Der Garten der Nation
Seit 33 Jahren gibt es den ZDF- Fernsehgarten. Warum das Format so beliebt ist, welche Pannen es schon gab und wie es nach dem Eklat um Komiker Luke Mockridge weitergeht
Mainz Es gibt da diese Szene, an die man in diesen Tagen öfter denken muss. Der erste Otto-Film, 1985. Otto tritt in einem Altersheim auf und fragt sein Publikum in Kasperletheater-Manier: „Seid ihr alle da?“Als die Senioren im Chor „Jaaa!“antworten, kontert Otto: „Aber nicht mehr lange.“
Witze über ältere Menschen sind eine heikle Sache. Manchmal – wie im Otto-Film – zünden sie. Manchmal geht die Sache aber auch komplett in die Hose. So wie am Sonntag im ZDF- Fernsehgarten.
Ausgerechnet dort! Die Sendung ist, wenn man so will, das OpenAir-Wohnzimmer der Nation. Der Deutschen liebster Garten. Zelebrierte Heimeligkeit, mit allerlei Musik- und Showeinlagen und eher leichtem Geplauder. Über Mode, Kochen, Heimwerken, solche Dinge eben. Doch dieses heimelige Bild hat nun Risse bekommen.
Sonntagmittag. Komiker Luke Mockridge steht auf der Showbühne. Er trägt ein pinkfarbenes Shirt, schwarze Hose, weiße Turnschuhe. Mockridge winkt ins Publikum – und legt los. „Woran erkennt man eigentlich alte Menschen?“, fragt er. Seine Antwort: „Sie haben graue Haare, sie sind schrumpelig und sie riechen immer nach Kartoffeln.“Aus dem Publikum gibt es Buh-Rufe, Moderatorin Andrea Kiewel ist stinksauer und bricht den Auftritt ab. Nicht nur wegen der peinlichen Witze, sondern auch, weil Mockridge wie ein Affe über die Bühne hüpft und Pupsgeräusche imitiert.
Es ist ein Tiefpunkt in der langen und erfolgreichen Geschichte der ZDF- Show. Seit 33 Jahren gibt es den Fernsehgarten, zum ersten Mal wurde er am 29. Juni 1986 ausgestrahlt. Moderiert wurde das Format damals von Ilona Christen. Ihr folgten Ramona Leiß, Dieter Thomas Heck, Rudi Cerne, Ernst-Marcus Thomas, Ingo Nommsen und eben Andrea Kiewel.
33 Jahre also. Eine Zeit, in der die Zuschauer der Sendung stets die Treue gehalten haben. Wie sehr die Deutschen das Format lieben, zeigt ein Blick auf die Quoten. Am Sonntag sahen 2,2 Millionen Menschen zu, der Marktanteil lag bei mehr als 17 Prozent.
Zum Vergleich: Beim Fernsehgarten-Konkurrenten der ARD, „Immer wieder sonntags“, schalten im Schnitt 1,5 Millionen Zuschauer ein. Der ZDF- Fernsehgarten schaffte es 2014 übrigens sogar ins Guinnessbuch der Rekorde – als am längsten laufende Live-Open-AirUnterhaltungsshow.
Angesichts des großen Erfolges fragt man sich schon: Was lieben die Menschen eigentlich so an diesem Format, das auch oft mit harscher Kritik umgehen muss? In einer Rezension etwa wurde die Show wenig liebevoll als „bizarrer Mix aus Bundesgartenschau und musikalischem Allerlei“bezeichnet.
Der renommierte Medienpsychologe Jo Groebel erklärt den Erfolg so: „Die Sendung ist ein Stück Fernsehen, wie man es von früher kannte. Die Familie versammelt sich, man schaut gemeinsam, es plätschert angenehm vor sich hin.“Ein bisschen sei das Format wie „ein guter alter Bekannter, der immer wieder zuverlässig auftaucht“. Außerdem sei die Mischung der Show so, dass für jeden etwas dabei ist, meint der Medienexperte. „Das ist wie eine Wundertüte.“
Den Auftritt von Mockridge fand auch Groebel befremdlich. Denn eigentlich habe der Comedian einen intelligenten Humor. „Das riecht eher nach einem PR-Coup für seine neue Sendung oder nach einer Wette“, sagt der Medienpsychologe. Was ihn noch stört: Er habe das Gefühl gehabt, dass Mockridge sich auf Kosten einer Zielgruppe lustig gemacht habe, die nicht seine ist: Senioren. „Das macht man nicht. Wir haben schon genug demografische Konflikte in unserem Land.“
Der Mockridge-Eklat war übrigens nicht die einzige Panne in der sonst so heimeligen FernsehgartenWelt. Erst vor wenigen Wochen musste die Live-Sendung wegen eines schweren Unwetters in ein Studio verlegt werden. 2012 störten Unbekannte den Auftritt von Roland Kaiser. Während die SchlagerIkone auf der Bühne stand, brüllten sie: „Deutschland ist scheiße – ihr seid die Beweise!“. Und dann ist da natürlich noch der Skandal um Moderatorin Andrea Kiewel. „Kiwi“musste die Sendung wegen Schleichwerbungsvorwürfen vorübergehend abgeben.
Komiker Luke Mockridge, 30, muss nach seinem Auftritt nicht mit konkreten Folgen rechnen. Es seien keine Konsequenzen geplant, sagte ein Sprecher des ZDF am Montag. Dazu, wie hoch die Gage für Mockridge gewesen ist und ob es dabei bleibe, machte er keine Angaben – zu vertraglichen Angelegenheiten äußere sich der Sender grundsätzlich nicht.