Versöhnung ausgeschlossen
Rockmusik Die Band Creedence Clearwater Revival spielte nur wenige Jahre zusammen, seither sprechen vor allem die Anwälte der Mitglieder miteinander. Neuerdings mit Erfolg: Endlich erscheint der Woodstock-Auftritt von CCR
Creedence Clearwater Revival traten 1969 als eine der Hauptattraktionen in Woodstock auf. Allerdings: Das wusste schon bald danach kaum noch jemand. Denn die millionenfach verkauften WoodstockPlatten und der millionenfach gesehene Woodstock-Film zementierten die Erinnerung. Und auf Zelluloid und Vinyl war von CCR nichts zu sehen und nichts zu hören.
Warum? Das Quartett war doch für 10000 Dollar angeheuert worden. Nur Jimi Hendrix, Blood, Sweat & Tears und The Who sollten besser entlohnt werden. Creedence, das war die Band des Jahres 1969. Zwischen Januar und November brachten sie in einer heute unvorstellbaren Tour de Force drei Langspielplatten heraus, die sie zu Superstars beförderten.
Zu verdanken war das einzig John Fogerty. Mit seinem Bruder Tom (Gitarre) und den Kumpels Stu Cook (Bass) und Doug Clifford (Schlagzeug) war er lange unbeachtet herumgetingelt. Mit der Umbenennung in Creedence Clearwater Revival – eine eher zufällige, sinnbefreite Wort-Aneinanderreihung – hatte John 1968 das Kommando übernommen. Der jüngere der Fogerty-Brüder entpuppte sich als ein Es-wird-gemacht-wie-ich-es-sageTyp. Aber einer mit unglaublichem Können und überbordender Kreativität. Noch keine 25 Jahre alt, schrieb er Songs, die Klassiker wurden, einen nach dem anderen, arrangierte und produzierte er die CCR-Platten für kleines Geld, verpasste ihnen Südstaaten-Patina.
Und bewies sich als Karl May der Rockmusik. Denn Fogerty war nicht „Born on the Bayou“. Den Mississippi, auf dem er die „Proud Mary“dahindampfen ließ, hatte er nie gesehen. Die Fogertys und ihre Mitspieler stammten aus El Cerrito, unweit von San Francisco, Tausende Kilometer entfernt.
Die kleine Combo aus Kalifornien eroberte die Popwelt. In Jeans und hemdsärmeligen Flanellshirts, ohne Glamour und ohne Liebeslieder. Die gehörten nicht zu seiner Kernkompetenz, hatte Fogerty entschieden. Neben nostalgischem Südstaaten-Flair offerierte er lieber bissige Sozialkritik („Fortunate Son“) oder düstere Weltuntergangs-Szenarien („Bad Moon Rising“).
Aber bereits im grandiosen Jahr 1969 zeigen sich Vorboten des Niedergangs. Die Band murrte über den rigiden Führungsstil von Fogerty. Der wiederum ärgerte sich über musikalische Schwächen der Kollegen, angebliche Faulheit und aufkommende Starallüren. Bruder Tom stieg bereits Anfang 1971 frustriert aus. 1972, nach sieben Alben, war endgültig Schluss.
Es folgten bitterste Nachwehen. John Fogerty sah sich vom Plattenlabel Fantasy um Tantiemen betrogen, in einem Knebelvertrag gefangen, um die Rechte an seinen Kompositionen gebracht. Mit alttestamentarischer Unnachgiebigkeit wurde ein böser Rechtsstreit über drei Jahrzehnte hinweg ausgefochten. Bizarrer Höhepunkt: Fogerty wurde vor Gericht gezerrt, weil er als Solist einen Song geschrieben hatte, der einer seiner CCR-Kompositionen (zu) ähnlich sei. Er wurde letztlich vom Vorwurf des EigenPlagiats freigesprochen.
Ein Happy End? Nicht wirklich. Die Schaffenskraft von Fogerty war lange lahmgelegt. In seinen Notizbüchern seien nur noch Begriffe wie „Hass“und „Vergeltung“aufgetaucht, schreibt er in seiner Autobiografie. Seinen Ex-Mitspielern vergab er nie, dass sie sich weitgehend auf die Seite seiner Kontrahenten gestellt hatten. Als CCR 1993 in die Hall of Fame der Rockmusik aufgenommen wurden, weigerte sich Fogerty, zusammen mit Cook und Clifford aufzutreten.
Sein Bruder Tom war da schon tot, 1990 gestorben an den Folgen einer mit Aids-Viren verseuchten Blutkonserve. Versöhnt haben sich die Brüder zu Lebzeiten nicht. Zur Hall-of-Fame-Feier war Toms Witwe eingeladen. Auch sie durfte nicht, wie erhofft, auf die Bühne. Sie blieb im Publikum sitzen, mit der Asche ihres Mannes in einer Urne.
John Fogerty ist heute 74 Jahre alt, tourt vital durch die Welt, spielt alte CCR-Lieder (die er jahrelang boykottierte) und einige Solo-Hits (am bekanntesten wohl „Rockin’ All Over the World“, das viele irrtümlich für eine Status-Quo-Komposition halten). Stu Cook und Doug Clifford betreiben mit Creedence Clearwater Revisited eine reine CCR-Coverband. Fogerty missfiel das lange. Die Folge, wieder einmal: Klagen, Gegenklagen ...
Eine Versöhnung zwischen den einstigen Bandmitgliedern scheint in diesem Leben nicht mehr möglich. Zumindest nicht auf der Bühne. Hinter den Kulissen haben wenigstens ihre Anwälte miteinander geredet. Und so sind Fogerty, Cook und Clifford jetzt Partner in einer Creedence Clearwater Revival GmbH. Die vertreibt erstmals offiziellen CCR-Tand wie T-Shirts, Kappen und Tassen (Internet: ccrstore.shop) – fast 50 Jahre nach dem Ende der Band.
Die CCR GmbH hat jetzt aber auch endlich den Woodstock-Auftritt aus der Nacht zum 17. August 1969 veröffentlicht. Auf Drängen von Fogerty durfte damals die Aufnahme weder für die Platte noch für den Film verwendet werden. Der Chef war unzufrieden gewesen. Was es an der Show auszusetzen gibt? Ein Rätsel, das Fogerty nur unzureichend erklären kann und das nun größer wird. Denn „Live at Woodstock“ist eine Rockkonzert-Platte, wie sie sein soll: roh, laut, vital.
Viele weitere Neuentdeckungen von Creedence-Material wird es wohl nicht geben. Von anderen Künstlern sind oft zahlreiche Demos und Alternativ-Aufnahmen erhalten und werden ausgiebig vermarktet (Beatles, Dylan). Nicht so von CCR. Zu den Eigenarten von John Fogerty gehörte, dass er nicht verwendetes Material sofort löschte. Möglicherweise bleibt deshalb viel Gutes von CCR im Verborgenen. Wie bisher der Woodstock-Auftritt.