Amazonas in Flammen
Während der Regenwald brennt, bezichtigt der Präsident ausgerechnet die Umweltschützer, Feuer gelegt zu haben
São Paulo In Brasilien steht der Wald in Flammen. Seit Wochen wüten tausende Feuer im Amazonasgebiet und den angrenzenden Steppengebieten. Die Flammen fressen sich durch das Unterholz, verzehren Bäume und Sträucher und hinterlassen nichts als verbrannte Erde. „Noch nie hat es so viel gebrannt. Noch nie ist es uns so schwer gefallen zu atmen“, sagte die Bürgermeisterin der Ortschaft Brasiléia im Bundesstaat Acre, Fernanda Hassem, der Zeitschrift Valor. „Das macht uns Angst.“
Selbst im fast 2000 Kilometer von den Brandherden entfernten São Paulo sind die Auswirkungen zu spüren: Mitten am Tag verdunkelte sich der Himmel über der Millionenmetropole und es fiel schwarzer Regen. Laut einem Bericht der Zeitung Folha de S. Paulo haben die Brände, Feuer und Brandrodungen in Brasilien seit Januar im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 83 Prozent zugenommen. Insgesamt seien 72843 Brände registriert worden. Meist seien Flächen in Privatbesitz betroffen, aber auch in Naturschutzgebieten und indigenen Ländereien brenne es immer wieder. „Alle Brände im Amazonasgebiet werden auf die eine oder andere Weise von Menschen verursacht“, sagt der Leiter des Amazonasprogramms der Umweltorganisation WWF, Ricardo Mello. Häufig würden Farmer zunächst die Bäume abholzen und dann Feuer legen, um neue Weideflächen für ihr Vieh zu schaffen. Medienberichten zufolge war genau das zuletzt auch im Bundesstaat Pará der Fall. Dort ermittelt nun die Staatsanwaltschaft und will prüfen, warum der von Bauern angekündigte „Tag des Feuers“vor einer Woche nicht verhindert wurde.
Wegen der Dürre in der Region breiten sich die Brände immer weiter aus. „Das Feuer greift von den offenen Flächen auf noch intakte Waldgebiete über“, sagt Mello. „Das bedeutet, die Brände haben einen doppelten negativen Effekt.“Die meisten Brände wurden zuletzt im Bundesstaat Mato Grosso gemeldet. Die Löscharbeiten gestalten sich schwierig, da es in der Region nur wenige Straßen gibt und sich die Einsatzkräfte deshalb mit Booten auf Flüssen bewegen müssen. Zudem gibt es unterirdische Feuer, die lange unentdeckt bleiben.
Die Brandbekämpfung im brasilianischen Regenwald wird teilweise vom Amazonas-Fonds finanziert, um den ein heftiger Streit entbrannt ist. Weil unter dem rechtsgerichteten brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro die Abholzung des Regenwaldes zuletzt kräftig zugelegt hatte, fror Hauptgeldgeber Norwegen seine Mittel ein.
Der Staatschef hat für die verheerenden Waldbrände indes eine ganz eigene Begründung. Nichtregierungsorganisationen könnten für die Feuer verantwortlich sein, um sich für die Kürzung von Zuschüssen zu rächen und seine Regierung zu diskreditieren, sagte Bolsonaro. Belege für seine Vorwürfe legte er zunächst nicht vor. „Diese Behauptung des Präsidenten ist unverantwortlich. Der Schutz der Umwelt hat für die Nichtregierungsorganisationen oberste Priorität. Es hat keinen Sinn, zu behaupten, wir hätten das Feuer gelegt. Das ist absurd“, sagte der Präsident des Instituts für Umweltschutz (Proam), Carlos Bocuhy.
Bolsonaro betrachtet den Regenwald als wirtschaftlich ungenutztes Potenzial. Er will keine neuen Schutzgebiete im Amazonasgebiet ausweisen und weitere Rodungen zulassen. Umweltverbände kritisieren die Pläne, weil der Regenwald als CO2-Speicher für den internationalen Klimaschutz von großer Bedeutung ist. Zuletzt hatten Großgrundbesitzer und Farmer im Südwesten des Bundesstaates Pará einen „Tag des Feuers“ausgerufen und in einer koordinierten Aktion große Flächen entlang der Landstraße BR-163 in Brand gesteckt. „Wir wollen dem Präsidenten zeigen, dass wir arbeiten wollen“, zitiert die Lokalzeitung Folha do Progresso einen der Organisatoren. „Um unsere Weiden anzulegen und zu säubern, legen wir Feuer.“Für die Umweltorganisationen ist Bolsonaro damit der eigentliche Brandstifter.