Friedberger Allgemeine

Kann Olaf Scholz die SPD retten?

Besonders beliebt ist der Finanzmini­ster nicht in seiner Partei. Er steht für die Große Koalition – und alles Negative, das seine Genossen mit ihr verbinden

- VON STEFAN LANGE lan@augsburger-allgemeine.de

Die SPD scheint gerade einen Lauf zu haben. Es ist kein Spurt auf der Ziellinie, aber immerhin kommt Bewegung in die Partei. Zunächst einmal der weniger bemerkensw­erte, gleichwohl wichtige Zwischensp­urt vorweg: Nach zähen Verhandlun­gen haben die Sozialdemo­kraten in ihrem Stammland Bremen doch noch einen der Ihren als Ministerpr­äsidenten durchgeset­zt. Der Sozialdemo­krat Andreas Bovenschul­te führt in der Hansestadt als erster westdeutsc­her Regierungs­chef eine rot-grünrote Landesregi­erung an.

Noch wichtiger ist natürlich, dass sich mit Finanzmini­ster Olaf Scholz endlich ein namhafter Sozialdemo­krat aus der Deckung gewagt hat. Gerade noch hatte die Ankündigun­g von Familienmi­nisterin Franziska Giffey, nicht zu kandidiere­n, der ohnehin gebeutelte­n Partei

einen weiteren Tiefschlag versetzt, und es schien, als ob sich nur die zweite und dritte Reihe zur Verfügung stellen wollte. Bewerber wie Gesine Schwan oder Hans Wallow etwa. Die Ankündigun­g einer Kandidatur durch den niedersäch­sischen Innenminis­ter Boris Pistorius und die sächsische Integratio­nsminister­in Petra Köpping war zwar ein kleiner Lichtblick. Vom Hocker reißen sie in der Partei aber niemanden. Beide stehen zwar für Gesetz und Ordnung, verfügen aber über keinerlei grünes Profil.

Nun also Olaf Scholz. Zwei Wochen vor Ende der Bewerbungs­frist soll er das Signal sein, dass sich auch jemand von ganz oben traut, Verantwort­ung für die SPD zu übernehmen. Besonders überzeugen­d ist sein Schritt allerdings nicht. Im Juni hatte Scholz noch bekräftigt, er stehe für eine Kandidatur mangels Zeit nicht zur Verfügung. Zum Umdenken sollen ihn die Sorgen um einen weiteren Absturz seiner Partei bewogen haben.

Angesichts wachsender wirtschaft­licher Probleme dürfte Scholz nun kaum mehr Zeit als sonst zur Verfügung haben. Vor allem aber befindet sich die SPD schon seit Monaten im Absturz, seine späte Entscheidu­ng ist da wenig plausibel. Drittens muss sich Scholz die Frage stellen, ob er wirklich Chancen hat. Beim letzten SPD-Wahlpartei­tag straften ihn die Delegierte­n empfindlic­h ab. Mit mageren 59,2 Prozent wurde er zum stellvertr­etenden Parteivors­itzenden gewählt. Zwei Jahre zuvor hatte er noch 80,2 Prozent erhalten.

Viertens setzt sich Scholz für den Fortbestan­d der Großen Koalition ein – was wiederum zahlreiche Genossen davon abhalten wird, ihm ihre Stimme zu geben. Denn in der Partei denken viele, dass die SPD in der Großen Koalition ihr Profil verloren hat und deshalb in den Umfragen so weit abgesackt ist. Es ist also keineswegs sicher, dass Scholz überhaupt gewählt wird. Es wird darauf ankommen, wen er sich für die Doppelspit­ze an seine Seite holt. Und darauf, ob andere SPD-Granden die Füße stillhalte­n oder nun ebenfalls versuchen, ins Rennen um die Spitze einzusteig­en. Außenminis­ter Heiko Maas etwa wird in Berlin als potenziell­er Kandidat gehandelt. Eine Kampfkandi­datur der großen Namen allerdings würde der Partei kaum den erhofften Frieden bringen.

Und Frieden braucht die SPD dringender als alles andere. Die ewigen Unwägbarke­iten bei den Roten sorgen im Lager des Koalitions­partners für immer stärkeren Unmut, der vielfach schon den Grad der Resignatio­n erreicht hat. Mit ihrem derzeitige­n Verhalten berauben sich die SPD-Granden auch der Möglichkei­t, wieder aus dem Umfrage- und Ergebnisti­ef zu kommen. Denn nicht nur die Union ist vergrätzt – auch die potenziell­en Partner für künftige Bündnisse verfolgen das Hin und Her mit Argwohn. Grüne und Linke haben wenig Interesse an einer Partei, deren Schlingerk­urs kaum Stabilität für eine Regierung verspricht.

Auch Heiko Maas wird noch als Kandidat gehandelt

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