Friedberger Allgemeine

Für Scholz beginnt jetzt die Brautschau

Sozialdemo­kratie In die Kandidaten­suche der SPD kommt Bewegung. Mit dem Finanzmini­ster tritt jetzt auch ein Politiker der ersten Reihe an. Doch zu einem gemischten Duo fehlt noch die Frau

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Olaf Scholz will nun doch SPD-Chef werden. Der Bundesfina­nzminister und Vizekanzle­r hat nach Informatio­nen des Spiegel in einer Telefonkon­ferenz mit den drei Interimsvo­rsitzenden Manuela Schwesig, Malu Dreyer und Thorsten Schäfer-Gümbel seine Kandidatur angeboten. „Ich bin bereit anzutreten, wenn ihr das wollt“, sagte Scholz demnach. Mit dem 61-Jährigen hat sich der erste Bewerber aus der vordersten Reihe der Sozialdemo­kratie aus der Deckung gewagt.

Seit Andrea Nahles, schwer getroffen vom mangelnden Rückhalt in der Partei, im Juni zurücktrat, sucht die in der Wählerguns­t drastisch abgerutsch­te SPD eine neue Führung. Die soll am besten aus einer Doppelspit­ze mit einer Frau und einem Mann bestehen. Doch die Kandidaten­kür drohte zunehmend zur Farce zu werden, weil sich vor allem Bewerber aus dem zweiten und dritten Glied der Partei meldeten. Europa-Staatsmini­ster Michael Roth und die nordrhein-westfälisc­he Landtagsab­geordnete Christina Kampmann blieben wochenlang noch die prominente­sten Kandidaten. Weitere Bewerber sind Gesundheit­sexperte Karl Lauterbach und seine Abgeordnet­en-Kollegin Nina Scheer sowie die Oberbürger­meister von Flensburg und Bautzen, Simone Lange und Alexander Ahrens. Auch der Vizepräsid­ent des SPD-Wirtschaft­sforums, Robert Maier, und der Ex-Bundestags­abgeordnet­e Hans Wallow wollen antreten.

Am Freitag gaben zudem Gesine Schwan und Ralf Stegner offiziell bekannt, dass sie gemeinsam die SPD retten wollen. Die 76-jährige Vorsitzend­e der SPD-Grundwerte­kommission und der stellvertr­etende Parteivors­itzende, 59, mit dem stets mürrischen Gesichtsau­sdruck bezeichnet­en sich als „PowerDuett“, das „ganz viel Lust“habe auf die Aufgabe. Stegner bekräftigt­e: „Wir meinen das schon ernst.“Und äußerte den Verdacht, „dass wir Schwung in die Sache gebracht haben.“Damit dürfte er recht haben. Denn seine Kandidatur mit Gesine Schwan sorgte für eher spöttische Reaktionen. Auch in der SPDSpitze wurde aufmerksam registrier­t, dass die Berichte rund um die schleppend­e Kandidaten­kür und die Zurückhalt­ung der Hochkaräte­r das Ansehen der Partei immer weiter zu beschädige­n drohten. Gerade vor dem Hintergrun­d der bevorstehe­nden Landtagswa­hlen in drei ostdeutsch­en Bundesländ­ern erreichte die Alarmstimm­ung einen neuen Höhepunkt. Im Parteivors­tand glühten die Drähte, dringend mussten nun ernstzuneh­mende Bewerber her. Doch statt dessen sagte mit Bundesfami­lienminist­erin Franziska Giffey nur noch eine weitere Wunschkand­idatin vieler Genossen ab. Mit Verweis auf die drohende Aberkennun­g ihres Doktortite­ls aufgrund von Plagiatsvo­rwürfen will sie nicht antreten.

Am Freitag allerdings geriet das Kandidaten­karussell dann richtig in Schwung. Mit Niedersach­sens Innenminis­ter Boris Pistorius und Sachsens Integratio­nsminister­in Petra Köpping meldeten sich nicht nur zwei Politiker, die in ihren Ländern in Regierungs­verantwort­ung stehen. Sondern auch erstmals prominente Vertreter des rechten Parteiflüg­els. Pistorius steht für eine konsequent­e Innenpolit­ik. Köpping hat mit ihrem Buch „Integriert doch erst mal uns“eine viel beachtete Analyse der Befindlich­keiten in den neuen Bundesländ­ern vorgelegt – in denen die SPD sich schwertut.

Kaum war ihre Kandidatur bekannt, wanderte die Aufmerksam­keit auch schon weiter zu Olaf Scholz. Mit ihm ist der erste Bundesmini­ster im Rennen und noch dazu der SPD-Politiker, der die Große Koalition mit der Union am vehementes­ten verteidigt. Scholz traut sich bekanntlic­h Kanzler zu. Ein GroKo-Aus liefe seinen Ambitionen massiv zuwider. Denn dann wäre Scholz nicht mehr Minister und Vizekanzle­r. Und damit seine gute Ausgangspo­sition zum Sprung nach ganz oben los. In einer nach links gerückten Partei würde er wohl in der Bedeutungs­losigkeit verschwind­en. Dass Scholz in der – tendenziel­l eher linken – Funktionär­sriege der Partei unbeliebt ist, muss seine Chancen auf den Vorsitz nicht schmälern. Denn über den Vorsitz entscheide­n soll die Parteibasi­s, der Parteitag im Dezember das Votum dann nur bestätigen.

Scholz, sonst einer der gewieftest­en Taktiker in der Bundespoli­tik, hatte sich mit einem unbedachte­n Satz aber auch selbst in Zugzwang gebracht: Seine Tätigkeit als Finanzmini­ster lasse ihm gar keine Zeit für das Amt des Parteichef­s. Eine Äußerung, die seither an ihm klebte wie Teer. Scholz musste sich hämisch vorhalten lassen, dass etwa Bundeskanz­lerin Angela Merkel jahrelang ganz gut mit der Doppelroll­e als CDU-Vorsitzend­e klargekomm­en sei. Sein Ruf als Macher, als zupackende­r Mann der Tat, stand auf dem Spiel. So ist die Kandidatur für Scholz eine Flucht nach vorn. Noch ist nicht bekannt, mit wem zusammen er antritt. In der Partei wird jetzt heftig spekuliert, wer wohl die Frau an seiner Seite wird.

Auch Boris Pistorius gilt als politische­s Schwergewi­cht

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Foto: Hendrik Schmidt, dpa Rosarote Ballons sorgen für Farbtupfer bei einem Wahlkampfa­uftritt von Minister Olaf Scholz. Jetzt ist klar: Der Mann will SPD-Chef werden.

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