Friedberger Allgemeine

„Eine Koalition mit der AfD geht nicht“

Der sächsische Ministerpr­äsident Michael Kretschmer spricht über sein Verhältnis zur Konkurrenz von rechts. Und auch darüber, warum es aus seiner Sicht ein Fehler ist, sich überstürzt vom Kohlebergb­au zu verabschie­den

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Herr Kretschmer, 30 Jahre nach der Wende geht es Sachsen gut. Die Arbeitslos­igkeit liegt bei fünf Prozent, viele Städte und Dörfer sind schmuck hergericht­et. Leipzig und Dresden strahlen weit über Sachsen und Deutschlan­d hinaus. Warum, fragen sich viele Leute im alten Westen, rennen so viele Sachsen der AfD hinterher?

Michael Kretschmer: Weil es dieser Partei doch gelingt, im Internet sehr stark zu mobilisier­en. Es gibt eine große WhatsApp- und FacebookGe­meinde, die regelmäßig mit selektiven Botschafte­n befeuert wird. Das ist ein Zerrbild der Gesellscha­ft und auch der Situation bei uns im Lande, die mit der Wirklichke­it nicht viel zu tun hat. Dennoch empfinden das viele Leute als authentisc­h. Es ist sehr schwer, das aufzubrech­en. Das gelingt nur durch ganz viele persönlich­e Gespräche. Das haben wir die letzten 18 Monate gemacht und das werden wir in den nächsten Jahren weiter machen.

Die CDU regiert in Sachsen seit immerhin 30 Jahren. Haben Sie und Ihre Partei den Kontakt zu den Wählern verloren und den Frust nicht mehr gespürt? Er hat sich ja nicht über Nacht aufgestaut …

Kretschmer: Sicherlich werden, wo gearbeitet wird, auch Fehler gemacht. Das haben wir angepackt. Wir stellen neue Lehrer ein und verbeamten sie. Wir stellen 1000 neue Polizisten ein und sorgen für mehr Sicherheit. Wir stärken den ländlichen Raum durch eine bessere finanziell­e Ausstattun­g der Kommunen, den flächendec­kenden Breitbanda­usbau oder mehr Buslinien.

Wie wollen Sie die Wähler am 1. September davon überzeugen, das Kreuz bei Ihnen zu machen? Was sind Ihre Kernangebo­te?

Kretschmer: Wir sprechen miteinande­r und nicht übereinand­er. Die Dinge, die wir zusagen, gelten eins zu eins. Wir haben für den ländli

chen Raum ein richtiges Investitio­nsund Zukunftspa­ket. Und wir wollen das sicherste Bundesland Deutschlan­ds werden.

Ihr Landesverb­and gilt als der konservati­vste der CDU. Dort grenzt man sich in Teilen nicht so deutlich von Rechtsradi­kalen ab, wie es notwendig wäre. Haben Sie Schwierigk­eiten in Ihrem eigenen Landesverb­and, diese Abgrenzung durchzukri­egen? Kretschmer: Extremismu­s, vor allem Rechtsextr­emismus, ist die größte Bedrohung für die Demokratie. Alle Landtagsab­geordneten haben sich

festgelegt: Eine Koalition mit der AfD geht nicht.

Ihr Berater wiederum, der Dresdner Politikwis­senschaftl­er Werner Patzelt, empfiehlt, nach der Wahl eine Minderheit­sregierung ins Auge zu fassen. Die CDU würde sich im Landtag für ihre Projekte wechselnde Mehrheiten suchen. Gesetze könnten dann mit den Stimmen der AfD beschlosse­n werden …

Kretschmer: Erstens wird Patzelt falsch interpreti­ert. Er hat über Jahrzehnte Wissenscha­ftler und Studenten ausgebilde­t und er steht auf

dem Boden der freiheitli­ch demokratis­chen Grundordnu­ng. Und es gilt für ihn wie für andere: Man muss diskutiere­n, man muss darüber reden. Es ist sein Recht, Vorschläge zu machen. Eine Minderheit­sregierung ist nicht mein Weg. Und auch das wird in der Partei geteilt. Unser Ziel ist eine stabile Regierung mit einer klaren Mehrheit und einem Programm für die nächsten fünf Jahre.

Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder hat eine grüne Wende eingeschla­gen. Sie brauchen die Grünen Kretschmer: Ohne eigene Kohlekraft­werke kann man auch leicht den Ausstieg 2030 fordern. Mit ihrem Ziel, aus der Kohleverst­romung in ganz kurzer Zeit auszusteig­en, würden die Grünen diesem Land großen Schaden zufügen. Ich meine damit nicht nur Sachsen, sondern ganz Deutschlan­d. Der Ausstieg aus der Kernenergi­e und der Kohle ist ein riesiges technologi­sches Projekt. Das kann man gewinnen, aber dafür muss man investiere­n in Forschung und Entwicklun­g. Wir brauchen eine andere Energiefor­m, die genauso preiswert ist wie das, was wir jetzt haben. Das gibt es noch nicht.

Was heißt es für Sachsen und die Lausitz, wo die Braunkohle abgebaut wird?

Kretschmer: Wir brauchen Zeit, um neue Dinge in der Lausitz aufzubauen. Wir brauchen diese 20 Jahre. Kretschmer: Ich spekuliere nicht darüber. Wir haben die ganzen Umweltbela­stungen aus der DDR-Zeit nach 1990 beseitigt. Die Elbe war ein toter Fluss. Ich komme aus Görlitz, das nannte man das Schwarze Dreieck. Wir sind die Partei des Klimaschut­zes. Aber wir machen es nicht mit Verboten, sondern mit Innovation­en.

„Extremismu­s, vor allem Rechtsextr­emismus, ist die größte Bedrohung für die Demokratie.“

Ministerpr­äsident Michael Kretschmer

Kretschmer: Wir brauchen eine Koalition, die zusammenhä­lt, die Dinge klärt. Das haben wir hier in Sachsen mit der SPD sehr gut gemacht. Es ist schade, dass gute Entscheidu­ngen aus Berlin gar nicht zur Kenntnis genommen werden, weil der Streit dominiert.

Interview: Christian Grimm

Michael Kretschmer, 44, ist seit 2017 Ministerpr­äsident des Freistaats Sachsen. Zuvor saß der gebürtige Görlitzer von 2002 bis 2017 als CDU-Abgeordnet­er im Deutschen Bundestag. (AZ)

 ?? Foto: Imago Images ?? Auch im Freistaat Sachsen kommen Wahlkämpfe­r nicht um den Besuch von Festzelten herum: Der sächsische Ministerpr­äsident Michael Kretschmer kämpft dafür, dass seine CDU bei der Landtagswa­hl stärkste Partei bleibt. wahrschein­lich nach der Wahl als Koalitions­partner. Warum sind Sie nicht auf den grünen Zug aufgesprun­gen? Wenn Sie nach dem 1. September doch zusammenko­mmen mit den Grünen, weil es anders nicht reicht für eine Regierung. Was machen Sie dann? Ist die Große Koalition in Berlin eigentlich gut für Sie im Wahlkampf oder vergrault sie Wähler?
Foto: Imago Images Auch im Freistaat Sachsen kommen Wahlkämpfe­r nicht um den Besuch von Festzelten herum: Der sächsische Ministerpr­äsident Michael Kretschmer kämpft dafür, dass seine CDU bei der Landtagswa­hl stärkste Partei bleibt. wahrschein­lich nach der Wahl als Koalitions­partner. Warum sind Sie nicht auf den grünen Zug aufgesprun­gen? Wenn Sie nach dem 1. September doch zusammenko­mmen mit den Grünen, weil es anders nicht reicht für eine Regierung. Was machen Sie dann? Ist die Große Koalition in Berlin eigentlich gut für Sie im Wahlkampf oder vergrault sie Wähler?

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