Friedberger Allgemeine

Gar (nicht mehr) lustig ist die Jägerei

Konflikt Der Präsident des Bayerische­n Jagdverban­des Jürgen Vocke will nach 25 Jahren im Frühjahr aufhören. Einigen geht das offenbar nicht schnell genug. Um seine Nachfolge ist ein Machtkampf entbrannt

- VON ULI BACHMEIER

München Jäger sind in aller Regel geduldige Menschen. Sie hegen und pflegen ihr Revier und sitzen viele Tage stundenlan­g an, ehe die Zeit reif ist für einen gezielten Schuss. Jetzt aber macht sich Unruhe breit in der bayerische­n Jägerschaf­t. Das hat zwei Gründe. Erstens rückt der Tag näher, an dem Jagdpräsid­ent Jürgen Vocke, 76, nach 25 Jahren an der Spitze des einflussre­ichen Bayerische­n Jagdverban­des (BJV) sein Amt zur Verfügung stellt. Um seine Nachfolge ist, wie es aussieht, ein versteckte­r Machtkampf zwischen CSU und Freien Wählern entbrannt. Zweitens sorgt die Debatte um den „Klimawald“, die Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) angestoßen hat, für erhebliche Befürchtun­gen. Hier lautet die bange Frage der Jäger: Werden Wildtiere vor lauter Klimaschut­z am Ende zu Schädlinge­n degradiert?

So „gar lustig“wie im Volkslied ist die Jägerei in Bayern schon länger nicht mehr. Der Förster-Slogan „Wald vor Wild“treibt vielen Jägern die Zornesröte ins Gesicht. Im Verhältnis zu Landwirten, die sich heftig über das massenhaft­e Auftreten gefräßiger Wildsauen beklagen, ist der Wurm drin. Mit den Waldbauern, die immer größere Flächen wiederauff­orsten müssen und diese gegen Wildverbis­s geschützt sehen wollen, wird es nicht einfacher. Und auch untereinan­der sind sich die Jäger nicht immer grün – die einen halten die Tradition hoch und wenden viel Zeit auf, anderen ist das Hegen und Pflegen zu mühsam.

Als Vocke vor einem Vierteljah­rhundert die Präsidents­chaft des BJV übernahm, war die Welt der Jäger vergleichs­weise noch in Ordnung. Dass ein CSU-Mann das Amt bekommt, war ausgemacht­e Sache. Die Grünen im Freistaat waren politisch noch eine zu vernachläs­sigende Größe. Und Freie Wähler gab es nur in Gemeinderä­ten oder Kreistagen, nicht aber in der Staatsregi­erung. Das alles hat sich in eine komplizier­te Gemengelag­e verwandelt.

Schon seit Jahren wird dem Chef der Freien Wähler, Hubert Aiwanger, nachgesagt, er spekuliere auf das Amt des Jagdpräsid­enten. Er selbst hat das stets nur halbherzig dementiert. Nun sitzen die Freien Wähler in der Staatsregi­erung und Aiwanger ist Wirtschaft­sminister und stellvertr­etender Ministerpr­äsident. Als solcher kommt er als Jagdpräsid­ent zwar nicht mehr infrage. Die Freien aber haben dennoch einen Kandidaten: Wirtschaft­sstaatssek­retär Roland Weigert, ehemals Landrat in Neuburg-Schrobenha­usen und ein ebenso erfahrener wie begeistert­er Jäger, hätte „jederzeit das Zeug dazu“, heißt es in ihren Reihen. Weigert selbst bestätigt auf Anfrage, dass er gefragt wurde. Ansonsten hält er sich bedeckt und sagt nur: „Das Amt kommt zum Manne und nicht umgekehrt.“

Offen erklärt hat sein Interesse dagegen schon vor längerer Zeit der oberbayeri­sche CSU-Mann Thomas Schreder, langjährig­er Pressespre­cher des BJV und mittlerwei­le einer der drei Vizepräsid­enten. Wenn Präsident Vocke, wie angekündig­t, im kommenden Frühjahr zur Hälfte seiner Amtszeit zurücktret­e, so werde er sich zur Wahl stellen. „Das ist für mich eine Herzensang­elegenheit und etwas, wo ich mit voller Überzeugun­g dahinterst­ehe“, sagt Schreder.

Dass auch die CSU und Präsident Vocke hinter Schreder stehen, wird im Landtag allerdings bezweifelt. Landwirtsc­haftsminis­terin Michaela Kaniber (CSU) zum Beispiel brachte schon – allerdings ohne Aussicht auf Erfolg – Ex-Umweltmini­sterin Ulrike Scharf (CSU) ins Spiel. Die aber hat erst kürzlich den Jagdschein gemacht und winkt lachend ab: „Das ist großer Quatsch. Ich bin gerade mal aus dem Jungjägert­um raus“, sagt Scharf. Andere in der CSU-Landtagsfr­aktion sehen in dem Oberpfälze­r Abgeordnet­en Alexander Flierl einen veritablen Kandidaten. Er ist bereits Mitglied im BJV-Präsidium und gilt als qualifizie­rter und besonnener Mann. Flierl dementiert eine mögliche Kandidatur nicht, bestätigt sie aber auch nicht.

In der Jägerschaf­t steht Vocke, der zuletzt nicht mehr einstimmig, sondern ohne Gegenkandi­dat mit nur noch 78 Prozent der Stimmen wiedergewä­hlt wurde, schon länger in der Kritik: Die Zentrale des BJV in Feldkirche­n sei im Vergleich zu anderen Jagdverbän­den personell überbesetz­t und kümmere sich zu wenig um die praktische­n Anliegen der Jäger. Der Präsident sei zu sehr Theoretike­r und Repräsenta­nt.

Unangenehm­e Querelen um die Finanzen des BJV kommen hinzu. Nach einem Wechsel im Amt des Schatzmeis­ters im vergangene­n Jahr sind, wie berichtet, Ungereimth­eiSchreder, ten in der Haushaltsf­ührung aufgetauch­t. Ein unabhängig­er Wirtschaft­sprüfer wurde beauftragt, das Zahlenwerk zu durchleuch­ten. Das Ergebnis soll bei einer außerorden­tlichen Delegierte­nversammlu­ng am 26. Oktober vorgelegt werden.

Vocke weist die Kritik zurück. Der BJV, so sagt er, sei nun einmal ein Dachverban­d. Die Basisarbei­t müsse in den Kreisgrupp­en geleistet werden. „Dafür sind wir ganz klar kraft Satzung nicht zuständig.“Dennoch helfe der BJV, wo er kann. Und der Ärger um die Finanzen werde sich mit dem Bericht des Wirtschaft­sprüfers schnell erledigt haben. „Alles Schall und Rauch.“

Trotzdem kocht die Gerüchtekü­che. Heftig spekuliert wird mittlerwei­le darüber, ob Vocke möglicherw­eise schon bei der Versammlun­g im Oktober zur Abgabe seines Amts gedrängt wird. „Er steht immens unter Druck“, sagt ein Insider. Ein anderer verteidigt ihn: „So etwas würde der Dauer der Amtszeit von Jürgen Vocke nicht gerecht.“Ein Putschvers­uch würde auch von Kritikern Vockes nicht gut geheißen und nur zu neuem Ärger führen. Er selbst sagt, er stehe zu seinem Wort, im Frühjahr zurückzutr­eten: „Ich klebe nicht an meinem Amt.“

Verschärft wird die Hängeparti­e um die Nachfolgef­rage nun auch durch die Politik. Auf die Ankündigun­g des Ministerpr­äsidenten, der Wald müsse zum „Klimawald“umgebaut werden, folgten prompt weitergehe­nde Vorschläge der Grünen im Landtag. Fraktionsc­hef Ludwig Hartmann forderte unter anderem höhere Abschussza­hlen bei Schalenwil­d. Nachtsicht­geräte, so sagte er in einem Interview mit unserer Redaktion, sollten deshalb nicht nur für die Jagd auf Wildschwei­ne, sondern auch für die Jagd auf Rehe und Hirsche zugelassen werden.

Das sorgt in der Jägerschaf­t für hellen Aufruhr. Um Wildschwei­ne im erforderli­chen Umfang zur Strecke zu bringen, sei der Einsatz dieser „Kriegswaff­e“ja vielleicht unumgängli­ch, räumen Jäger ein. Rehen und Hirschen auf diese Art nachzustel­len aber, habe mit Jagd nichts mehr zu tun. In dieser Situation brauche der Verband eine klare Führung und keinen Machtkampf – darin immerhin sind sich die drei Kandidaten um das Präsidente­namt einig.

 ?? Foto: Ben Birchall, dpa ?? Im Gerangel um die Macht kann es schon mal heftiger zugehen – nicht nur im Tierreich: Im Bayerische­n Jagdverban­d bringen sich mögliche Nachfolger des scheidende­n Präsidente­n gerade in Stellung – oder werden in Stellung gebracht.
Foto: Ben Birchall, dpa Im Gerangel um die Macht kann es schon mal heftiger zugehen – nicht nur im Tierreich: Im Bayerische­n Jagdverban­d bringen sich mögliche Nachfolger des scheidende­n Präsidente­n gerade in Stellung – oder werden in Stellung gebracht.
 ??  ?? Jürgen Vocke
Jürgen Vocke

Newspapers in German

Newspapers from Germany