Lässt sich die Karriere genau planen?
Erst einfacher Mitarbeiter, dann irgendwann Führungskraft – so stellen sich viele ihren Karriereweg vor. Doch heute läuft es oftmals anders, sagen Experten. Sie raten, sich ein klares Ziel zu setzen. Worauf es dabei ankommt
Münster/Korschenbroich Keine Zeit verlieren, nichts dem Zufall überlassen, schnell auf der Karriereleiter nach oben klettern: Ein geradliniger Aufstieg durch die Bildungs- und Führungsebenen ist die klassische Vorstellung von Karriere. Doch lässt die sich immer nach den eigenen Vorstellungen meißeln? Karriere-Experten raten eher von einer rigiden Planung ab. Dabei spielen Veränderungen in den Unternehmenskulturen der heutigen Arbeitswelt eine wichtige Rolle.
Berufstätige müssen sich bewusst machen, dass Karriere sehr unterschiedlich aufgefasst werden kann und dass der direkte Weg in die Führungsetage nicht das einzige Modell ist, sagt zum Beispiel Coach und Beraterin Stephanie Borgert. Ein linearer Aufstieg werde immer unwahrscheinlicher, da sich in Unternehmen zunehmend neue Formen von Zusammenarbeit und Organisation entwickeln. Auf gemeinsame Wertschöpfung und agile Strukturen werde inzwischen mehr Wert gelegt als auf Einzelerfolge und Hierarchien.
Für Wirtschaftspsychologin und Business-Coach Eva Schulte-Austum ist Karriere eher der Weg zu einem Ziel, weniger eine Abfolge von festen Stationen. Dieses Ziel müssen Beschäftigte dabei so konkret wie möglich formulieren: Einfach viel Geld zu verdienen, reiche nicht aus.
Vielmehr müsse man sich klar machen: Warum existiert dieses Ziel? Und welches Motiv verbirgt sich dahinter? Finanzielle Sicherheit, Selbstverwirklichung oder die Erfüllung gesellschaftlicher Erwartungshaltungen? Sind es überhaupt die eigenen Motive, die man verfolgt? Aus dem geklärten Warum könne sich dann das Wie ergeben. Dann fällt einem der Weg leichter. „Vielen wird das Fehlen eines derartigen Ziels aber erst spät in ihrer Laufbahn bewusst“, sagt SchulteAustum.
Doch oft machen einem auch die Umstände einen Strich durch die Karriereplanung: Enttäuschung über ausbleibende Erfolge oder Beförderungen, schwierige Chefs, Krankheit, aber auch Veränderungen im familiären Umfeld wie Nachwuchs oder Todesfälle. Wie geht es dann weiter?
Schulte-Austum versucht in der Arbeit mit ihren Kunden Ziele und Motive zu konkretisieren und zu stärken. Die eigenen Ziele sollte man von Zeit zu Zeit hinterfragen – vor allem, wenn man wiederholt mit Rückschlägen konfrontiert wird. Bei starken Zielen wäre dies aber oft gar nicht nötig. „Am häufigsten stellt sich den Ratsuchenden die große Sinnfrage in den Karriereweg“, sagt die Karriere-Beraterin. Wenn große Umbrüche im Umfeld stattfinden, stellen viele den Sinn ihres Berufs grundsätzlich infrage.
Es bedarf einer tiefgehenden Selbstreflexion, da sind sich die Experten einig, um klare Ziele zu formulieren und Vertrauen in deren Gelingen zu entwickeln. Denn während Umweltfaktoren schwer zu beeinflussen sind, können wir uns selbst ändern. Selbstvertrauen zu entwickeln, ist laut Eva SchulteAustum besonders wichtig. Sie empfiehlt, sich wieder und wieder kleine Ziele zu setzen und diese zu erreichen: „Selbstvertrauen ist wie ein Muskel, und den können wir trainieren.“Passend dazu gäbe es in der Vertrauensforschung den Begriff des „Vertrauenskater“nach erlebten Enttäuschungen. Davon dürfe man sich aber nicht das Selbstvertrauen kaputt machen lassen. Stattdessen sollte man sich in der Kunst üben, Ablehnungen nicht persönlich zu nehmen und aus Enttäuschungen für die Zukunft zu lernen.
Der Karriereberater Dieter Krautwald empfiehlt, sich frühzeitig an klaren Zielen und einem klaren Profil zu orientieren. Für alles offen zu sein, führe bei der Karriereplanung eher selten zum Glück.
Bei der Profilierung hilft er darum mit einer Typologie der Karrierekonzepte, die sich an individuellen Präferenzen orientiert. Während das lineare oder das Expert-Karrierekonzept die klassischen Karrierevorstellungen von Aufstieg, Einfluss, Macht oder Expertise reflektiert, finden sich im spiralen oder transitorischen Karrierekonzept öfter die Wünsche jüngerer Leute nach Abwechslung, Selbstverwirklichung, Vernetzung und kurzfristigen Verweildauern wieder.