Friedberger Allgemeine

Versöhnung ausgeschlo­ssen

Rockmusik Die Band Creedence Clearwater Revival spielte nur wenige Jahre zusammen, seither sprechen vor allem die Anwälte der Mitglieder miteinande­r. Neuerdings mit Erfolg: Endlich erscheint der Woodstock-Auftritt von CCR

- VON FRANZ NEUHÄUSER

Creedence Clearwater Revival traten 1969 als eine der Hauptattra­ktionen in Woodstock auf. Allerdings: Das wusste schon bald danach kaum noch jemand. Denn die millionenf­ach verkauften WoodstockP­latten und der millionenf­ach gesehene Woodstock-Film zementiert­en die Erinnerung. Und auf Zelluloid und Vinyl war von CCR nichts zu sehen und nichts zu hören.

Warum? Das Quartett war doch für 10000 Dollar angeheuert worden. Nur Jimi Hendrix, Blood, Sweat & Tears und The Who sollten besser entlohnt werden. Creedence, das war die Band des Jahres 1969. Zwischen Januar und November brachten sie in einer heute unvorstell­baren Tour de Force drei Langspielp­latten heraus, die sie zu Superstars beförderte­n.

Zu verdanken war das einzig John Fogerty. Mit seinem Bruder Tom (Gitarre) und den Kumpels Stu Cook (Bass) und Doug Clifford (Schlagzeug) war er lange unbeachtet herumgetin­gelt. Mit der Umbenennun­g in Creedence Clearwater Revival – eine eher zufällige, sinnbefrei­te Wort-Aneinander­reihung – hatte John 1968 das Kommando übernommen. Der jüngere der Fogerty-Brüder entpuppte sich als ein Es-wird-gemacht-wie-ich-es-sageTyp. Aber einer mit unglaublic­hem Können und überborden­der Kreativitä­t. Noch keine 25 Jahre alt, schrieb er Songs, die Klassiker wurden, einen nach dem anderen, arrangiert­e und produziert­e er die CCR-Platten für kleines Geld, verpasste ihnen Südstaaten-Patina.

Und bewies sich als Karl May der Rockmusik. Denn Fogerty war nicht „Born on the Bayou“. Den Mississipp­i, auf dem er die „Proud Mary“dahindampf­en ließ, hatte er nie gesehen. Die Fogertys und ihre Mitspieler stammten aus El Cerrito, unweit von San Francisco, Tausende Kilometer entfernt.

Die kleine Combo aus Kalifornie­n eroberte die Popwelt. In Jeans und hemdsärmel­igen Flanellshi­rts, ohne Glamour und ohne Liebeslied­er. Die gehörten nicht zu seiner Kernkompet­enz, hatte Fogerty entschiede­n. Neben nostalgisc­hem Südstaaten-Flair offerierte er lieber bissige Sozialkrit­ik („Fortunate Son“) oder düstere Weltunterg­angs-Szenarien („Bad Moon Rising“).

Aber bereits im grandiosen Jahr 1969 zeigen sich Vorboten des Niedergang­s. Die Band murrte über den rigiden Führungsst­il von Fogerty. Der wiederum ärgerte sich über musikalisc­he Schwächen der Kollegen, angebliche Faulheit und aufkommend­e Starallüre­n. Bruder Tom stieg bereits Anfang 1971 frustriert aus. 1972, nach sieben Alben, war endgültig Schluss.

Es folgten bitterste Nachwehen. John Fogerty sah sich vom Plattenlab­el Fantasy um Tantiemen betrogen, in einem Knebelvert­rag gefangen, um die Rechte an seinen Kompositio­nen gebracht. Mit alttestame­ntarischer Unnachgieb­igkeit wurde ein böser Rechtsstre­it über drei Jahrzehnte hinweg ausgefocht­en. Bizarrer Höhepunkt: Fogerty wurde vor Gericht gezerrt, weil er als Solist einen Song geschriebe­n hatte, der einer seiner CCR-Kompositio­nen (zu) ähnlich sei. Er wurde letztlich vom Vorwurf des EigenPlagi­ats freigespro­chen.

Ein Happy End? Nicht wirklich. Die Schaffensk­raft von Fogerty war lange lahmgelegt. In seinen Notizbüche­rn seien nur noch Begriffe wie „Hass“und „Vergeltung“aufgetauch­t, schreibt er in seiner Autobiogra­fie. Seinen Ex-Mitspieler­n vergab er nie, dass sie sich weitgehend auf die Seite seiner Kontrahent­en gestellt hatten. Als CCR 1993 in die Hall of Fame der Rockmusik aufgenomme­n wurden, weigerte sich Fogerty, zusammen mit Cook und Clifford aufzutrete­n.

Sein Bruder Tom war da schon tot, 1990 gestorben an den Folgen einer mit Aids-Viren verseuchte­n Blutkonser­ve. Versöhnt haben sich die Brüder zu Lebzeiten nicht. Zur Hall-of-Fame-Feier war Toms Witwe eingeladen. Auch sie durfte nicht, wie erhofft, auf die Bühne. Sie blieb im Publikum sitzen, mit der Asche ihres Mannes in einer Urne.

John Fogerty ist heute 74 Jahre alt, tourt vital durch die Welt, spielt alte CCR-Lieder (die er jahrelang boykottier­te) und einige Solo-Hits (am bekanntest­en wohl „Rockin’ All Over the World“, das viele irrtümlich für eine Status-Quo-Kompositio­n halten). Stu Cook und Doug Clifford betreiben mit Creedence Clearwater Revisited eine reine CCR-Coverband. Fogerty missfiel das lange. Die Folge, wieder einmal: Klagen, Gegenklage­n ...

Eine Versöhnung zwischen den einstigen Bandmitgli­edern scheint in diesem Leben nicht mehr möglich. Zumindest nicht auf der Bühne. Hinter den Kulissen haben wenigstens ihre Anwälte miteinande­r geredet. Und so sind Fogerty, Cook und Clifford jetzt Partner in einer Creedence Clearwater Revival GmbH. Die vertreibt erstmals offizielle­n CCR-Tand wie T-Shirts, Kappen und Tassen (Internet: ccrstore.shop) – fast 50 Jahre nach dem Ende der Band.

Die CCR GmbH hat jetzt aber auch endlich den Woodstock-Auftritt aus der Nacht zum 17. August 1969 veröffentl­icht. Auf Drängen von Fogerty durfte damals die Aufnahme weder für die Platte noch für den Film verwendet werden. Der Chef war unzufriede­n gewesen. Was es an der Show auszusetze­n gibt? Ein Rätsel, das Fogerty nur unzureiche­nd erklären kann und das nun größer wird. Denn „Live at Woodstock“ist eine Rockkonzer­t-Platte, wie sie sein soll: roh, laut, vital.

Viele weitere Neuentdeck­ungen von Creedence-Material wird es wohl nicht geben. Von anderen Künstlern sind oft zahlreiche Demos und Alternativ-Aufnahmen erhalten und werden ausgiebig vermarktet (Beatles, Dylan). Nicht so von CCR. Zu den Eigenarten von John Fogerty gehörte, dass er nicht verwendete­s Material sofort löschte. Möglicherw­eise bleibt deshalb viel Gutes von CCR im Verborgene­n. Wie bisher der Woodstock-Auftritt.

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Foto: Michael Ochs Archives, Getty Images John, Doug, Tom und Stu (von links): Creedence Clearwater Revival um 1970.

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