Brückenschlag für neues Bahn-Zeitalter
Elektrifizierung Halbzeit beim Ausbau der Strecke München-Lindau: Die Deutsche Bahn ist zuversichtlich, dass der Zeitplan gehalten wird, und nimmt die Kostensteigerung gelassen
Wangen Ein Riesenkran ist seit Tagen die Attraktion in Wangen im Allgäu. Eine Woche wurden mit sage und schreibe 41 Lastwagenladungen die Teile des gelben Monstrums in die oberschwäbische Stadt gebracht. Am Montag war der 650 Tonnen schwere Kran in Aktion. Er setzte ein 280 Tonnen schweres Brückenteil ein. Dieses ersetzt eine alte Brücke, die noch aus den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts stammte. Der Bauschritt ist Teil der Elektrifizierung und des Ausbaus der Bahnstrecke München-Lindau.
Hunderte Schaulustige verfolgten am Vormittag, wie der Kran mit einem 50-Meter-Ausleger das 17 Meter lange Brückenteil passgenau in die richtige Position einsetzte. Als das nach gut einer Stunde geschafft war, applaudierten die Zuschauer. Der Bahnbetrieb wird auf der derzeit gesperrten Strecke zwischen Kißlegg und Hergatz am 6. Oktober wieder aufgenommen. Dann werden die Züge über die neue Brücke rollen, deren Baukosten auf 2,3 Millionen Euro beziffert werden.
Die Arbeiten zur Elektrifizierung der Bahnstrecke zwischen München und Lindau lägen im Zeitplan, sagte Bahn-Großprojekte-Sprecher Franz Lindemair. Die gesamten Baukosten sind auf 470 bis 500 Millionen Euro nach oben korrigiert worden. Diese Kostenmehrung sei nicht besorgniserregend, meinte Armin Franzke von der Projektleitung. Sie sei der allgemeinen Teuerung und der guten Auftragslage in der Bau- branche geschuldet.
Läuft alles weiter nach Plan, so soll die Strecke zwischen München und Lindau bis zum Sommer nächsten Jahres komplett elektrifiziert sein. Dann stehen Testfahrten und technische Abnahmen auf dem Programm. Ende nächsten Jahres werden dann die elektrischen Neigetechnik-Züge zwischen München und Lindau verkehren. Auf über 100 Kilometern sind die Oberleitungen bereits errichtet. Ganz in der Nähe der jetzigen Großbaustelle in Wangen wird eine weitere in die Jahre gekommene Brücke über die Obere Argen durch eine neue ersetzt. „Wir errichten für zehn Millionen Euro eine neue Brücke direkt neben der alten, reißen diese dann ab und schieben die neue an die richtige Position“, erläuterte Teilprojektleiter Matthias Gunsch dieses spezielle „Schiebeverfahren“. „Im März 2020 wird eingeschoben“, sagte Gunsch.
Ebenfalls zum Gesamtprojekt gehört der Neubau des Bahnhofs in Lindau-Reutin, der derzeit im Gang ist. Die Bahn spricht offiziell von einer „Verkehrsstation“. 21 Millionen Euro werden dort investiert. Die Eurocity-Züge auf der Strecke München-Zürich halten künftig nicht mehr auf der Insel, sondern auf dem Festland in Reutin. Das wird dazu beitragen, die Reisezeit zwischen München und Zürich deutlich zu verringern. So soll der künftig elektrisch fahrende Schienenverkehr zum Auto- oder Flugverkehr zwischen München und Zürich konkurrenzfähig sein. Die eingesetzten Schweizer Neigetechnikzüge sind bis zu 160 Stundenkilometer schnell.
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