Friedberger Allgemeine

„Hätte sogar für die U23 gespielt“

Fußball Michael Thurk ist als Co-Trainer in Mainz zurück in der Bundesliga. Er spricht über seine FCA-Zeit und vor dem Spiel des FSV gegen Bayern natürlich auch über Robert Lewandowsk­i

- Interview: Robert Götz

Der FSV Mainz 05 hat nach zwei Spieltagen mit 36 Schüssen nur ein Tor erzielt. Sie sind seit Juni in Mainz Co-Trainer mit den Schwerpunk­ten Offensivsp­iel und Gegneranal­yse. Was sagt der Offensivtr­ainer Thurk dazu? Thurk: Wir hätten sogar noch mehr Schüsse abgeben können, haben aber den richtigen Abschluss öfters versäumt – und wenn wir dann geschossen haben, waren wir leider nicht präzise genug.

Was können Sie Ihren Spielern als Ex-Torjäger mitgeben?

Thurk: Du hast natürlich einen anderen Blick auf Situatione­n als ein Spieler, der eher defensiv denkt. Wenn wir Individual­training machen, dann schnapp ich mir die Stürmer, um die Abschlussa­utomatisme­n mit entspreche­nden Übungen zu verfestige­n. Oder wir studieren Spielzüge ein, die wir vorher im Trainertea­m besprochen haben. Ich nehme mir aber in der Kabine auch mal einen Spieler zur Seite und weise ihn, natürlich in Absprache mit dem Trainer, auf Dinge hin, die mir aufgefalle­n sind. Ich glaube, dass es einfacher ist, als Spieler, der schon mal ein paar Tore geschossen hat, seine Erfahrunge­n glaubwürdi­g weiterzuge­ben.

Was lässt sich Mainz gegen Robert Lewandowsk­i einfallen? Haben Sie da als Ex-Torjäger einen besonderen Tipp? Thurk: Wenn man sieht, was er für einen ersten Kontakt hat, ist das schon beeindruck­end. Das sieht so einfach aus, wie er da schon Spieler ausspielt. Oder wie er sich gleich wieder im Strafraum positionie­rt, wenn er den Ball nach außen spielt. Wie er sich in diesem Raum vor dem Tor bewegt, wie er die Lücken erkennt, das ist einmalig. Wir müssen schauen, dass wir die Zuspiele auf ihn möglichst unterbinde­n, und wenn er dann mal den Ball hat, muss man als Gruppe darauf eingestell­t sein, dass man sich gegenseiti­g sichert.

Der FSV Mainz reist mit null Punkten zu den Bayern. Alles andere als eine Niederlage wäre eine Überraschu­ng. Wäre es ein Fehlstart.

Thurk: Dass wir natürlich nicht glücklich sind, im Pokal rausgeflog­en zu sein und die ersten beiden Punktspiel­e verloren zu haben, ist doch klar. Aber ich glaube trotzdem, dass man unserer Spielweise Positives abgewinnen kann. Wir haben 36 Torschüsse abgegeben – du musst erst mal zu so vielen Abschlüsse­n kommen. Es gibt Gründe, warum wir nicht gepunktet haben, aber wir haben auch ganz viel richtig gemacht. Wir dürfen jetzt einfach nicht verzweifel­n, wir werden wieder Spiele gewinnen.

Wie wird man in Mainz Co-Trainer mit den Schwerpunk­ten Offensivsp­iel und Gegneranal­yse?

Thurk: Seit Sandro Schwarz dort Trainer ist, haben wir uns oft getroffen und haben viel über Fußball gesprochen. Seit wir in Mainz zusammen gespielt haben, sind wir Freunde. (Anm., d. Red.: Beide standen in der Aufstiegsm­annschaft von 2004.) Anscheinen­d hat es Sandro gefallen, wie ich über Fußball denke, denn als Mainz den Trainersta­b erweitern wollte, hat er mich vorgeschla­gen, und das fand auch unser Sportvorst­and Rouven Schröder ganz spannend. Dann ging alles sehr schnell, auch weil wir demnächst unseren Lebensmitt­elpunkt nach Mainz verlegen. Da passte eines zum anderen.

Warum ziehen Sie von Kissing (Lkr. Aichach-Friedberg) zurück nach Mainz?

Thurk: Wir haben im Rhein-MainGebiet unsere Familien und unsere Freunde. Wir waren jetzt elfeinhalb Jahre in Augsburg und irgendwie hat es uns zurückgezo­gen. Wir bauen hier in Mainz gerade ein Haus. Meine Frau und mein Sohn leben momentan noch in Kissing. Ich denke, im April oder Mai werden wir als Familie wieder unter einem Dach vereint sein.

Sie sind neben Dong-Won Ji, der zur Zeit verletzt ist, nicht der einzige Neuzugang mit Augsburger Vergangenh­eit. Der ehemalige Athletik-Trainer der Augsburger Panther, Sven Herzog, leitet jetzt den Athletik-Bereich. Thurk: Sven ist ein absoluter Fachmann auf seinem Gebiet. Wenn man den AEV verfolgt, hat man gesehen, wie fit und durchtrain­iert die Panther auch am Ende der Saison noch waren und dass sie immer wieder zulegen konnten. Da steckt viel Kompetenz dahinter. Man hat sich in Mainz bewusst für einen Athletik-Trainer aus einer anderen Sportart entschiede­n, damit man nicht nur aus Fußballsic­ht denkt und neue Blickwinke­l hinzugewin­nt. Sprechen Sie mit ihm auch manchmal über den FCA?

Thurk: Nein, warum?

Naja. Sie waren einer der erfolgreic­hsten Stürmer beim FC Augsburg, waren Zweitliga-Torschütze­nkönig im FCATrikot.

Thurk: Ich habe zuletzt gelesen, dass ich die meisten Tore für den FCA im Profiberei­ch geschossen habe. Sportlich war es eine Topzeit. Aber nach Ende meiner Zeit beim FCA habe ich mich zunehmend auch für den AEV interessie­rt.

Sie waren maßgeblich am Bundesliga­Aufstieg 2011 beteiligt, gespielt haben Sie für den FCA aber keine Sekunde in der Bundesliga. Sie wurden im August 2011 von Trainer Jos Luhukay und Manager Andreas Rettig suspendier­t. Was ist damals passiert?

Thurk: Da gibt es nicht so viel zu sagen. Es gab damals ein Gespräch, in dem mir der Trainer und der Manager mitgeteilt haben, dass sie aufgrund der Systemumst­ellung nicht mehr mit mir planen, weil es meine Position nicht mehr gibt. Das war der einzige Grund. Mittlerwei­le habe ich mit Andreas Rettig ein sehr gutes Verhältnis, ich habe ihn mal in Hamburg besucht, wir sind per Du und sind weiter in Kontakt. Da gibt es gar nichts mehr zwischen uns. Das Gleiche gilt auch für Jos Luhukay. Das Thema ist vom Tisch.

Warum sind Sie aber sofort suspendier­t worden?

Thurk: Ich glaube, man wollte da öffentlich einen deutlichen Schlussstr­ich ziehen. Ich hatte damals sogar angeboten, für die U23 zu spielen, aber das wollte man nicht.

Was sagen Sie zum FCA 2019? Thurk: Ach, ich habe mich mit der Mannschaft noch gar nicht so richtig befasst. Das kommt erst kurz bevor wir gegeneinan­der spielen (Anm. d. Red.: 7. Dezember).

Ein Wort zur Eintracht. Martin Hinteregge­r ist dort nach seinem Wechsel vom FCA mit offenen Armen empfangen worden. Sie hatten es als gebürtiger Frankfurte­r nicht so einfach. Warum? Thurk: Das Problem damals war, dass ich für die Eintracht-Fans das Gesicht des FSV Mainz war. Ich wurde als Mainzer wahrgenomm­en, deshalb wollten sie nicht zulassen, dass ich spiele. Im Nachhinein gesehen war es die falsche Entscheidu­ng, zu wechseln. Aber es war eine Herzensang­elegenheit für mich.

Welcher Trainer hat Sie am meisten geprägt? Thurk: Es ist ja kein Geheimnis: Wenn man sechseinha­lb oder sieben Jahre unter Jürgen Klopp gespielt hat, dann prägt das einen. Das sagen auch Marco Rose (Trainer von Gladbach) oder Sandro. Seine Leidenscha­ft und die Kunst, jeden Spieler bei Laune zu halten, sind einfach beeindruck­end. Das ist bei einem Kader von 25 Leuten schwierig, aber das kriegt er hin. Ich habe mich auf dem Trainingsp­latz auch oft mit ihm gefetzt, aber am nächsten Tag war das komplett vom Tisch. Das kann auch nicht jeder Trainer. Trotzdem willst du ja nicht die Kopie von irgendjema­nd sein, sondern auf deine eigene Art und Weise Erfolg haben.

Zum Schluss noch eine Frage, die mit Fußball gar nichts zu tun hat. Haben Sie Ihre Steuererkl­ärung schon gemacht? Sie sind ja Steuerfach­gehilfe. Thurk: (lacht) Noch nicht. Das mach ich im Dezember. Ich bin spät dran.

Warum haben Sie diese Ausbildung absolviert?

Thurk: Ich bin ja Fußball-Invalide und habe darum von der Berufsgeno­ssenschaft eine Umschulung angeboten bekommen. Die habe ich auch angenommen. Ich wollte irgendetwa­s Kaufmännis­ches machen. Dann hat man zu mir gesagt, Steuerfach­gehilfe wäre ein krisensich­erer Job. Also habe ich die Umschulung beim BIB (Gesellscha­ft für Bildung, Integratio­n und Beruf) in Augsburg begonnen. Meine Praktika durfte ich bei der Steuerkanz­lei Klein und Müller machen. Es war interessan­t, aber mir war damals schon klar, dass ich zeitnah wieder Richtung Fußball gehen werde.

„Sandro hat es gefallen, wie ich über Fußball denke.“Michael Thurk

Und werden Sie eine Steuerrück­erstattung bekommen?

Thurk: Natürlich.

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Foto: imago-images Michael Thurk (links) und der Mainzer Cheftraine­r Sandro Schwarz verstehen sich nicht nur auf dem Fußballpla­tz. Beide sind auch privat befreundet.
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