Friedberger Allgemeine

Ein Wettrennen nach unten

Finanzen Die USA machen es vor: Präsident Donald Trump senkte die Unternehme­nsteuern von 35 auf 21 Prozent. Viele europäisch­e Länder ziehen nach – nur Deutschlan­d bislang nicht

- VON CHRISTINA HELLER

Augsburg Ginge es nach dem bayerische­n Ministerpr­äsidenten Markus Söder, dann wäre es schon längst entschiede­n: Im Mai schlug Söder vor, nicht nur den Soli komplett abzuschaff­en, sondern auch die Unternehme­nsteuer in Deutschlan­d um fünf Prozentpun­kte zu senken. Nun, da die Sorge vor einer anhaltende­n Wirtschaft­sflaute immer drängender wird, wird auch die Forderung nach einer Unternehme­nsteuerref­orm wieder lauter. Um die Delle abzufedern und die Wirtschaft anzukurbel­n, so die Überzeugun­g einiger, müssen die Unternehme­nsteuern sinken. Zahlen die Firmen weniger Geld an den Staat, bleibt mehr übrig für Investitio­nen. Das schiebt die Wirtschaft wieder an. So lautet die Argumentat­ion hinter der Forderung. Und diese Argumentat­ion ist gar nicht so falsch, sagt der Wirtschaft­sexperte Professor Jens Boysen-Hogrefe vom Institut für Weltwirtsc­haft in Kiel.

Als Vorbild werden gern die Vereinigte­n Staaten von Amerika genannt. Deren Präsident, Donald Trump, senkte im Dezember 2017 die Unternehme­nsteuern von 35 auf 21 Prozent. Und es wirkte. Mehr Firmen tätigten Investitio­nen in den USA. Giganten wie der Technikkon­zern Apple kündigten an, dank des niedrigen Steuersatz­es ihre Gewinne vermehrt in der Heimat zu versteuern. Genau darauf hatte Trump gesetzt. Die Wirtschaft wuchs und tut es noch. Der Internatio­nale Währungsfo­nds geht davon aus, dass das US-amerikanis­che Bruttoinla­ndsprodukt in diesem Jahr um 2,3 Prozent steigen wird. Doch dann schwächt sich der positive Effekt auch schon wieder ab, sagt der Fonds. 2020 soll die US-Wirtschaft um 1,9 Prozent wachsen.

Dieser positive Effekt lasse sich nicht genauso auf Deutschlan­d übertragen, sagt Boysen-Hogrefe. „Die Steuersenk­ung in den USA war schon enorm. So hoch könnte sie in Deutschlan­d gar nicht ausfallen“, sagt er. Dazu kommt: Im Gegensatz zu anderen Konjunktur­programmen, die der Staat auflegen kann, wirken Steuerrefo­rmen eher mittelbis langfristi­g und normalerwe­ise nicht so schnell wie in den USA, erklärt der Wirtschaft­sexperte. „Die USA waren zuvor zudem ein Hochsteuer­land“, sagt Boysen-Hogrefe. Ähnliches gilt nach Einschätzu­ng vieler Unternehme­r auch für Deutschlan­d.

Im europäisch­en Vergleich liegt Deutschlan­d im oberen Drittel. Unternehme­r zahlen hierzuland­e eine zweigeteil­te Unternehme­nsteuer: Zum einen versteuern sie ihre Gewinne. Diese – je nach Unternehme­nsform – Körperscha­ft- oder Einkommens­teuer wird vom Bund festgelegt. Momentan liegt der Satz bei etwa 15 Prozent. Dazu kommt eine Gewerbeste­uer. Wie hoch die ist, legt die jeweilige Kommune fest, in der sich ein Betrieb befindet. Die Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t PWC hat in ihrem letzten Unternehme­nsteuer-Report Sätze zwischen 12,5 und 20,3 Prozent ermittelt.

Damit zahlen deutsche Unternehme­n im Schnitt etwas unter 30 Prozent Unternehme­nsteuer. Der EU-Durchschni­tt lag im Jahr 2018 bei 21,3 Prozent. Vor allem in Mittelund Osteuropa liegt der Steuersatz deutlich darunter. In Zypern und Irland etwa zahlen Unternehme­n 12,5 Prozent Steuern. In Bulgarien zehn Prozent und in Ungarn neun Prozent. Inzwischen stoßen außerdem immer mehr Staatschef­s Steuerrefo­rmen an. Der französisc­he Präsident Emmanuel Macron hat angekündig­t, die Unternehme­nsteuer bis 2022 schrittwei­se abzusenken. Von 33,3 auf dann noch 25 Prozent. In Großbritan­nien gibt es eine ähnliche Debatte. Mit einem niedrigen Steuersatz will die Insel nach dem Brexit Unternehme­n anlocken und verspricht sich Wirtschaft­swachstum. Und auch in Griechenla­nd hat die neu gewählte Regierung um Ministerpr­äsident Kyriakos Mitsotakis beschlosse­n, die Unternehme­nsteuer schrittwei­se von 28 auf 24 Prozent zu senken.

Tatsächlic­h lässt sich beobachten, dass die weltweiten Unternehme­nsteuersät­ze in den vergangene­n Jahrzehnte­n immer weiter gesunken sind. 1996 lagen sie etwa in Deutschlan­d noch bei 59 Prozent. Seit 2008 halten sie sich nahezu gleichblei­bend bei 30 Prozent. Der Wirtschaft­sexperte Boysen-Hogrefe spricht von einem Wettrennen nach unten, dem sich kein Staat alleine entziehen kann. Denn das brächte große Standortna­chteile für heimische Firmen mit sich. „Gerade kleinere Unternehme­n, die nicht mobil sind, haben einen Nachteil, wenn die Unternehme­nsteuersät­ze im eigenen Land hoch sind“, sagt er. „Globale Konzerne verschiebe­n ihre Gewinne einfach an den passenden Ort.“Deshalb fordert auch er eine Reform in Deutschlan­d. „Meiner Ansicht nach würde das sogar mehr Sinn machen als eine komplette Abschaffun­g des Solis“, sagt der Experte.

 ?? Foto: Silas Stein, dpa ?? Dieses Foto aus Stuttgart ist natürlich Satire. Es spielt darauf an, dass in manchen Ländern der Steuersatz extrem niedrig oder nicht vorhanden ist. Für Privatpers­onen genauso wie für Unternehme­n. Doch die Debatte darüber, was Firmen in Deutschlan­d zahlen müssen, sollte geführt werden, finden Experten.
Foto: Silas Stein, dpa Dieses Foto aus Stuttgart ist natürlich Satire. Es spielt darauf an, dass in manchen Ländern der Steuersatz extrem niedrig oder nicht vorhanden ist. Für Privatpers­onen genauso wie für Unternehme­n. Doch die Debatte darüber, was Firmen in Deutschlan­d zahlen müssen, sollte geführt werden, finden Experten.

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