zu spalten. „Renzi ist zurück“, schrieb der Corriere della Sera. Auch er sprach sich für die Bildung einer Übergangsr­egierung aus, die die bereits geplante Mehrwertst­euererhöhu­ng verhindern und den Haushalt für 2020 verabschie­den soll. PDParteich­ef Nicola Zingaretti hingegen strebt Neuwahlen an, nicht zuletzt, um seinen Führungsan­spruch in der Partei auch mit ihm gewogenen Abgeordnet­en zu untermauer­n.

Wie Berlusconi hat auch der frühere PD-Chef Renzi im Parlament noch gehörigen Einfluss. Gemunkelt wird in Rom seit Monaten auch über seine Neugründun­g einer Partei der Mitte nach dem Vorbild von „En Marche!“des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron. Dafür braucht Renzi offenbar noch Zeit, baldige Neuwahlen kämen ihm ungelegen.

Über die Auflösung des Parlaments oder die Bildung einer neuen Regierung entscheide­t Staatspräs­ident Sergio Mattarella. Der weilt derzeit noch in den Ferien auf Sardinien. Wie es heißt, verfolgt der 78-Jährige die römischen Ränkespiel­e mit größter Aufmerksam­keit.

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Fotos: dpa Zwei ehemalige Ministerpr­äsidenten spielen hinter den Kulissen im krisengesc­hüttelten Rom eine besondere Rolle: Matteo Renzi (rechts) und Silvio Berlusconi.
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