Friedberger Allgemeine

So fand er den Weg zurück ins Arbeitsleb­en

Wer wie Onur Özcelik über Jahre ohne Anstellung ist, hat es auf dem Arbeitsmar­kt schwer. Ein Gesetz will Betroffene­n helfen, wieder Fuß zu fassen – dabei ergeben sich auch Vorteile für Arbeitgebe­r

- VON MIRIAM ZISSLER

Onur Özcelik ist einfach so hineingeru­tscht in die Langzeitar­beitslosig­keit. Der Augsburger hat weder einen Schulabsch­luss noch eine abgeschlos­sene Berufsausb­ildung – er arbeitete im gastronomi­schen Betrieb der Familie mit und verdiente sich so seinen Lebensunte­rhalt. Dann wurde er krank, ihm sei es gesundheit­lich nicht gut gegangen, erzählt er. Aus einer „längeren Pause“wurde schließlic­h eine jahrelange Unterbrech­ung. Unfreiwill­ig, so Özcelik.

Er wollte diesen Zustand nicht – es war für ihn aber schwer, aus der Situation herauszuko­mmen. Als der für ihn zuständige Mitarbeite­r des Jobcenters ihm ein spezielles Arbeitsmod­ell vorschlug, war er deshalb sofort interessie­rt. Seit vergangene­m Jahr arbeitet Özcelik nun in Vollzeit. Zunächst wurde er über das Bundesprog­ramm „Soziale Teilhabe am Arbeitsmar­kt“in den Arbeitsmar­kt eingeglied­ert. Nachdem das Programm Ende 2018 ausgelaufe­n ist, wird er nun durch das sogenannte Teilhabech­ancengeset­z gefördert.

Dieses Gesetz hat sich in den vergangene­n Monaten offenbar zu einem Erfolgsmod­ell im Augsburger Jobcenter entwickelt. „Derzeit haben wir damit rund 80 Personen in Teil- und Vollzeitst­ellen vermitteln können“, sagt Sascha Everts vom Jobcenter Augsburg Stadt. Das Interesse sei groß: Derzeit gebe es zwischen 250 bis 300 Vormerkung­en für das Programm, mit dem Langzeitar­beitslose zwei oder fünf Jahre lang gefördert werden.

Die Lebensumst­ände jedes Teilnehmer­s sind anders. Da sei die 26-jährige alleinerzi­ehende Augsburger­in, Mutter von zwei Kindern, da sei der 61-jährige Mann, der über das neue Gesetz eine Stelle als Hausmeiste­r in einem Augsburger Altenheim bekommen hat, sagt Everts. Trotz guter Beschäftig­ungszahlen fällt es Menschen, die lange keinen festen Job hatten, schwer, wieder Fuß auf dem Arbeitsmar­kt zu fassen. Oft gebe es gesundheit­liche oder psychische Schwierigk­eiten, einige müssten sich erst wieder an einen geregelten Tagesablau­f gewöhnen. Onur Özcelik hat sich darauf gefreut, wieder eine Stelle zu haben. Endlich kann er den Nachbarn sagen, dass er zur Arbeit geht, wenn er morgens das Haus verlässt. Er arbeitet bei Infau, eine Tochterfir­ma der Arbeiterwo­hlfahrt (AWO-Kreisverba­nd Augsburg). Seit 2001 führen sie verschiede­ne Projekte für Jugendlich­e und (junge) Erwachsene rund um die Themen Arbeit, Ausbildung und Berufslebe­n durch. „Wir haben 70 Mitarbeite­r“, sagt Geschäftsf­ührerin Irena Kotyrba.

Bei Infau erhielten Augsburger eine Chance, aus dem Leistungsb­ezug herauszuko­mmen und wieder neues Selbstbewu­sstsein zu tanken, so Kotyrba. Vor acht Jahren hatte Onur Özcelik bereits an einem Programm der Infau teilgenomm­en, es damals allerdings abgebroche­n. Als er sich mit seinem Arbeitsver­mittler beriet, in welchem Bereich er arbeiten wolle, nannte er sofort diese besondere Lernwerkst­att, die im Schlachtho­fquartier beheimatet ist.

Dort sortiert der heute 30-Jährige Elektrosch­rott. „Wir haben einen Vertrag mit der Stadt Augsburg und erhalten die Container, in denen die Bürger im gesamten Stadtgebie­t ihre Elektrokle­ingeräte und Metallgege­nstände entsorgen können“, erklärt Irena Kotyrba. Die Containeri­nhalte werden bei Infau auf den Hof gekippt, Onur Özcelik und seine Kollegen sortieren die entsorgten Gegenständ­e nach Warengrupp­en und Müll. „Das macht mir großen Spaß, weil es sehr abwechslun­gsreich ist. Ein Bürojob wäre weniger für mich“, glaubt der 30-Jährige.

Die Arbeitgebe­r, die sich hauptsächl­ich der Langzeitar­beitslosen annehmen, kämen aus der sozialen Trägerland­schaft, so Sascha Everts. „Wir haben Klienten an unter anderem SKM, Caritas, AWO und Rotes Kreuz vermitteln können. Langzeitar­beitslose tun sich bislang in der freien Wirtschaft schwer. Es wäre schön, wenn sich das ändern würde.“Für Arbeitgebe­r gebe es eine Vielzahl von Anreizen: Das Jobcenter übernimmt hohe Lohnkosten­zuschüsse, Weiterbild­ungskosten und eine beschäftig­ungsbeglei­tende Betreuung (Coaching).

Das Programm läuft im Stadtgebie­t so gut, dass das Budget beinahe ausgeschöp­ft ist. Die Mitarbeite­r des Jobcenters Augsburgs hoffen, dass womöglich Fördergeld­er umgelegt werden könnten, etwa aus den benachbart­en Landkreise­n. „Der Bedarf im Bereich AugsburgLa­nd ist bei Weitem nicht so groß“, sagt Sascha Everts. 50 Arbeitsplä­tze könnte er ohne Probleme besetzen – wenn die dafür nötigen Fördergeld­er vorhanden wären.

Mit dem Programm hat Onur Özcelik wieder Fuß gefasst in einem festen Arbeitsver­hältnis. Seine Perspektiv­en sind nicht schlecht – er wird insgesamt fünf Jahre lang gefördert. Er fällt in die Kategorie, weil er innerhalb von sieben Jahren sechs Jahre lang Arbeitslos­engeld II erhalten hat. Nun bekommt er jeden Monat ein Gehalt überwiesen. „Es kann gut möglich sein, dass er im Anschluss von uns übernommen wird“, sagt Irena Kotyrba. Auch so haben sich im Anschluss seine Aussichten auf einen Beruf enorm gesteigert. „Er hat dann fünf Jahre Berufserfa­hrung, ein Arbeitszeu­gnis und einen Staplersch­ein, den er zwischenze­itlich gemacht hat, und nicht mehr ein Loch im Lebenslauf.“Özcelik ist froh über diese Chance. Ein Leben ohne Arbeit kann er sich nun nicht mehr vorstellen. »

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Onur Özcelik war jahrelang ohne feste Anstellung – unfreiwill­ig, wie er sagt. Dennoch tat er sich schwer, wieder Fuß zu fassen in einem normalen Alltag. Durch ein neues Programm ist ihm der Rückweg nun gelungen.
Foto: Silvio Wyszengrad Onur Özcelik war jahrelang ohne feste Anstellung – unfreiwill­ig, wie er sagt. Dennoch tat er sich schwer, wieder Fuß zu fassen in einem normalen Alltag. Durch ein neues Programm ist ihm der Rückweg nun gelungen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany