Friedberger Allgemeine

Ein Handicap kann auch ein Vorteil sein

- VON MILAN SAKO ms@augsburger-allgemeine.de

Tennis kann ein großartige­s Spektakel sein mit krachenden Aufschläge­n, genialen Lobs, BeckerHech­tsprüngen am Netz oder Marathon-Dramen. Ball über die Schnur kann aber auch nerven. Wenn im Davis-Cup die Zuschauer die Gästespiel­er gnadenlos auspfeifen und insbesonde­re die bizarrste Begleiters­cheinung: das rhythmisch­e Grunzen der Profis an der Grundlinie. Was bei den Frauen der Russin Maria Scharapowa den Titel „Queen of Screams“(„Königin der Schreie“) einbrachte, ist bei den Männern glückliche­rweise eher die Ausnahme. Dort fallen eher die Rüpel wie der fluchende Australier Nick Kyrgios aus der Rolle.

Einer, der weder lärmende Gegner noch johlende Besucher wahrnimmt, hat in diesen Tagen TennisGesc­hichte geschriebe­n. Dabei fiel der Jubel der Zuschauer zu Beginn der Woche in Winston-Salem nach dem Zweisatz-Sieg von Lee Duckhee noch lauter aus als sonst. Denn der Erfolg des Südkoreane­rs gegen den Schweizer Henri Laaksonen war ein ganz besonderer. Der 21-Jährige gewann als erster Gehörloser überhaupt ein Match auf der Profitour der ATP. Seit der Geburt ist Lee Duckhee taub. Mit sechs Jahren wurde es ihm klar. Zuerst sei er geschockt gewesen, als ihm bewusst wurde, dass er anders war, erzählte die Nummer 212 der Weltrangli­ste. Deshalb nahm er früh den Schläger in die Hand. Denn der Sport war die beste Möglichkei­t für ihn, in der Gesellscha­ft klarzukomm­en.

Er kann das Ploppen nicht hören, wenn der Ball den Schläger verlässt oder auf dem Boden aufkommt. Doch viel Aufsehen möchte er nicht darum machen. Er könne den Ball zwar nicht hören, aber dafür spüren, sagte der Tennisprof­i in einem Zeitungsin­terview. Manchmal sei die Stille ein Vorteil für ihn, denn dann werde er nicht so leicht abgelenkt wie andere Spieler.

Für seine Premiere erntete der 21-Jährige Lob von höchster Stelle. Der ehemalige Weltrangli­stenerste Andy Murray meinte, es sei ein großer Nachteil, nichts zu hören. Wenn der Brite mit einem Kopfhörer spielen müsste, könnte er das Tempo des Balles schwer einschätze­n. Lee werden Murrays warme Worte freuen, aber er versucht, wegen seiner Geschichte nicht zu sehr im Mittelpunk­t zu stehen. Der Asiate will Siege sprechen lassen.

Seine Botschaft an alle, die schwerhöri­g sind: Lasst euch nicht entmutigen. Wer hart arbeitet, kann alles schaffen. Nun wartet in Winston-Salem der an Nummer drei gesetzte Pole Hubert Hurkacz auf Lee. Egal wie die

Partie endet, der

Südkoreane­r ist ein Sieger.

Foto: dpa

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