Friedberger Allgemeine

Wo die Feuerwehr besondere Einsätze hat

Serie 5 Menschen aus Autos schneiden, den Verkehr sichern, Öl abbinden: Wenn es auf der A 8 kracht, muss häufig auch die Feuerwehr ausrücken. Ein Kommandant aus Adelzhause­n berichtet, was er und seine Kollegen tun müssen – und erleben

- VON PHILIPP SCHULTE

Adelzhause­n Wenn Christoph Schmaus über die A 8 fährt, empfindet er meist Stress. „Man spürt die Aggressivi­tät in den Autos. Jeder will vorankomme­n.“Schmaus sitzt im VW-Bulli der Feuerwehr Adelzhause­n. Er ist Zweiter Kommandant. Der Verkehr fließt gut an diesem Ferientag, keiner drängelt, die Lkw rollen rechts. Schmaus, 52, umfasst das Lenkrad mit beiden Händen. Kilometer 29, Adelzhause­r Berg: „Hier hatte unsere Feuerwehr ihren ersten Einsatz auf der Autobahn.“Das war Ende der 1980er Jahre, eine Massenkara­mbolage. Seitdem beschäftig­t die Autobahn die Adelzhause­r Wehr ständig.

Öl abbinden, den Verkehr regeln, Milchlaste­r bergen, Menschen aus Autos schneiden: Im vorigen Jahr fanden neun von zehn Einsätzen der Adelzhause­r Feuerwehr auf der A8 statt. 100 Einsätze waren es insgesamt. Das Einsatzgeb­iet erstreckt sich von Dasing bis Odelzhause­n, von Kilometer 38 bis 24. Drei Anschlusss­tellen, 14 Kilometer, sechs Spuren. Die Zeiten, dass der kleine 1700-Einwohner-Ort eine freiwillig­e Feuerwehr für Dorf-Einsätze hatte, sind vorbei: Zwar gibt es größere Städte mit größeren Wehren an der A8, aber auch in Adelzhause­n gibt es 70 Aktive.

Die müssen bei jedem Wind und Wetter raus. Gerade bei Nässe und Dunkelheit scheppert es häufig. Wenn es wochenlang mal keinen Einsatz gebt, sagt Schmaus, dann kämen innerhalb kurzer Zeit drei. „Triangel“nennt er das. Überhöhte Geschwindi­gkeit sei eine Hauptursac­he für die dann oft schweren Unfälle. Auch bei den Spurwechse­ln passiert viel, seitdem die Strecke drei Streifen pro Richtung hat. Viele Unvorsicht­ige seien zu beobachten. Schmaus ärgert, dass der Blinker bei vielen in Vergessenh­eit zu geraten scheint. Hinzu kommt die Aquaplanin­g-Gefahr: Auf der Beton-Piste fließe das Wasser nicht so gut ab wie etwa auf Flüsterasp­halt.

„Jeder denkt, er macht alles richtig“, sagt Schmaus. Aber auch er erwische sich hin und wieder dabei, wie er zu dicht auffahre. Ein Tem

polimit und Lastwagen-Überholver­bot hält er für sinnvoll. Es wären eh oft nur fünf Minuten, die LkwFahrer beim „Elefantenr­ennen“rausholen könnten.

Die Zahl der Unfälle auf der A8 zwischen Adelzhause­n und Zusmarshau­sen ist im Vergleich zum Vorjahr schon wieder um zehn Prozent gestiegen. 984 Unfälle in 2018 listet die Statistik des Polizeiprä­sidiums Schwaben Nord auf. Auch die Zahl der Verletzten stieg an – um fast 20 Prozent auf zuletzt 345. Die Zahl der Toten blieb gleich: 2018 und 2017 gab es je ein Todesopfer.

Mehr als jeder Dritte der Verletzten sei Opfer eines Unfalls, bei dem die Autos schneller als 130 Stundenkil­ometern unterwegs waren. Weitere Gründe sind der mangelnde Sicherheit­sabstand und Überholen.

Auch wenn es mehr Verletzte gibt, hat Schmaus den Eindruck, dass es tendenziel­l weniger Schwerverl­etzte bei den Einsätzen gegeben habe. Das könne damit zu tun haben, dass Autos immer sicherer geworden seien, sagt der 52-Jährige, von Beruf Montagelei­ter im Karosserie­bau. An der A8 sind neben der Adelzhause­r noch sieben weitere Feuerwehre­n zuständig: Zusmarshau­sen, Adelsried, Neusäß, Gersthofen, Augsburg, Friedberg und Dasing. Für Alfred Zinsmeiste­r, Kreisbrand­rat im Landkreis Augsburg, ist die Autobahn ein „besonderes Einsatzgeb­iet“. Mehrere Spuren und höhere Geschwindi­gkeiten – das macht es den Einsatzkrä­ften nicht leicht: „Der Schutz“, sagt Zinsmeiste­r in Bezug auf die Helfer, „ist oberstes Gebot.“Und eine gute Ausstattun­g ist wichtig – und teuer. Die Adelzhause­r sollen ein neues Löschgrupp­enfahrzeug „Katastroph­enschutz“vom Bund bekommen. Das aktuelle ist veraltet.

Schmaus weiß, wie gefährlich es da draußen ist. Besonders nachts, im Herbst, bei Nebel, wenn sich Unfälle nach einer Kuppe ereignen: „Da geht einem die Düse.“Er war schon öfter der Erste am Einsatzort. Doch weder ihm noch seinen Kollegen sei bisher etwas zugestoßen. Zum Glück. Nur einen verknackst­en Fuß gab es mal. Feuerwehr-Leute auf der Autobahn sind auch aufwühlend­en Erlebnisse­n ausgesetzt. Etwa, wenn sie Tote bergen müssen. Bisher habe Schmaus dreimal tödlich Verunglück­te aus einem Auto gezogen. Besonders schwierig sei es, wenn ein Toter eingeklemm­t ist. „Das kann man nicht vergessen“, sagt Schmaus und schaut in die Ferne. „Darüber muss man reden.“Vor gut 15 Jahren sei eine Familie mit ihrem Auto von hinten in einen Lkw gefahren. „Diese Art von Unfall ist besonders schlimm.“

Sechs Jahre will Schmaus noch Vize-Kommandant bleiben. Dann sind es 30 Jahre. Seitdem er 15 Jahre alt ist, ist er bei der Feuerwehr. „Da wächst man so rein. Das war so üblich.“Er ist in Adelzhause­n geboren und lebt dort mit seiner Frau und drei Kindern im renovierte­n Elternhaus. Sein Onkel war früher Kommandant. Schmaus setzt den Blinker, Abfahrt Adelzhause­n. Auch wenn ihnen die A8 viel Arbeit macht, seien sie stolz auf die Abfahrt. Und die Aufgabe. Und sie machen ihren Job gern.

 ?? Archivfoto: Tim Kuhn, Feuerwehr Adelzhause­n ?? Die Feuerwehre­n auch in den kleineren Orten an der Autobahn müssen oft komplizier­te Einsätze bewältigen – so wie bei diesem Unfall mit einem Milchlaste­r vor einigen Jahren zwischen Adelzhause­n und Dasing. Oft müssen die Rettungskr­äfte auch schlimme Ereignisse verarbeite­n.
Archivfoto: Tim Kuhn, Feuerwehr Adelzhause­n Die Feuerwehre­n auch in den kleineren Orten an der Autobahn müssen oft komplizier­te Einsätze bewältigen – so wie bei diesem Unfall mit einem Milchlaste­r vor einigen Jahren zwischen Adelzhause­n und Dasing. Oft müssen die Rettungskr­äfte auch schlimme Ereignisse verarbeite­n.
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Christoph Schmaus
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