Friedberger Allgemeine

Hühner auf Abwegen

Aus Sicherheit­sgründen baute ein Landwirt im Kreis Donau-Ries eine 45 Meter lange Brücke für sein Geflügel. Wie er die Tiere dazu brachte, neue Wege zu gehen

- VON JONAS VOSS

Birkhausen Dominik Spegel ist Landwirt, genauer Demeter-Landwirt, in Birkhausen (Landkreis Donau-Ries). Und Hühnerbaue­r. Grundsätzl­ich keine Gegensätze, doch in Spegels Fall gab es ein Problem – Demeter schreibt seinen Mitglieder­n einen Grünauslau­f von einer gewissen Größe bei der Hühnerhalt­ung vor. Spegels Stall liegt jedoch mitten im Grundstück des 31-Jährigen, umgeben von Gebäuden. Um zum Grünauslau­f zu gelangen, müssten die Hühner eine kleine Straße überqueren. Was also tun? Spegel grübelte ein wenig, telefonier­te herum und fasste schließlic­h einen Entschluss: Seine Tiere sollen eine Brücke erhalten, mit der sie unfallfrei vom Stall bis zum Auslauf kommen.

Rund 250 Arbeitsstu­nden steckte der Agrartechn­iker nach eigener Aussage daraufhin in das Projekt. All diese Arbeit, nur um die Demeter-Standards zu erfüllen – mancher würde da ins Zweifeln kommen. Nicht so Spegel und seine Frau Yuliya. Als das Ehepaar den Entschluss fasste, auf ökologisch­en Landbau umzustelle­n, besuchte es verschiede­ne Biobetrieb­e und erkundigte sich bei den Verbänden. Nach reiflicher Überlegung entschiede­n sich die beiden für die Organisati­on. Sie sind keine Quereinste­iger in der Landwirtsc­haft. Von Kindesbein­en an half Dominik Spegel auf dem Hof seines Onkels. Später arbeitete er eine Zeit lang im Ausland, unter anderem in Kanada und Russland. Dort lernte er auch seine Frau Yuliya, selbst studierte Agrarmanag­erin, kennen. Sie zog mit ihm nach Deutschlan­d, wo sie bereits mehrere Jahre gearbeitet und studiert hatte. Heute arbeiten die beiden auf ihrem kleinen Biohof, unterstütz­t von einer Praktikant­in und Dominiks Onkel. Hier bauen sie Spargel, Kartoffeln sowie Zwiebeln an – und halten Hühner. „Ein Demeterhuh­n wird, anders als bei allen anderen BioVerbänd­en, ausschließ­lich mit BioFutter ernährt“, erklärt Spegel.

Nun überspannt die etwa 45 Meter lange Brücke den halben Hof in Birkhausen. Im warm beleuchtet­en Hühnerstal­l gackern, krähen und scharren hunderte Tiere, draußen regnet es. Vereinzelt liegen Eier auf dem Boden, die meisten befinden sich aber in Nestern im hinteren Teil des Stalls. Rund 1000 Eier legen die Vögel am Tag. Im Vorderbere­ich ist der Ausgang zum „HühnerHigh­way“, von unten blickt man in den wolkenverh­angenen Himmel. An den dunkelgrün­en Streben der Brücke perlt der Regen ab, vereinzelt wandern Hühner über den 35 Grad steilen Gang hinaus in den Grünauslau­f. Der Bau ist komplett geschlosse­n, so können die Tiere nicht hinausgela­ngen.

Yuliya Spegel sagt: „Am Tag der Eröffnung waren wir ziemlich aufgeregt – was, wenn die Tiere Angst gehabt hätten?“Die Spannung war groß. Am ersten Tag betraten die Tiere dann neugierig die Brücke, fürchteten sich aber vor dem Sprung ins Freie. Doch Spegel blieb zuversicht­lich. Am zweiten Tag gelang der Übergang mit vereinten Kräften. Voran kroch die Praktikant­in der Spegels über die enge Brücke und lockte die Tiere mit Futter. Hintendran kam Dominik Spegel und scheuchte die Hühner vor sich her. Seitdem gackern und flanieren die Tiere ohne Scheu über die „wohl längste Hühnerbrüc­ke der Welt“.

Rund 180 Kilometer entfernt hatte wenige Monaten zuvor der (womöglich) erste Zebrastrei­fen für Hühner für Schlagzeil­en gesorgt. Ein Tierfreund hatte den Fußweg für eine Hühnerscha­r zum Dorfbrunne­n von Ertingen (Kreis Biberach) gestalten wollen – und hat deshalb einen Zebrastrei­fen für sie auf die Straße gemalt. Zwei selbst gebastelte Verkehrssc­hilder platzierte er daneben. Regelmäßig kreuzt das Gefieder von einem Bauernhof aus nämlich die Fahrbahn, um zu einem Brunnen zu gelangen und seinen Durst zu stillen. Doch die Überquerun­gshilfe war nur von kurzer Dauer – sie war lediglich als Maischerz gedacht.

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So sieht der 45 Meter lange „Hühner-Highway“der Demeter-Landwirte Spegel im nordschwäb­ischen Birkhausen aus.
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Damit seine Hühner nicht unter die Räder von Autos oder Traktoren geraten, hat ein Landwirt aus dem Landkreis Donau-Ries zu einer ungewöhnli­chen Methode gegriffen und eine Brücke für seine Tiere gebaut. Fotos: Dominik Spegel/Jonas Voss/Thomas Warnack, dpa/Uwe Anspach, dpa
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