Dresdens starke Frauen
Tatort: Nemesis
„Tatort“-Fans, die auf eine eher bedächtige Erzählweise stehen, dürfen sich freuen. Nach der relativ kurz ausgefallenen Sommerpause und einem Magdeburger „Polizeiruf 110“ermitteln in Dresden Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und ihre neue Kollegin Leonie Winkler (Cornelia Gröschel) im Fall des erschossenen Szene-Gastronomen Joachim Benda. Die Art und Weise, wie das Duo in „Nemesis“miteinander harmoniert, gibt dem Krimi einen sympathisch feministischen Anstrich.
Zumal die beiden schon ziemlich früh die Irritationen in der Familie des Opfers erahnen. Sie geben sich nach dem brutalen Mord nicht mit den üblichen Denkschubladen zufrieden. Als da wären: das Restaurant als Geldwaschanlage, Schutzgelderpressung, die Mafia, die die Hand im Spiel hat. In dem Fall prallen zwei Denkschulen aufeinander, was dem „Tatort“einen besonderen Reiz verleiht. Kommissariatsleiter Peter Michael Schnabel (Martin Brambach) ist mit der Dresdner Gesellschaft verfilzt, ebenso wie Otto Winkler (Uwe Preuß), Ex-Polizist und dazu noch der Vater Leonies. Beides Auslaufmodelle. Schnabel packt den autoritären Chef aus: „Hinsetzen!“Winkler klagt: „Diese Stadt geht vor die Hunde!“Der Zuschauer weiß da bereits, dass die Zukunft den sich mühsam durchbeißenden Jungermittlerinnen gehört. Leonie fragt forsch ihren Vater: „Hast du dich kaufen lassen?“
Szenenwechsel: Katharina Benda (eindrucksvoll: Britta Hammelstein), die als leidende Witwe durch die Nobelvilla schleicht, ist psychisch noch angeschlagener als ihre beiden halbwüchsigen Söhne. Die Kommissarinnen finden heraus, dass Joachim Benda seine Ehefrau in die Psychiatrie einweisen lassen wollte. Was, wenn die Familie etwas zu verbergen hat und in den Mord verwickelt ist?
Wohltuend, dass sich Gorniak und Winkler die inzwischen bei der Krimi-Polizei üblichen Frotzeleien schenken, aber sich dafür die richtigen Fragen stellen. Dass die Metapher mit der Witwe als Rachegöttin Nemesis überkonstruiert ist, stört zum Glück kaum. Rupert Huber