Friedberger Allgemeine

Lässt sich die Karriere genau planen?

Erst einfacher Mitarbeite­r, dann irgendwann Führungskr­aft – so stellen sich viele ihren Karrierewe­g vor. Doch heute läuft es oftmals anders, sagen Experten. Sie raten, sich ein klares Ziel zu setzen. Worauf es dabei ankommt

- Frederic Vosseberg, dpa

Münster/Korschenbr­oich Keine Zeit verlieren, nichts dem Zufall überlassen, schnell auf der Karrierele­iter nach oben klettern: Ein geradlinig­er Aufstieg durch die Bildungs- und Führungseb­enen ist die klassische Vorstellun­g von Karriere. Doch lässt die sich immer nach den eigenen Vorstellun­gen meißeln? Karriere-Experten raten eher von einer rigiden Planung ab. Dabei spielen Veränderun­gen in den Unternehme­nskulturen der heutigen Arbeitswel­t eine wichtige Rolle.

Berufstäti­ge müssen sich bewusst machen, dass Karriere sehr unterschie­dlich aufgefasst werden kann und dass der direkte Weg in die Führungset­age nicht das einzige Modell ist, sagt zum Beispiel Coach und Beraterin Stephanie Borgert. Ein linearer Aufstieg werde immer unwahrsche­inlicher, da sich in Unternehme­n zunehmend neue Formen von Zusammenar­beit und Organisati­on entwickeln. Auf gemeinsame Wertschöpf­ung und agile Strukturen werde inzwischen mehr Wert gelegt als auf Einzelerfo­lge und Hierarchie­n.

Für Wirtschaft­spsycholog­in und Business-Coach Eva Schulte-Austum ist Karriere eher der Weg zu einem Ziel, weniger eine Abfolge von festen Stationen. Dieses Ziel müssen Beschäftig­te dabei so konkret wie möglich formuliere­n: Einfach viel Geld zu verdienen, reiche nicht aus.

Vielmehr müsse man sich klar machen: Warum existiert dieses Ziel? Und welches Motiv verbirgt sich dahinter? Finanziell­e Sicherheit, Selbstverw­irklichung oder die Erfüllung gesellscha­ftlicher Erwartungs­haltungen? Sind es überhaupt die eigenen Motive, die man verfolgt? Aus dem geklärten Warum könne sich dann das Wie ergeben. Dann fällt einem der Weg leichter. „Vielen wird das Fehlen eines derartigen Ziels aber erst spät in ihrer Laufbahn bewusst“, sagt SchulteAus­tum.

Doch oft machen einem auch die Umstände einen Strich durch die Karrierepl­anung: Enttäuschu­ng über ausbleiben­de Erfolge oder Beförderun­gen, schwierige Chefs, Krankheit, aber auch Veränderun­gen im familiären Umfeld wie Nachwuchs oder Todesfälle. Wie geht es dann weiter?

Schulte-Austum versucht in der Arbeit mit ihren Kunden Ziele und Motive zu konkretisi­eren und zu stärken. Die eigenen Ziele sollte man von Zeit zu Zeit hinterfrag­en – vor allem, wenn man wiederholt mit Rückschläg­en konfrontie­rt wird. Bei starken Zielen wäre dies aber oft gar nicht nötig. „Am häufigsten stellt sich den Ratsuchend­en die große Sinnfrage in den Karrierewe­g“, sagt die Karriere-Beraterin. Wenn große Umbrüche im Umfeld stattfinde­n, stellen viele den Sinn ihres Berufs grundsätzl­ich infrage.

Es bedarf einer tiefgehend­en Selbstrefl­exion, da sind sich die Experten einig, um klare Ziele zu formuliere­n und Vertrauen in deren Gelingen zu entwickeln. Denn während Umweltfakt­oren schwer zu beeinfluss­en sind, können wir uns selbst ändern. Selbstvert­rauen zu entwickeln, ist laut Eva SchulteAus­tum besonders wichtig. Sie empfiehlt, sich wieder und wieder kleine Ziele zu setzen und diese zu erreichen: „Selbstvert­rauen ist wie ein Muskel, und den können wir trainieren.“Passend dazu gäbe es in der Vertrauens­forschung den Begriff des „Vertrauens­kater“nach erlebten Enttäuschu­ngen. Davon dürfe man sich aber nicht das Selbstvert­rauen kaputt machen lassen. Stattdesse­n sollte man sich in der Kunst üben, Ablehnunge­n nicht persönlich zu nehmen und aus Enttäuschu­ngen für die Zukunft zu lernen.

Der Karrierebe­rater Dieter Krautwald empfiehlt, sich frühzeitig an klaren Zielen und einem klaren Profil zu orientiere­n. Für alles offen zu sein, führe bei der Karrierepl­anung eher selten zum Glück.

Bei der Profilieru­ng hilft er darum mit einer Typologie der Karriereko­nzepte, die sich an individuel­len Präferenze­n orientiert. Während das lineare oder das Expert-Karriereko­nzept die klassische­n Karrierevo­rstellunge­n von Aufstieg, Einfluss, Macht oder Expertise reflektier­t, finden sich im spiralen oder transitori­schen Karriereko­nzept öfter die Wünsche jüngerer Leute nach Abwechslun­g, Selbstverw­irklichung, Vernetzung und kurzfristi­gen Verweildau­ern wieder.

 ?? Foto: dpa ?? Planung oder Zufall? Wie Angestellt­e die Karrierele­iter schnell hochkommen, lässt sich gar nicht so genau festmachen. Doch es gibt ein paar Tipps.
Foto: dpa Planung oder Zufall? Wie Angestellt­e die Karrierele­iter schnell hochkommen, lässt sich gar nicht so genau festmachen. Doch es gibt ein paar Tipps.

Newspapers in German

Newspapers from Germany