Friedberger Allgemeine

Wo die nächsten Erdbeben drohen

Geologie Die Erde steht ständig unter Spannung. Mehrere hundert Mal bebt sie am Tag. Wie ein Experte dies erklärt und was für ihn die größten Risikogebi­ete sind

- VON JOSEF KARG

Potsdam Sie kommen wie aus heiterem Himmel und oft mit einer gewaltigen Zerstörung­skraft. Mehrere hundert Mal bebt die Erde an jedem Tag. Allerdings kommen dabei nicht immer Menschen zu Schaden, geschweige denn sind die Folgen so verheerend wie in der Türkei 1999 mit 20000 Toten. Professor Marco Bohnhoff vom Deutschen Geoforschu­ngszentrum (GFZ) in Potsdam erzählt unserer Redaktion, dass es die Prozesse, die Erdbeben auslösen, seit Jahrmillio­nen gebe. Das seismische Risiko sei auf der Erde ungleich verteilt. Dort allerdings, wo sich die elf großen Erdplatten aufeinande­r zubewegen, steigt die Gefahr.

Eine dieser großen Zonen ist der sogenannte „Pazifische Feuergürte­l“. Er trägt seinen Namen wegen der vielen Vulkane, die an seinem Rand liegen, und erstreckt sich rund um den Pazifische­n Ozean. Bohnhoff zufolge wird das Meer von allen Seiten bedrängt, die Erdplatten ließen den Ozean jährlich um einige Zentimeter schrumpfen. Die Folge: Es gibt dort rundherum regelmäßig Erdbeben. Etwa 90 Prozent aller Beben der Welt schlagen innerhalb dieses Feuerrings zu.

Hier fand auch das schwerste bislang bekannte Erdbeben statt – präzise am 22. Mai 1960 in Chile. Es hatte eine Stärke von 9,5. Fast die gesamte Westküste Südamerika­s sei auch heute hoch gefährdet.

Kaum weniger stark als das in Chile war ein Beben in Alaska 1964 mit der Stärke 9,2. In Erinnerung vieler Menschen wird auch noch das fürchterli­che Seebeben von NordSumatr­a am 26. Dezember 2004 sein. Damals wurde Stärke 9,1 gemessen, und es löste den verheerend­en Tsunami im Indischen Ozean aus, in dessen Folge mehr als 200000 Menschen starben. Auch Seebeben am 11. März 2011 vor der japanische­n Küste gehört in diese Schreckens­reihe. Es führte ebenfalls zu einem Tsunami und zur Nuklearkat­astrophe von Fukushima.

Aber auch an Orten, wo sich die Kontinenta­lplatten aneinander vorbeibewe­gen, steigt das Erdbebenri­siko. „Das ist zum Beispiel im SanAndreas-Graben der Fall, der auch unter dem kalifornis­chen San Francisco verläuft“, erklärt Bohnhoff.

Auch hier würden sich durch die tief in der Erde wirkenden Kräfte Spannungen aufbauen. Denn die Erdplatten verhakten sich ineinandas der – so lange, bis das Gestein bricht und eine der Platten weiter springt. Das kann nach Auskunft des Forschers mehrere Meter weit sein. Die Folge seien schwere Erschütter­ungen, wie zum Beispiel das berühmt gewordene Beben von San Francisco im Jahr 1906, so Bohnhoff. Auch in Kalifornie­n sei ein neues Erdbeben fast schon überfällig.

In Europa sind Griechenla­nd und die Türkei am stärksten durch Beben gefährdet. Hier bewegt sich Afrika auf Eurasien zu. Das führt dazu, dass sich die afrikanisc­he Platte in der Südägäis südlich von Kreta unter Europa schiebt. „Deswegen entstehen hier in unregelmäß­igen Abständen auch große Erdbeben“, sagt Bohnhoff. Diese träten allerdings nur im Abstand von mehreren hundert Jahren auf. Vor allem im Raum Istanbul drohe wieder ein solch heftiges Beben. Auch Italien sei permanent hoch gefährdet. Denn der Stiefel ist von Nord nach Süd entlang des Apennins eine einzige Plattengre­nze. Hier seien die Beben zwar nicht so schwer, doch fänden sie relativ flach unter der Erde statt und könnten darum auch immensen Schaden anrichten, sagt Bohnhoff.

Das schwerste Beben nördlich der Alpen ereignete sich übrigens im Jahr 1356 in der heutigen Schweiz. Es zerstörte große Teile der Stadt Basel. Rund 3000 Menschen starben damals, sogar das Münster stürzte ein. In Deutschlan­d gibt es neben dem Alpenraum und dem Rheingrabe­n noch das Bayerische Vogtland, wo es Bohnhoff zufolge regelmäßig zu Erdbeben kommt. Entlädt sich hier die Spannung in der Erde, wird das von den Bürgern aber in den meisten Fällen nur als leichtes Zittern registrier­t. Dies sei kein Vergleich zur permanente­n Erdbebenge­fahr in Südeuropa.

Aber wie das Beispiel Basel zeigt, ganz risikolos ist es auch hierzuland­e nicht.

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Foto: Gene Blevins/Zuma Wire, dpa Wenn sich die Erde öffnet: Solche Risse bildeten sich auf Autobahnen, als Anfang Juli in Kalifornie­n die Erde heftig bebte.

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