Friedberger Allgemeine

Paris befreit: Tag des Triumphes für de Gaulle

Vor 75 Jahren kapitulier­ten die deutschen Besatzer. Ein neues Museum illustrier­t die dramatisch­en Geschehnis­se

- VON BIRGIT HOLZER

Paris „Paris wurde beleidigt. Paris wurde gebrochen. Paris wurde gequält. Aber Paris ist befreit! Befreit durch sich selbst, befreit durch sein Volk mithilfe der französisc­hen Armee und mit der Unterstütz­ung von ganz Frankreich.“Die triumphier­enden Worte von Charles de Gaulle bei seiner berühmten Rede am 26. August 1944, einen Tag nach der Kapitulati­on der deutschen Besatzer, die er vor dem Pariser Rathaus hielt, gehören zum französisc­hen Kulturgut. Zuvor war der Chef des „Freien Frankreich“, der während des Zweiten Weltkriegs vom Londoner Exil aus den Widerstand organisier­t hatte, unter dem Jubel begeistert­er Menschen die ChampsÉlys­ées entlangges­chritten.

Indem de Gaulle in seiner Rede die Bedeutung der Alliierten bei der Befreiung von Paris überging und diese ganz als französisc­hen Erfolg darstellte, legte der spätere Präsident den Grundstein für den Mythos eines stets souverän gebliebene­n Frankreich sowie für seinen eigenen Ruhm. Dieser lebt bis heute fort, auch wenn Historiker die Hintergrün­de längst aufgearbei­tet haben. Demnach planten Briten und Amerikaner die Einnahme der französisc­hen Hauptstadt zu einem späteren Zeitpunkt, während de Gaulle, der einen Bürgerkrie­g fürchtete, stark dazu drängte. Als die Résistance ab dem 19. August 1944 einen bewaffnete­n Aufstand organisier­te, wurden schließlic­h alliierte Truppen zu deren Unterstütz­ung geschickt. So bestand die erste Einheit, die in Paris eintraf, nicht aus Franzosen, sondern Spaniern. Als Militärope­ration von großer strategisc­her Bedeutung gilt die Befreiung der Stadt, die Hitler zerstört sehen wollte, nicht. Ein weltweites Echo erzeugte sie vielmehr aufgrund ihrer symbolisch­en Kraft.

Zum 75. Jahrestag an diesem Sonntag eröffnet in Paris das „Musée de la Libération“, das der Besatzungs­zeit, der Résistance und vor allem zwei ihrer herausrage­nden Persönlich­keiten gewidmet ist: Zum einen Jean Moulin, dem Koordinato­r des inneren Widerstand­s gegen das mit den Nazis kollaborie­rende Vichy-Régime, der 1943 bei Lyon festgenomm­en wurde und nach grausamer Folter starb. Zum anderen Philippe de Hauteclocq­ue, der unter seinem Tarnnamen General Leclerc mit Truppen afrikanisc­her Kolonien die Sahara bis zum Mittelmeer durchquert­e, sich an der Landung der Alliierten in der Normandie beteiligte und am 25. August in Paris eintraf.

Das Ziel des Museums bestehe darin, „dem Publikum eine entscheide­nde Seite der Geschichte Frankreich­s über den Weg dieser beiden sehr verschiede­nen Männer nahezubrin­gen“, sagt Museumsdir­ektorin Sylvie Zaidman. Die Kollaborat­ion, die aktive Teilnahme an der Judenverfo­lgung und die Massenfest­nahmen bei der Razzia am Wintervelo­drom werden zwar thematisie­rt, das Hauptaugen­merk liegt aber auf der Résistance. Erstmals kann der Bunker 20 Meter unter Straßenniv­eau besichtigt werden, in dem Henri Rol-Tanguy, einer der Résistance-Chefs, ab 20. August 1944 seinen Kommandopo­sten eingericht­et hatte – mitsamt Fahrrädern, um notfalls Strom erzeugen und entlüften zu können.

Neben Videos von Zeitzeugen, Zeitungsti­telseiten oder Plakaten nimmt das Alltagsleb­en der Pariser Bevölkerun­g im Zweiten Weltkrieg viel Raum in der Dauerausst­ellung ein. Die deutschen Besatzer, die in den schicksten Hotels der Stadt logierten und das Kulturange­bot genossen, wurden von den meisten Menschen demnach mehr schlecht als recht erduldet. Sie warteten, so wie Marguerite Sabaut, die sich in dieser Zeit ein Kleid in den Farben der französisc­hen Trikolore – bedruckt mit Symbolen wie dem Eiffelturm und dem Triumphbog­en – schneidert­e, in der Hoffnung, es einmal tragen zu können. Was sie auch tat – am 26. August 1944, als sie in der Masse stehend Charles de Gaulle zujubelte.

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Foto: dpa Lange herbeigese­hnt: US-amerikanis­che Truppen marschiere­n nach der Befreiung über die Champs-Élysées in Paris.
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Foto: dpa Symbol des französisc­hen Widerstand­s: Charles de Gaulle.

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