Wie können die Augsburger besser mitreden?
Alle Parteien schreiben sich mehr Bürgerbeteiligung auf die Fahnen. Eine Möglichkeit sind Bezirksausschüsse oder ein Bürgerhaushalt. Doch auf die Schnelle lässt sich das nicht umsetzen
Der Trend ist klar: 41 Prozent der Wahlberechtigten gaben bei der Kommunalwahl 2014 ihre Stimmen ab, acht Jahre zuvor waren es noch 47 Prozent. Vorbei sind die Zeiten, als es wie in den 60er und 70er Jahren bei Kommunalwahlen noch verlässlich über 60 und 70 Prozent Beteiligung gab.
In der Konsequenz heißt das: Weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten hat sich 2014 für die Wahl interessiert oder hielt es für sinnvoll, zur Urne zu gehen – der Mehrheit war es egal, welche Parteien mit welcher Programmatik die Geschicke von Augsburg lenken.
Das hat mehrere Gründe, und es kann gut sein, dass die Wahlbeteiligung im kommenden März noch einmal niedriger ausfällt. Wahlberechtigt sind bei der Kommunalwahl alle EU-Bürger, die zum Zeitpunkt der Wahl länger als zwei Monate ihren Lebensmittelpunkt in Augsburg hatten. Der Anteil an EUAusländern in Augsburg ist in den vergangenen Jahren durch den Zuzug vor allem aus Osteuropa deutlich gestiegen. Die Vermutung liegt nahe, dass das Interesse in dieser Gruppe nicht allzu hoch sein wird – wer seit ein oder zwei Jahren hier lebt und vielleicht auch nur vorübergehend hierbleiben möchte, um Geld zu verdienen, für den steht Kommunalpolitik vermutlich nicht ganz oben auf der Prioritätenliste.
Darüber hinaus hat die Zeit des Dreier-Regierungsbündnisses, in dem die drei großen Fraktionen CSU, SPD und Grüne zusammenarbeiteten, auch dazu geführt, dass politische Unterschiede verwischten. Politik besteht oft aus Kompromissen. Doch wenn diese hinter verschlossenen Türen ausgehandelt werden, ohne dass Meinungsunterschiede deutlich werden, kann das dazu führen, dass sich der Wähler sagt: Wen ich wähle, ist egal, weil am Ende ohnehin dasselbe rauskommt. Der Gedanke mag zwar eine Befindlichkeit widerspiegeln. Er lässt aber die Machtverhältnisse innerhalb einer Koalition außer Acht.
Der sinkenden Wahlbeteiligung entgegenwirken könnte immerhin, dass das Rennen um den OB-Sessel
mit dem Verzicht von Kurt Gribl (CSU) auf eine erneute Kandidatur offen ist. Die Wahl wird spannender als 2014, weil die Karten ohne einen OB-Kandidaten mit Amtsbonus neu gemischt werden.
Und dennoch zeichnet sich ab, dass die repräsentative Demokratie immer weniger der alleinige Weg der Mitwirkung für Bürger ist. Ein Teil der Bürger scheint damit nicht mehr erreichbar zu sein. Die Politiker haben das erkannt. Ein Beispiel: Die Tour durch die Stadtteile, die die Stadtregierung seit dem Frühjahr macht, ist jedes Mal gut besucht. Die stadtweite Bürgerversammlung, die es schon immer gab und die laut Gemeindeordnung jährlich durchzuführen ist, findet oft weniger Resonanz.
So gut wie alle Parteien wollen neue Möglichkeiten bieten, um mit Bürgern besser in den Dialog zu kommen. Das hieß es bisher vor jeder Wahl, wobei die Stadtregierung mit Workshops und Bürgerbeteiligungen zuletzt ein Stück weit geliefert hat (allerdings nicht immer glücklich, wenn man etwa den Linie-5-Workshop betrachtet).
Die jetzigen Überlegungen gehen aber weiter, weil sie auf eine Verstetigung setzen und nicht nur bei bestimmten Themen Bürgerbeteiligung ermöglichen. Grüne, PolitWG und Linke haben schon in der ausklingenden Periode immer wieder Beteiligungsmöglichkeiten und Transparenz – etwa beim Ratsinformationssystem – gefordert. Doch das Thema Beteiligung erfasst auch weitere Teile der Politik.
CSU-OB-Kandidatin Eva Weber fordert etwa die Einrichtung von Bezirksausschüssen. Zu Anfang der Regierungsperiode schmetterte der Stadtrat den damaligen Antrag der Freien Wähler noch mit breiter Mehrheit ab, inzwischen sieht es die Kandidatin der größten Fraktion anders. Themen könnten im Stadtteil schneller und näher an den dortigen Gegebenheiten entschieden werden, so Weber.
Bei Bezirksausschüssen handelt es sich um Stadtteilparlamente, die stadtteilspezifische Themen vorberaten, in den Stadtrat einbringen können und – wenn man sie grundsätzlich dazu ermächtigt – selbst entscheiden können. Bisher hat in Bayern nur Ingolstadt freiwillig solche Gremien eingerichtet. München als zweite Kommune ist wegen seiner Größe von mehr als einer Million Einwohnern laut Gemeindeordnung dazu verpflichtet. Dort haben die Stadtteilparlamente insgesamt rund vier Millionen Euro pro Jahr für Maßnahmen zur Verfügung.
Ob es Bezirksausschüsse geben wird, was sie dürfen und wie sie sich zusammensetzen (sie können separat gewählt werden oder analog zur Sitzverteilung im Stadtrat besetzt werden), hängt vom kommenden Stadtrat ab. Das bedeutet aber auch: Möglicherweise werden solche Ausschüsse erst parallel mit der Wahl 2026 aufgestellt.
Auch Dirk Wurm (SPD) will mehr Dinge in den Stadtteilen diskutieren. Auf Stadtteilkonferenzen sollen Bürger, Stadträte, und Aktive im Stadtteil einmal im Monat über konkrete Themen diskutieren. Für Stadtteile soll es auch Budgets geben, bei denen Bürger mitentscheiden können. Mittelfristig, so der OB-Kandidat, könne er sich auch einen Bürgerhaushalt vorstellen. Bei diesem Instrument dürfen die Bürger einer Kommune über die Verwendung eines Teils des städtischen Haushalts, der als Bürgerbudget ausgewiesen wird, mitbestimmen und Vorschläge machen. Für den Haushalt 2020 probiert Gersthofen dieses Modell aus.
Letztlich wird es darauf hinauslaufen, Bürgern häufiger als alle sechs Jahre bei der Wahl die Möglichkeit zur Mitwirkung zu geben. Auf einem anderen Blatt steht, ob die Bürger diese Möglichkeit annehmen. Häufig wollen sie sich nur bei bestimmten Projekten und Themen einklinken. Nicht jeder will sich über jeden Blühstreifen am Straßenrand eine Meinung bilden müssen. Und manche Kommunen haben ihr Projekt Bürgerhaushalt mangels Resonanz inzwischen wieder eingestellt. Insofern bleibt das repräsentative System mit gewählten Politikern das Rückgrat der demokratischen Teilhabe – selbst wenn die Wahlbeteiligung im März 2020 nur bei 30 plus x Prozent liegen sollte.
Nicht alle wollen sich zu jedem Thema äußern