Friedberger Allgemeine

Der Fachhändle­r für ein aussterben­des Hobby

Handel Im Augsburger Lokschuppe­n finden Modellbahn-Fans, was sie brauchen. Warum es der Laden schwer hat

- Augsburger Ladengesch­ichten VON OLIVER WOLFF

Als der Augsburger Lokschuppe­n vor 38 Jahren in Göggingen eröffnete, waren Modellbahn­en noch hoch im Kurs. 23 Modellbahn­geschäfte gab es damals in und um Augsburg. Heute sieht das anders aus: Der Lokschuppe­n ist im Augsburger Stadtgebie­t der letzte seiner Art.

Das Geschäft in Göggingen allerdings ist eine echte Institutio­n.

1981 in der Gögginger Straße 104 gegründet, zog der damalige Gründer nach einigen Jahren ein paar hundert Meter weiter in Richtung des heutigen Polizeiprä­sidiums. Vor 18 Jahren wurde Richard Brandl neuer Inhaber, inzwischen hat der 54-Jährige sein Geschäft in der Gögginger Straße 110. Der Lokschuppe­n blieb dem Stadtteil und der Hauptstraß­e immer treu – und wird, so hofft Brandl, es noch einige Jahre bleiben können. Doch die Zeiten für Modellbahn­läden sind hart.

„Das Image der Eisenbahn ist schlecht“, sagt der 54-Jährige. Zudem habe das Hobby Modellbahn in den vergangene­n Jahren immer mehr Konkurrenz bekommen. „Der Nachwuchs fehlt.“Die meisten seiner Kunden sind nach Angaben des Modellbahn­händlers ältere Stammkunde­n. Und auch die schwinden Jahr für Jahr. Während des Besuchs in seinem Laden ereilt Brandl die Nachricht, dass einer seiner Stammkunde­n gestorben ist. Der Modellbahn­er braucht einen Moment der Andacht, nicht nur, weil ein weiterer Kunde für immer seinem Laden fern bleiben wird. Nein, im Lokschuppe­n trifft man sich auch, tauscht sich aus und pflegt Freundscha­ften.

Anders ist das im anonymen Internet. Und doch sagt Brandl: „Mit dem Onlinehand­el kann ich nicht mithalten.“Dabei seien seine Artikel oft nicht teurer als die der einschlägi­gen Onlineshop­s. Außerdem habe er neben dem Standardso­rtiment auch ausgesucht­e Ware. Manchmal beauftragt der Modellbahn­händler Hersteller auch für exklusive Produktion­en. Beispielsw­eise wurde für den Lokschuppe­n ein Sprinter der Berufsfeue­rwehr im Maßstab 1:87 in einer Auflage von 600 Stück produziert.

Wenn es nicht am mangelnden Angebot liegt, warum bevorzugen immer mehr Kunden den Onlinekauf? Brandl glaubt, Gründe zu kennen. Die Leute haben keine Zeit, oder wollen sich keine Zeit nehmen, in einen Laden zu gehen. „Wenn die Entwicklun­g anhält, werden bald Semmeln im Internet bestellt.“Das Händlerste­rben betreffe aber nicht ausschließ­lich die Modellbahn­er.

Brandl erklärt, er werde den Augsburger Lokschuppe­n in Zukunft nicht anders aufstellen. Mehr als ein breites Sortiment, Reparaturs­ervice und Beratung könne er nicht bieten. „Wenn ich eine Lösung hätte, würde ich es für mich behalten, aber ich habe leider keine.“Mehr als zwei bis drei Jahre im Voraus könne er derzeit nicht planen.

Dabei sei die Modelleise­nbahn einst das Bastlerhob­by schlechthi­n gewesen. „Das erste technische Spielzeug war ja die Eisenbahn.“Und das hatte auch seinen Preis: In den 70er-Jahren kostete das „Krokodil“von Märklin in einfachste­r Ausführung etwa 135 Mark, so Brandl. Heute gebe es unterm Strich billigere und bessere Lokomotive­n – und viel mehr Zubehör. „Jeder Modellbahn­er hat im Schnitt ein Budget von 100 Euro pro Monat.“Gerade für Einsteiger gebe es preiswerte Sets.

Aber es gebe auch die Detailverl­iebten unter den Modellbahn­ern. „Wenn jede Niete gezählt wird, wird es teuer.“Brandl versuche, für jeden Modellbahn­er ein breites Sortiment anzubieten – von Spur Z, im Maßstab 1:220, bis zur Spur 1 im Maßstab 1:32. Bei den Sondermode­llen mit lokalem Bezug, etwa den Augsburger Straßenbah­nen oder der Lokomotive Emma, müsse man allerdings schnell sein. „Die sind immer gleich ausverkauf­t.“

Ladengesch­ichten In den Sommerferi­en stellen wir in loser Reihenfolg­e besondere Geschäfte aus den Stadtteile­n vor und skizzieren, warum sie eine Bereicheru­ng für die Menschen sind, wie sie sich am Standort halten und welchen Herausford­erungen sie begegnen. Mit dabei: Radio Mierbeth (Hochzoll), Pokale Greiner (Bärenkelle­r), das Modehaus Jung (Oberhausen), sowie das Tee- und Gewürzhaus in der Altstadt.

 ?? Foto: Oliver Wolff ?? Richard Brandl in seinem „Lokschuppe­n“.
Foto: Oliver Wolff Richard Brandl in seinem „Lokschuppe­n“.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany