30 Jahre im Einsatz für Drogenkranke
Gerlinde Mair hat die Arbeit der Drogenhilfe mitgeprägt. Ein harter Job, doch die Menschen lagen ihr immer am Herzen. Zum Abschied hat sie eine Forderung an die Politik
Drogenkonsum, Therapie, Rückfall, Absturz ins soziale Elend. So sieht der Alltag vieler Drogenkranker aus. Gerlinde Mair hat ihn über Jahrzehnte miterlebt. Auch die Veränderung der Szene. Vor allem das unfassbare Elend, das psychoaktive Substanzen bringen, die gerade den Markt fluten. Trotzdem hat sie sich immer eine große Zuneigung zu den betroffenen Menschen bewahrt. „Manchmal hat man ja auch große Erfolge“, sagt die langjährige Leiterin der Drogenhilfe Schwaben. Vor Kurzem traf sie einen Mann, den sie nicht mehr erkannt hätte. „Er arbeitet jetzt schon lange als Hausmeister, ist ,clean‘ und glücklich“. Er war ihr erster Klient vor Jahrzehnten bei der Drogenhilfe.
Trotzdem sei es ein harter Job, so Mair, die vor kurzem 64 Jahre alt geworden ist. Viel Zeit zum Feiern blieb nicht. Noch muss sie vieles in der Drogenhilfe erledigen. 26 Jahre lang hat sie dort gearbeitet, 23 Jahre war sie die Chefin. Sie muss noch Gespräche mit den 54 Mitarbeitern führen, Unterlagen sortieren und viel mit ihrem Nachfolger Uwe Schmidt absprechen. Ende August ist dann für sie Schluss.
Angst vor einem zu ruhigen Ruhestand plagt die Diplom-Sozialpädagogin nicht. „Ich will reisen“, sagt Gerlinde Mair. Portugal und Kreta stehen demnächst auf ihrer „Route“. Außerdem freut sich der 95-jährige Vater in Aystetten auf häufigere Besuche seiner Tochter. Ebenso die beiden Geschwister.
Ganz bewusst hat sie zu ihrer Verabschiedung nicht nur Mitarbeiter, sondern auch viele ehemalige Klienten eingeladen. Denn Gerlinde Mair kämpft für ihr humanistisches Menschenbild, das heißt, Menschen so zu nehmen, wie sie sind, sie auch in schwierigen Phasen zu begleiten. „Man muss andere Lebensentwürfe akzeptieren“, sagt die Sozialpädagogin und freut sich über die Veränderungen, die die Gesellschaft und ihre Institutionen durchlaufen haben. So der erfolgreiche Kampf um die Einrichtung von Kontaktläden, den Ausbau von niedrigschwelligen Angeboten wie Notschlafstellen oder das Krisentelefon. Aber auch die Prävention an Schulen, die heute selbstverständlich ist.
Das war zu der Zeit, als Mair ihr Studium an der Münchner Hochschule für Sozialwesen begann, noch ganz anders, die Fronten verhärtet. „Ich war in der Studentenbewegung aktiv, wir wollten eine andere Gesellschaft, eine, die mehr Empathie für Schwache empfindet“. Einiges wurde eingelöst. Denn das dürfe man nie vergessen: „Es gibt Menschen, die haben ungünstige Voraussetzungen“. Sie hat viele kennengelernt, als sie in der Katholischen Männerfürsorge in München arbeitete, in der Justizvollzugsanstalt in Aichach und eben seit 1993 in der Drogenhilfe Schwaben. Damals war es ein Verein, inzwischen gehört die Einrichtung als gGmbH zum Verbund der Lehmbau Gruppe Augsburg.
Wie schnell ein Leben kippen kann, hat die 64-Jährige am eigenen Leib erfahren. 2004 wurde bei ihr Krebs diagnostiziert, acht Chemotherapien musste sie erdulden, suchte für sich einen Weg und fand zur Kunst. „Ich habe damals gelernt, mit Holz zu arbeiten, nur für mich“. Für sie eine gute Therapie.
Auch wenn Gerlinde Mair so viel über Drogen und die Varianten
Sie hat sich selbst nie für Drogen interessiert
weiß, der Konsum hat sie nie interessiert. „Ich bin einfach kein Suchttyp“, sagt sie. Daran konnten auch Erzählungen der Klienten nichts ändern, die ihre ersten Erfahrungen in den tollsten Farben schilderten. Sie kennt deren Absturz. Trotzdem hat sie eine Forderung an die Politik.
„Man sollte Cannabis entkriminalisieren, allerdings nicht legalisieren“. Eine Tagesration bei Konsumenten sollte nicht mehr strafbar sein. Den leicht zugänglichen Erwerb für Jedermann lehnt sie allerdings ab. Denn vor allem bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen könne der permanente Konsum zum Problem werden. Und Probleme in Sachen Drogen gebe es bereits genügend.