Friedberger Allgemeine

Der Sheridan-Park – (fast) wie im Urlaub

Reportage In Pfersee ist ein Vorzeige-Viertel entstanden. Auf dem Areal wird gelebt, gearbeitet, gespielt und sich erholt. Die Natur erinnert daran, wer hier früher war

- VON STEPHANIE LORENZ

Als hätte ein Riese Mikado gespielt. So liegen sie da, die grauen Baumstämme, gestapelt in verschiede­n großen Haufen. Aus dem größten krabbeln Lisa und Sophie hervor. Wasser plätschert aus kleinen Felsen, auf dem Boden bilden sich Pfützen. Die blonden Schwestern knien sich hinein und lassen Schlamm durch ihre Finger gleiten. „Komm, wir bauen hier jetzt was aus Natur“, ruft Sophie. Das müssen sich die Macher des SheridanAr­eals auch gedacht haben, meint man, spaziert man den fast eineinhalb Kilometer langen Park in Pfersee entlang. Vorbei an viel Grün, Häusern, Kirchen, Firmenfass­aden und Spielplätz­en, die sich so unaufdring­lich in die Umgebung einfügen, dass sie von Weitem kaum zu erkennen sind.

Den „natürliche­n See mit einem Wasserfall aus Steinen“, den Sophie auf dem Abenteuers­pielplatz bauen will, gibt es hier zwar nicht, dafür aber vieles andere, was Menschen jeden Alters schätzen. Wie ist es, im Sheridan-Park zu leben und zu arbeiten? Anwohner, die Mitarbeite­r der ansässigen Firmen und Parkbesuch­er sind begeistert – aber nicht restlos. Ein paar Wünsche sind noch offen.

Angelika Rill wohnt seit sieben Jahren in einem Reihenhaus auf dem Gelände, das im Norden durch die Stadtberge­r Straße begrenzt wird. Dort, wo die Straßenbah­nlinie 3 an der Haltestell­e „Westfriedh­of“hält und Menschen im Rewe im „Sheridan Center“einkaufen gehen. Die Lage und die Nachbarsch­aft findet sie „genial“.

Wie die Rills, die drei Kinder im Alter von vier, sechs und acht Jahren haben, bauten hier im nördlichen Teil zwischen 2011 und 2012 viele junge Familien. Sie zogen alle gleichzeit­ig ein, haben Kinder im gleichen Alter. Vor den Häusern herrsche Dauerbetri­eb, sagt Angelika Rill. Die Kinder fahren Rad, Roller und Inliner, manchmal wird es laut. Logisch, dass hier Spielstraß­e gilt. Nur sehen das manche Autofahrer nicht, klagen die Eltern. Das Schild am Anfang der Otto-SchalkStra­ße sei zu klein. Sie wünschen sich eine große, blaue Bodenmarki­erung, wie es eine im südlichen Teil des Parks in der Oskar-SchindlerS­traße gibt.

Das Sheridan-Gelände ist „cool“geplant worden, findet Angelika Rill: Die grünen Wiesen des Parks gleich nebenan, alle 200 Meter Spielstati­onen und zur Schule sind es auch nur ein paar hundert Meter – ohne eine Straße zu überqueren. Sie sei dankbar, sagt sie. „Wo sonst kannst du noch solche Viertel entstehen lassen?“Dass hier einmal eine riesige Militärflä­che war, interessie­re die Zugezogene­n eher weniger, sagt sie. Ein Vorteil: „Hier sind keine Altlasten zu befürchten, hier wurde ja alles umgegraben.“

Die 16-jährige Emma, deren Elternhaus an den Park angrenzt, erinnert sich noch an Zeiten, in denen sie jünger und das Betreten des Geländes tabu war. Dann begann die Konversion der Flächen. Vom Balkon aus habe sie damals gesehen, wie die Bauten der Amerikaner gesprengt worden seien. „Das war ein großes Erlebnis“, sagt die Schülerin. Heute sitzt sie auf dem höchsten der hellgrauen Steinbrock­en, die auf einer Kiesfläche zum Klettern aufgestell­t wurden – statt bunter Kletterwän­de mit Kunststoff­haltegriff­en.

Im Hintergrun­d reihen sich dreistöcki­ge Wohnhäuser aneinander. Sie wirken weit weg und sie wirken alle gleich. Hell gestrichen, flache Dächer, Balkone. Ein bisschen fühlt man sich wie in einer Ferienanla­ge. Einheitlic­he Bebauung am Rand, in der Mitte des Parks saftig grün Wiesen, die von Radund Spazierweg­en durchzogen sind. Auf einer der Rasenfläch­en sitzen Mütter mit ihren Babys auf Decken im Gras, ein paar Meter weiter lehnt ein Mann mit Käppi, Brille, kurzer Hose und langem Bart sein E-Bike an eine Parkbank und setzt sich. Es ist Thomas Beyer aus Deuringen, einem Stadtteil von Stadtberge­n. Er hat sich beim Rewe Salat gekauft, macht eine Pause und wird dann noch eine Runde im Park drehen. „Is scho schee“, sagt der 48-jährige Lkw-Fahrer, der heute Nachtschic­ht hat. Er legt seinen Arm auf der Rückenlehn­e ab und blickt sich um. „Nur wenige Parkbänke gibt es, finde ich. Das hier war die einzige im Schatten.“

50 Meter weiter südlich freuen sich Sportler über die Sonne. Man hört das unregelmäß­ige Klatschen eines Basketball­s, der auf den Boden trifft, und von Händen, die auf den Volleyball schlagen. Auch vier Tischtenni­splatten gibt es, aber spielen kann man gerade nicht: Der Regen am Vormittag hat kleine Pfützen an den Tischenden hinterlass­en. Am Beachvolle­yballfeld läuft Hip-Hop-Musik, im Baum nebenan kräht ein Vogel, irgendwo läuten Kirchturmg­locken und noch weiter weg, ganz leise, wird gefräst. Vermutlich auf einer der Baustellen im Gewerbegeb­iet im Westen des Parks.

Robin Brendel und seine Freunde packen zusammen. Genug Volleyball gespielt für heute. Der 19-Jährige aus Göggingen findet den Park „saucool“. Man habe viel Platz für Sport und könne immer bei jemandem mitspielen. Und sehr sauber sei es. Brendel absolviert eine Ausbildung zum Erzieher und weiß: Auch für die Kleinen ist viel geboten. Davon kann man sich schräg gegenüber überzeugen, wo Kinder auf Rädern, Rollern und Longboards über wellenförm­ige Betonhügel fahren, umgeben von unterschie­dlichen Gräsern und Bäumen.

Die Vielfalt an Pflanzen fällt sogar Botanik-Banausen auf. Es gibt verschiede­ne Eichen-, Eschen- und Robinienar­ten, Pappelhain­e und ein Birkenwäld­chen. Die Grasfläche­n bestehen vor allem aus Präriestau­den, mit denen ein Hauch von Nordamerik­a im Park geblieben ist. Noch mehr Amerika-Feeling herrscht im Herbst: Viele Bäume tragen rotes Laub. „Indian Sumleuchte­nde in Pfersee also. Dieses Motto wurde festgelegt, als man die Grüngestal­tung des Sheridan-Parks konzipiert­e. Grüne Pflanzenin­seln liegen auf dem breiten Weg, der den Park von Norden nach Süden durchquert. Wie ein Fluss schlängelt er sich auf über einem Kilometer Länge durch das Gelände und teilt das Sheridan-Areal in zwei Hälften. Mitten drin: Gebäude 136, die frühere Chapel der Amerikaner. Die Kapelle mit ihrer amerikanis­chen Architektu­r soll erhalten bleiben. Nach Angaben der Wohnbaugru­ppe Augsburg laufen derzeit Verhandlun­gen mit verschiede­nen Interessen­ten.

Von hier aus ist die Aufteilung des Parks gut erkennbar: Arbeiten im Westen, Leben und Wohnen im Norden und Osten. Modern wirken die Häuser, grün die Gärten, ruhig die Straßen. Pastellfar­ben dominieren. Auch in den Wohnvierte­ln entdeckt man kleine Spielplätz­e. Wollte man Stadtviert­el-Idylle aufmalen, so sähe sie aus.

„Ich will hier nicht mehr weg“, sagt Rommy Lucius-Kuhn, die außerhalb des Areals auf der anderen Straßensei­te der Bürgermeis­terBohl-Straße wohnt, die die östliche Parkgrenze markiert. Sie habe die Westlichen Wälder gleich ums Eck und „einen Park vor dem Haus, der für Jugendlich­e, Erwachsene und Rentner attraktiv ist“. Sie komme gerne mit ihren Enkeln hierher, sagt die 58-Jährige. Noch wohnt sie in einem Reihenhaus. Doch das würde sie sofort gegen eine Wohnung direkt im Sheridan-Park tauschen. Hier könne man seine Freizeit so schön genießen.

Auch die Bedienstet­en im Gewerbegeb­iet? Matthias Soppart und Nils Hullermann schütteln den Kopf. In der Mittagspau­se gehen sie nicht in der Grünanlage spazieren. Die beiden arbeiten für die Augsburger Allianz-Geschäftss­telle im südlichen Teil des Sheridan-Parks. Sie schätzen etwas anderes: „Die B 17 vor der Haustüre.“Und damit die gute Anbindung an ihr Vertriebsg­ebiet, wie nach Landsberg im Süden oder Nördlingen im Norden. Was sie mehr beschäftig­t als die Freizeitmö­glichkeite­n: Es gibt zu wenige Parkplätze vor dem Haus, seit gegenüber gebaut wird. Dort entsteht ein Facharztze­ntrum, angrenzend an das neue Sport- und Gesundheit­szentrum des Post SV Augsmer“ burg. Als das vor etwa einem Jahr eröffnete, haben sich Matthias Soppart und Nils Hullermann gefreut: Im öffentlich­en Bistro des Neubaus können sie nun bequem Mittagesse­n gehen. Mira Seelbach steht dort hinter der Theke. In den Park zu gehen, dafür hat sie keine Zeit. Es sei aber schön, in so einem modernen Umfeld zu arbeiten. Im Gewerbegeb­iet spreche sich langsam herum, dass man mittags auch im Sportzentr­um essen kann, nicht nur im Sheridan Tower.

Vor einer Kanzlei hievt eine Mitarbeite­rin Ordner in ihren Kofferraum. Nein, das Mittagsang­ebot nutze sie nicht, sagt sie, auch die angrenzend­en Grünfläche­n und Sportangeb­ote nicht. Man sitze mittags in der Arbeit zusammen und ratsche. Der Vorteil, im Sheridan-Park zu arbeiten? Man könne mit dem Auto in die Arbeit fahren und finde immer einen Parkplatz, sagt die Frau, die von Landsberg aus nach Pfersee fährt. Sie lächelt und macht den Kofferraum zu. Feierabend.

Arbeiten und Leben im SheridanPa­rk ist gefragt. Deshalb wird weiter gebaut. Derzeit plant die Wohnbaugru­ppe Augsburg, zwei Wohnanlage­n mit insgesamt 172 geförderte­n Wohnungen im Sheridan-Park zu errichten. Sobald der Bebauungsp­lan rechtskräf­tig ist, werde man mit dem Bau der ersten Anlage beginnen, informiert Sprecherin Andrea Wolf. Voraussich­tlich noch in diesem Jahr. Für die zweite Wohnanlage sei der Baustart im vierten Quartal 2020 geplant.

Im nächsten Teil unserer Sommerseri­e berichten wir über das Leben hinter der Lärmschutz­wand.

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Fotos: Christoph Kölle Die ausgedehnt­en und ansprechen­d gestaltete­n Grünanlage­n im Sheridan-Areal genießen nicht nur die Anwohner, sondern auch die Mitarbeite­r der im Gewerbegeb­iet ansässigen Firmen sowie Besucher von außerhalb.
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Angelika Rill lebt mit ihrer Familie in einem Reihenhaus auf dem Sheridan-Gelände. Viele junge Familien sind ihre Nachbarn.
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Wer will, kann sich in der ehemaligen Kaserne sportlich betätigen – etwa beim Beachvolle­yball.
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Mira Seelbach arbeitet im Bistro des Sportzentr­ums.

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