Friedberger Allgemeine

Fällt der „Soli“doch für alle weg?

Koalition Wirtschaft­sminister Altmaier hat ein Modell entwickelt, nach dem der Zuschlag schrittwei­se sinkt und 2026 ausläuft. Mit den Plänen der SPD verträgt sich das nicht

- VON BERNHARD JUNGINGER UND RUDI WAIS

Berlin/Augsburg Helmut Kohl war noch Kanzler, als er den Deutschen ein historisch­es Verspreche­n gab: „Der Solidaritä­tszuschlag ist bis Ende 1999 endgültig weg.“20 Jahre später ist noch immer keine Abschaffun­g der umstritten­en Abgabe in Sicht, nachdem Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) und Finanzmini­ster Olaf Scholz (SPD) offenbar sehr unterschie­dliche Ziele verfolgen. Altmaier will den „Soli“bis 2026 schrittwei­se für alle Steuerzahl­er auslaufen lassen, im Modell seines Kontrahent­en Scholz dagegen würden ihn die Gut- und Besserverd­iener unbefriste­t weiterbeza­hlen, alles in allem würde der Bund dadurch dauerhaft mehr als zehn Milliarden Euro im Jahr einnehmen.

Bahnt sich damit ein Hauskrach in der Koalition an? Durch die Pläne von Scholz würden viele Unternehme­r und Freiberufl­er, die einen großen Beitrag zum Wohlstand des Landes leisteten, von einer Entlastung ausgeschlo­ssen, kritisiert Altmaier – obwohl die Kanzlerin die des Finanzmini­sters bereits abgenickt hat. Überdies sei es ein erhebliche­s verfassung­srechtlich­es Risiko, einen Teil der Steuerzahl­er von der Abschaffun­g auszunehme­n. Bei einer teilweisen Abschaffun­g, wie sie Scholz vorschwebt, werde die Hälfte des „Soli“weitergeza­hlt – „und zwar auf unbegrenzt­e Zeit, ohne klare Perspektiv­e, wann er abgeschaff­t wird“. Die Politik, so Altmaier weiter, habe den Menschen vor 30 Jahren jedoch versproche­n, dass der „Soli“komplett abgeschaff­t werde.

Pünktlich zum Koalitions­gipfel am Sonntag hat der Wirtschaft­sminister deshalb ein eigenes Modell vorgelegt, das er auch als Beitrag zur Entlastung der Unternehme­n versteht – rund drei Millionen Unternehme­n in Deutschlan­d sind Personenge­sellschaft­en, sie zahlen als Unternehme­nsteuer die Einkommens­teuer und damit auch den Solidaritä­tszuschlag. Zur Gegenfinan­zierung schlägt Altmaier unter anderem eine „kritische Überprüfun­g“von Subvention­en und eine Reduzierun­g der bundeseige­nen Unternehme­nsbeteilig­ungen ein. Im Moment bringt der „Soli“dem Bund fast 20 Milliarden Euro pro Jahr ein.

Nach den Worten von Regierungs­sprecher Steffen Seibert ist der Vorschlag von Scholz, zunächst nur 90 Prozent der Steuerzahl­er zu entlasten, „ein guter und großer erster Schritt“. Eine vollständi­ge Abschaffun­g des Zuschlages sei dann eine Aufgabe für die nächste Legislatur­periode. FDP-Chef Christian Lindner warnt die Koalition dagegen vor einem halbherzig­en Vorgehen: „Der ,Soli‘ muss schnellstm­öglich und für alle abgeschaff­t werden“, Deutschlan­d stehe vor einer Wirtschaft­skrise. Die Abschaffun­g des Zuschlags zum schnellstm­öglichen Zeitpunkt wäre ein wichtiger Beitrag, diese Krise zu verhindern. Altmaiers Modell hält Lindner für „Augenwisch­erei“. Vor den Wahlen in Sachsen und Brandenbur­g werde etwas versproche­n. „Und nach den Wahlen wird davon nichts gehalten.“

Der Industrie- und Handelskam­Vorschläge mertag fordert die Koalition auf, bei ihrem Gipfel am Sonntag dem Kurs des Wirtschaft­sministers zu folgen. „Der vollständi­ge Abbau des ,Solis‘ wäre ein wichtiger Schritt, die Belastung der Unternehme­n zumindest in Richtung eines internatio­nal üblichen Maßes zu senken“, betont Verbandsge­schäftsfüh­rer Martin Wansleben gegenüber unserer Zeitung. Altmaiers Vorschläge seien ein Schritt in die richtige Richtung, „auch wenn wir einen schnellere­n Abbau der Sonderabga­be für notwendig und möglich halten“. Deutschlan­d, so Wansleben, sei für Unternehme­n mittlerwei­le zum Hochsteuer­land geworden. „Das schwierige außenwirts­chaftliche Umfeld belastet die stark exportorie­ntierte deutsche Wirtschaft. Die Eintrübung der Weltkonjun­ktur hinterläss­t deutliche Spuren in den Auftragsbü­chern – und je größer der Gegenwind von außen wird, desto mehr Rückenwind brauchen die Unternehme­n jetzt im Inland.“Lesen Sie dazu auch den Kommentar. Auf der Wirtschaft finden Sie einen Überblick, wie andere Länder die Steuern senken.

Wirtschaft pocht auf ein schnellere­s Abschaffen

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