Ein starkes Zeichen für den Frieden
In Lindau suchen 900 Vertreter verschiedener Glaubensrichtungen nach Wegen, um die Welt besser zu machen. Zur Eröffnung formuliert Bundespräsident Steinmeier eine Botschaft
Lindau Sie wollen Frieden stiften und sind überzeugt davon, dass ihr Glaube sie dazu befähigt. Vier Tage lang tauschen sich in Lindau 900 Frauen und Männer aus 125 Ländern aus mit der Vision, die Welt friedlicher zu machen. Dabei wissen die Vertreter von über einem Dutzend Religionsgemeinschaften sehr wohl, dass im Namen des Glaubens Kriege geführt wurden und werden. Als „gemeinsame Botschaft von Lindau“forderte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seiner Eröffnungsrede: „Religion darf niemals Rechtfertigung von Hass und Gewalt sein. Kein Krieg darf geführt werden im Namen der Religion!“
Steinmeier hatte den Versammelten in der Inselhalle zuvor den Song „Imagine“von John Lennon als Friedenshymne angeboten und die Verse vorgetragen, in denen der Musiker von einer Menschheit träumt, die friedvoll zusammenlebt. Wie gerne sie Lennons Utopie teilen, zeigten die 900 Delegierten mit spontanem Applaus, woraufhin Steinmeier weitere Verse des „dezidiert religionskritischen Lieds“zitierte. Gibt es doch in der von Lennon als ideal geschilderten Welt weder Nationen noch Religionen, also „nothing to kill or die for“– „nichts, wofür es lohnt zu töten oder zu sterben“.
Für gläubige Menschen müsse Lennons Vorstellung eine Provokation darstellen, sagte Steinmeier. Dabei seien nicht nur im europäischen Mittelalter im Namen von Glaubensbekenntnissen Kriege geführt worden, „bei denen alle Menschlichkeit im wahrsten Sinne des Wortes zum Teufel ging“. Die Bewegung „Religions for Peace“, die seit ihrer Gründung vor fast 50 Jahren in Lindau ihre zehnte Weltversammlung abhält, trete den gegenteiligen Beweis an und verteidige damit die Glaubwürdigkeit der Religionen. Denn: „Zu den tiefsten Versprechen aller Religionen gehört der Friede.“
Steinmeier gesteht jeder Religion zu, dass sie in Anspruch nimmt, wahr zu sein. „Aber der Wahrheitsanspruch darf und kann nur friedlich vertreten werden“, sagte er den Vertretern muslimischer, hinduistischer, jüdischer, christlicher, indigener, taoistischer und vieler weiterer religiösen Gemeinschaften. Bei „Religions for Peace“wisse jeder um den eigenen Wahrheitsanspruch und um den des anderen. In der Zusammenarbeit aber spiele er keine Rolle: „Lehre trennt, Dienst eint.“
„Für unsere gemeinsame Zukunft sorgen“lautet das Motto der Lindauer Weltversammlung, die sich auch mit ökologischen, sozialen und politischen Problemen befasst. In ihren Grußworten bei der Eröffnung nannten Religionsvertreter einige Schwerpunkte. Die Unverhandelbarkeit der Menschenwürde unterstrich etwa Heinrich BedfordStrohm, Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche Deutschlands, und Reinhard Marx, Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, wies auf den gefährlich wachsenden Nationalismus hin. Vor Fundamentalismus warnte Erzbischof und Ökumenischer Patriarch Bartholomäus von Konstantinopel, während Scheich Abdallah Bin Bayyah, sunnitischer Gelehrter aus Saudi-Arabien, erklärte: „Friede und Toleranz ist das wahre Narrativ der Religionen.“Dass Zusammenarbeit von Religionsgemeinschaften nur gelingen könne, wenn sie gegenseitige Verletzungen anerkennen und einander um Vergebung bitten, betonte Vinu Aram, Vertreterin des Shanti-Ashram in Indien. Ihrer Aufforderung, ein gemeinsames Bekenntnis zur Friedensmission zu sprechen, folgten alle Besucher der Eröffnungsfeier.
Ob sie nun Kippa oder Kopftuch, Turban oder Bischofsmütze, Priesterkragen oder die Schläfenlocken orthodoxer Juden tragen: Die in
Steinmeier zitiert Song von John Lennon
Mit den Worten von Franz von Assisi
Lindau Versammelten setzen auf die friedensstiftende Kraft des Glaubens. Bis Donnerstag schildern sie einander in Workshops ihre Erfahrungen mit Versöhnungsinitiativen, in nichtöffentlichen Verhandlungen diskutieren sie über Konfliktzonen und mögliche Lösungsansätze. Nach Angaben der Organisatoren haben solche Dialoge bei früheren Versammlungen in Krisenregionen etwa auf dem Balkan, in Westafrika, Nahost, Indonesien und Sri Lanka positive Wirkung entfaltet.
Der deutsche Bundespräsident bemühte am Ende seiner Rede nach John Lennon einen weiteren großen Visionär. Er sprach die ersten Zeilen des Franz von Assisi zugeschriebenen Gebets „Gott, mach mich zu einem Werkzeug deines Friedens …“.