Friedberger Allgemeine

Wir sind alle Sternensta­ub

Zum Abschluss der Reihe geht es mit Florian Freistette­r ins All zu den kosmischen Kräften

- VON SYBILLE SCHILLER

In dem Kinderlied „Weißt du wie viel Sternlein stehen“, wird behauptet, dass Gott, der Herr, sie alle, gemeint sind die Sternlein, gezählt hat. Dass Gott jedoch das Ergebnis, also die Summe aller Sterne, den Menschen auf Erden bis heute nicht mitgeteilt hat, verübelt ihm der Astronom Florian Freistette­r. Dabei kennt Gott bestimmt auch alle Sternennam­en, jedoch bei einer Abermillia­rdenzahl könnte sich diese eh kein Mensch merken. Deshalb, so Freistette­r, hat längst nicht jeder der bisher entdeckten Sterne einen Namen, sondern ist mit Buchstaben und Zahlen katalogisi­ert.

Nachzulese­n sind derlei Erkenntnis­se in seinem Sachbuch „Eine Geschichte des Universums in 100 Sternen“. Der studierte Astronom Freistette­r, unter Haupt- und Hobby-Astronomen bekannt durch seinen Astronomie-Blog „Astrodicti­cum simplex“, erklärte als letzter Gast der „Literatur im Biergarten 2019“sehr originell die Entstehung der Welt aus dem Sternen-Universum vor Abermillia­rden Jahren. In den kosmischen Zeugenstan­d für alle theoretisc­hen Annahmen rief Freistette­r dann den Polarstern, die Wega, Alpha Centauri und andere. Die wichtigste Aussage machte für die Wissenscha­ft der kleine rote Zwergstern, katalogisi­ert als „2 MASS J18082002-5104378 B“. Der nämlich gestattet einen Blick auf den Urknall und in die Theorie der Entstehung der Elemente.

Der „rote Zwerg“selbst besteht fast nur aus Wasserstof­f und Helium, aus denen sich im Weltall durch Kernfusion alle anderen Elemente bis hin zu Nickel und Eisen entwickelt haben. Diese gelangen entweder durch eine Super-Nova-Explosion oder durch Sternwinde in den Raum, weshalb der Vortragend­e poetisch feststellt­e: „Wir sind Sternensta­ub“.

Das aber bleibt eine nackte Tatsache. Unser Körper und unsere Nahrung, kurz alles Biologisch­e, besteht zum größten Teil aus Wasserstof­f, Sauerstoff, Kohlenstof­f und Stickstoff. Dank dieser Elemente und der Experiment­ierfreude mit denselben wurde Florian Freistette­r im Laufe des Abends vom Astronomen zum Gastronom mit Waffeleise­n und Sternengeb­äck und vielleicht bald ausgezeich­net als Sternekoch.

In dieser Eigenschaf­t erläuterte er den Mineralsto­ffgehalt von Zutaten wie Öl, Sojamilch, Mehl und Bananen. Doch Sternensta­ub kann in der Unendlichk­eit des Universums auch verpuffen, neu geboren oder, wenn etwas schiefgeht, vom schwarzen Loch verschluck­t werden. Dank eines vor kurzem erstmals fotografie­rten „schwarzen Lochs“sind nun den Sterngucke­rn neue Perspektiv­en eröffnet.

An diesem letzten Abend der „Literatur im Biergarten“2019 war Florian Freistette­r, poetisch ausgedrück­t, nur eine „literarisc­he Sternschnu­ppe“, aber seine Sachkompet­enz stieg wie ein Komet in den Augsburger Himmel.

Von diesem holte, begleitet von begeistert­em Applaus des Publikums, Ruth Maria Rossel die Sterne für ihr „Magic Cellospiel“herunter, und ihre Soli umwirbelte­n „Sternensta­ub“vom elektronis­chen Loopgerät mit einer Endlosschl­eife orchestral­er Sequenzen. Diese Töne begleitete­n die nun belehrten und erfreuten Gäste in eine, wegen der Großstadtl­ichter aber leider nicht zu erkennende, vermutlich sternenkla­re Nacht.

Vom Astronomen zum Gastronom mit Waffeleise­n

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Florian Freistette­r und Ruth Maria Rossel im Biergarten Drei Königinnen beim Abschluss der diesjährig­en Literatur aus dem Biergarten.
Foto: Michael Hochgemuth Florian Freistette­r und Ruth Maria Rossel im Biergarten Drei Königinnen beim Abschluss der diesjährig­en Literatur aus dem Biergarten.

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