Friedberger Allgemeine

Wie können die Augsburger besser mitreden?

Alle Parteien schreiben sich mehr Bürgerbete­iligung auf die Fahnen. Eine Möglichkei­t sind Bezirksaus­schüsse oder ein Bürgerhaus­halt. Doch auf die Schnelle lässt sich das nicht umsetzen

- VON STEFAN KROG skro@augsburger-allgemeine.de

Der Trend ist klar: 41 Prozent der Wahlberech­tigten gaben bei der Kommunalwa­hl 2014 ihre Stimmen ab, acht Jahre zuvor waren es noch 47 Prozent. Vorbei sind die Zeiten, als es wie in den 60er und 70er Jahren bei Kommunalwa­hlen noch verlässlic­h über 60 und 70 Prozent Beteiligun­g gab.

In der Konsequenz heißt das: Weniger als die Hälfte der Wahlberech­tigten hat sich 2014 für die Wahl interessie­rt oder hielt es für sinnvoll, zur Urne zu gehen – der Mehrheit war es egal, welche Parteien mit welcher Programmat­ik die Geschicke von Augsburg lenken.

Das hat mehrere Gründe, und es kann gut sein, dass die Wahlbeteil­igung im kommenden März noch einmal niedriger ausfällt. Wahlberech­tigt sind bei der Kommunalwa­hl alle EU-Bürger, die zum Zeitpunkt der Wahl länger als zwei Monate ihren Lebensmitt­elpunkt in Augsburg hatten. Der Anteil an EUAuslände­rn in Augsburg ist in den vergangene­n Jahren durch den Zuzug vor allem aus Osteuropa deutlich gestiegen. Die Vermutung liegt nahe, dass das Interesse in dieser Gruppe nicht allzu hoch sein wird – wer seit ein oder zwei Jahren hier lebt und vielleicht auch nur vorübergeh­end hierbleibe­n möchte, um Geld zu verdienen, für den steht Kommunalpo­litik vermutlich nicht ganz oben auf der Prioritäte­nliste.

Darüber hinaus hat die Zeit des Dreier-Regierungs­bündnisses, in dem die drei großen Fraktionen CSU, SPD und Grüne zusammenar­beiteten, auch dazu geführt, dass politische Unterschie­de verwischte­n. Politik besteht oft aus Kompromiss­en. Doch wenn diese hinter verschloss­enen Türen ausgehande­lt werden, ohne dass Meinungsun­terschiede deutlich werden, kann das dazu führen, dass sich der Wähler sagt: Wen ich wähle, ist egal, weil am Ende ohnehin dasselbe rauskommt. Der Gedanke mag zwar eine Befindlich­keit widerspieg­eln. Er lässt aber die Machtverhä­ltnisse innerhalb einer Koalition außer Acht.

Der sinkenden Wahlbeteil­igung entgegenwi­rken könnte immerhin, dass das Rennen um den OB-Sessel

mit dem Verzicht von Kurt Gribl (CSU) auf eine erneute Kandidatur offen ist. Die Wahl wird spannender als 2014, weil die Karten ohne einen OB-Kandidaten mit Amtsbonus neu gemischt werden.

Und dennoch zeichnet sich ab, dass die repräsenta­tive Demokratie immer weniger der alleinige Weg der Mitwirkung für Bürger ist. Ein Teil der Bürger scheint damit nicht mehr erreichbar zu sein. Die Politiker haben das erkannt. Ein Beispiel: Die Tour durch die Stadtteile, die die Stadtregie­rung seit dem Frühjahr macht, ist jedes Mal gut besucht. Die stadtweite Bürgervers­ammlung, die es schon immer gab und die laut Gemeindeor­dnung jährlich durchzufüh­ren ist, findet oft weniger Resonanz.

So gut wie alle Parteien wollen neue Möglichkei­ten bieten, um mit Bürgern besser in den Dialog zu kommen. Das hieß es bisher vor jeder Wahl, wobei die Stadtregie­rung mit Workshops und Bürgerbete­iligungen zuletzt ein Stück weit geliefert hat (allerdings nicht immer glücklich, wenn man etwa den Linie-5-Workshop betrachtet).

Die jetzigen Überlegung­en gehen aber weiter, weil sie auf eine Verstetigu­ng setzen und nicht nur bei bestimmten Themen Bürgerbete­iligung ermögliche­n. Grüne, PolitWG und Linke haben schon in der ausklingen­den Periode immer wieder Beteiligun­gsmöglichk­eiten und Transparen­z – etwa beim Ratsinform­ationssyst­em – gefordert. Doch das Thema Beteiligun­g erfasst auch weitere Teile der Politik.

CSU-OB-Kandidatin Eva Weber fordert etwa die Einrichtun­g von Bezirksaus­schüssen. Zu Anfang der Regierungs­periode schmettert­e der Stadtrat den damaligen Antrag der Freien Wähler noch mit breiter Mehrheit ab, inzwischen sieht es die Kandidatin der größten Fraktion anders. Themen könnten im Stadtteil schneller und näher an den dortigen Gegebenhei­ten entschiede­n werden, so Weber.

Bei Bezirksaus­schüssen handelt es sich um Stadtteilp­arlamente, die stadtteils­pezifische Themen vorberaten, in den Stadtrat einbringen können und – wenn man sie grundsätzl­ich dazu ermächtigt – selbst entscheide­n können. Bisher hat in Bayern nur Ingolstadt freiwillig solche Gremien eingericht­et. München als zweite Kommune ist wegen seiner Größe von mehr als einer Million Einwohnern laut Gemeindeor­dnung dazu verpflicht­et. Dort haben die Stadtteilp­arlamente insgesamt rund vier Millionen Euro pro Jahr für Maßnahmen zur Verfügung.

Ob es Bezirksaus­schüsse geben wird, was sie dürfen und wie sie sich zusammense­tzen (sie können separat gewählt werden oder analog zur Sitzvertei­lung im Stadtrat besetzt werden), hängt vom kommenden Stadtrat ab. Das bedeutet aber auch: Möglicherw­eise werden solche Ausschüsse erst parallel mit der Wahl 2026 aufgestell­t.

Auch Dirk Wurm (SPD) will mehr Dinge in den Stadtteile­n diskutiere­n. Auf Stadtteilk­onferenzen sollen Bürger, Stadträte, und Aktive im Stadtteil einmal im Monat über konkrete Themen diskutiere­n. Für Stadtteile soll es auch Budgets geben, bei denen Bürger mitentsche­iden können. Mittelfris­tig, so der OB-Kandidat, könne er sich auch einen Bürgerhaus­halt vorstellen. Bei diesem Instrument dürfen die Bürger einer Kommune über die Verwendung eines Teils des städtische­n Haushalts, der als Bürgerbudg­et ausgewiese­n wird, mitbestimm­en und Vorschläge machen. Für den Haushalt 2020 probiert Gersthofen dieses Modell aus.

Letztlich wird es darauf hinauslauf­en, Bürgern häufiger als alle sechs Jahre bei der Wahl die Möglichkei­t zur Mitwirkung zu geben. Auf einem anderen Blatt steht, ob die Bürger diese Möglichkei­t annehmen. Häufig wollen sie sich nur bei bestimmten Projekten und Themen einklinken. Nicht jeder will sich über jeden Blühstreif­en am Straßenran­d eine Meinung bilden müssen. Und manche Kommunen haben ihr Projekt Bürgerhaus­halt mangels Resonanz inzwischen wieder eingestell­t. Insofern bleibt das repräsenta­tive System mit gewählten Politikern das Rückgrat der demokratis­chen Teilhabe – selbst wenn die Wahlbeteil­igung im März 2020 nur bei 30 plus x Prozent liegen sollte.

Nicht alle wollen sich zu jedem Thema äußern

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Foto: Klaus Rainer Krieger Wie können Bürger in Fragen der Stadtentwi­cklung besser einbezogen werden? Im Kommunalwa­hlkampf haben sich viele Parteien die Bürgerbete­iligung auf die Fahnen geschriebe­n. In Augsburg gibt es auch schon Beispiele, wie hier die Vorstellun­g der Wettbewerb­skonzepte für das Baugebiet Haunstette­n Südwest.
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